Hallo,
ich bin gerade etwas durch den Wind: Am Wochenende habe ich erfahren, daß meine Tante (Schwester meiner Mutter) versucht hat, sich umzubringen. Sie schnitt sich die Pulsadern auf, ist aber dann anscheinend doch wieder zur Besinnung gekommen und selbst ins Krankenhaus gefahren. Das ist auch der Grund, warum ich die Sache nicht so ernst genommen habe. Leider. Am Mittwoch erzählt mir meine Mutter, daß ihre Schwester am Montag bereits auf eigenen Wunsch aus dem Krankenhaus entlassen wurde und seit dem vermißt wurde. Da ihr Auto verschwunden war, nahm man an, daß sie weggefahren ist. Ja, und seit gestern wissen wir nun, daß sie doch daheim war und sich dort endgültig das Leben nahm, indem sie sich erhängte. Ich kann es nicht fassen. Obwohl nicht wirklich viel Kontakt zu ihr hatte, weil sie immer schon ein bißchen „strange“ war, bin ich trotzdem zutiefst erschüttert. Wie wohl alle Hinterbliebenen suche ich bei mir nach einer Schuld oder nach irgend etwas, was ich hätte tun können ,um das zu verhindern.
Den größten Schmerz bereitet mir aber der Gedanke daran, wie meine Mutter sich fühlen muß. Die Vorstellung meine Schwester würde so sterben, ist furchtbar. Gestern am Telefon war meine Mutter noch ganz ruhig, aber sie sagte selbst, daß sie unter Schock steht und es noch gar nicht richtig glauben kann. Am Montag kann meine Mutter erst hin fahren, um meiner Oma beizustehen. Meine Tante hatte sich bisher um meine Oma gekümmert, die aufgrund ihrer Blindheit auf Hilfe angewiesen ist. Meine Oma muß sicher auch entsetzlich leiden.
Mir fällt auf, daß mich mehr der Gedanke, wie die direkten Verwandten meiner Tante leiden, traurig macht. Meine Mutter hat ihre Schwester verloren, meine Oma ihre Tochter, meine Cousinen ihre Mutter. Immer wenn ich daran denke, kommen mir die Tränen. Schlimm sind auch die Gedanken an meine Tante - ihre letzten Stunden. Was in ihr vorgegangen sein muß, wie sie still gelitten haben muß.
Was ich schlußendlich vor allem nicht verstehen kann, ist, warum das Krankenhaus eine Selbstmordgefährdete auf eigenen Wunsch entläßt. Ja, es ist doch klar, was sie als nächstes tut.
Danke fürs Lesen und Mitfühlen.
Jana
Kommentare
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Mir fehlen die Worte......
Bin in Gedanken bei Dir.....
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Lass dich mal drücken .
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Das mit dem KH verstehe ich auch nicht. Normalerweise gibt es da eine richterliche Anordnung ..das diese Leute eben nicht entlassen werden können.
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Mich hat das auch alles sehr mitgenommen, obwohl wir in den letzten Jahren kaum Kontakt hatten.
Ich kann nur jedem den Tipp geben, sich Hilfe zu holen, wenn man merkt, dass man damit nicht klar kommt.
Meine Cousine ist jetzt in Behandlung bei einer Psychotherapeutin für Traumabewältigung, da sie das Bild von ihrer toten Mutter nicht mehr los wird.
Ich wünsche euch viel Kraft für die nächste Zeit!
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ich frage mich, was ein mensch durchgemacht haben muss, der den tod als einzigen ausweg sieht.
ich wuensche dir viel kraft. :troest:
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Ich glaube nicht, das du etwas hättest tun können. Wenn sich jemand wirklich umbringen will, dann macht er es auch früher oder später.
Deine Tante hat die Sache ja selber nochmal überdacht und es erst beim zweiten Mal zu Ende geführt.
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Ich wünsche dir viel Kraft, das alles für dich gut zu überstehen. Hinterher frägt man sich immer, was man hätte tun können, aber wenn ein Mensch so weit geht (immerhin 2 Versuche) dann meint er es ernst. Ob man ihm dann noch hätte helfen können bezweifle ich. Such die Schuld nicht bei dir, frag dich nicht, was du hättest tun können. Sie wollte es so und wenn sie Hilfe gewollt hätte, dann hätte sie sich früher "gemeldet".
Versuch sie so in Erinnerung zu behalten wie sie war.
Es ist schwer, dir da etwas Aufbauendes zu schreiben, aber vielleicht kommts ja rüber was ich meine...
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vielen Dank für die Anteilnahme.
Ich war am Wochenende zu Hause bei meiner Mutter, die noch immer ziemlich ruhig war. Aber es nagt an ihr. Sie sagte, daß sie froh ist, daß wir gekommen sind, denn durch Paul hat sie etwas Ablenkung. Immer wenn sie zur Ruhe kommt, gehen die Gedanken an ihre Schwester. Sie will meinen Namen auf die Schleife des Beerdigungskranzes schreiben lassen. Also sie so darüber sprach, war es bei mir auch wieder zu spät. Beerdigung - das hat der ganzen Sache noch diese bedrückende Endgültigkeit verliehen und das, wo man es doch immer noch gar nicht glauben kann. Mir ist es peinlich gewesen, daß ich heulen mußte und bin rausgegangen.
Meine Mutter ist nun vor Ort und die Beerdigung wird sicher noch diese Woche stattfinden. Um den Weg, den meine Mutter gehen muß, beneide ich sie nicht.
Es ist schon komisch. Dies war der erste Selbstmord in meinem näheren Umkreis. Früher hatte ich eigentlich den Standpunkt, daß man die Leute doch Selbstmord begehen lassen soll, wenn sie gar nicht mehr zurechtkommen. Aber jetzt aus dem Blickwinkel eines Hinterbliebenen sieht die Sache schon ganz anders aus ...
Liebe Grüße
Jana
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Vor 3 1/2 Jahren war es beim besten Freund meines Vaters sehr ähnlich.
Nachdem seine Frau ihn verlassen hatte, hat er sich erst die Pulsadern aufgeschnitten und Schlaftabletten genommen, wurde aber rechtzeitig gefunden - nach ein paar Tagen hat er das Krankenhaus auf eigenen Wunsch verlassen, und 4 Tage später hat er sich aufgehangen.
Er war zwar kein Verwandter aber ein sehr enger Freund unserer Familie, und ich kam lange Zeit nicht damit klar, dass er sich umgebracht hatte - es war für uns alle total schrecklich!!
Man fragt sich hinterher zwar immer, ob man es hätte verhindern können, aber letztendlich - wenn jemand sich wirklich umbringen will, tut er es auch ... schuld ist da niemand!!!
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Bei uns war es vor ein paar Jahren in der Silvesternacht auch ähnlich. Meiner Oma ihre Schwester lebte mit Mann in Hannover. Dadurch sah man sich zwar selten, aber der Kontakt war doch regelmäßig. Ihr Mann ist dann an Alzheimer erkrankt und mußte wegen Beinbeschwerden ins KH. Dort hat man ihn ans Bett gebunden, obwohl die Ärzte das wohl garnicht durfen ohne Beschluss. Da die Söhne in Australien leben und die 2 niemand mehr hatten, suchte meine Schwester schon fleißig Wohnungen oder betreutes Wohnen hier in Leipzig. Aber sie kam wohl nicht damit klar was mit ihrem Mann gemacht wurde und hatte Angst das das wieder passieren könnte wenn die Krankheit noch weiter fortschreitet und er in ein Pflegeheim müßte. Hat dann 3 Abschiedsbriefe geschrieben und erst ihn mit dem Kissen erstickt und dann selber Tabletten genommen und extra noch eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt und sich ins Bett gelegt. Sie wurden erst 2 Tage später gefunden. Wie verzweifelt muß man sein um sowas machen zu können. Wir waren alle geschockt wo wir das erfahren haben. Es war echt schlimm.
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Falls das ein kleiner Trost ist :???:
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Eine meiner Cousinen lebt in Irland. Sie wird die Asche ihrer Mutter dort über der See verstreuen.
Ein schönes, wenn auch verfrühtes Ende.