Lange habe ich mir überlegt, ob ein langweiliger Kaiserschnitt überhaupt einen Geburtsbericht wert ist oder nicht. Dario liegt jetzt friedlich schlafend im Tragtuch auf meiner Brust, und ich denke, es ist eine gute Zeit, einmal damit anzufangen. Obwohl, wie gesagt, aufregend ist es nicht.
Dario lag schon seit der 20. Woche immer etwa gleich in der Gebärmutter. Er erinnerte mich immer etwas an einen Käfer, der auf dem Rücken liegt und mit den Beinen strampelt. In der 32. Woche lag er in Schräglage, legte sein Köpfchen manchmal ziemlich schmerzhaft auf meine rechte Niere. Das war das erste Mal beim Untersuch, wo die Frauenärztin auch von Kaiserschnitt sprach, sollte er sich in den nächsten vier Wochen nicht noch drehen. Ich war geschockt - auf alles war ich durch den Geburtsvorbereitungskurs vorbereitet, nur den Kaiserschnitt habe ich nie ernsthaft in Betracht gezogen. Ich machte fleissig, wenn nicht sogar verbissen die indische Brücke und ging regelmässig zum Moxen. Es kam aber wie es sollte, in der 36. Woche sass Dario in vorbildlicher Beckenendlage. Ich musste mich also mit dem Kaiserschnitt auseinandersetzen. Das kostete mich einige Tränen, Ärger und Enttäuschung, aber schlussendlich blieb mir nichts anderes übrig als mich damit abzufinden und das beste daraus zu machen.
Am 13. April am Nachmittag musste ich in die Klinik einrücken und da wurde gleich mal ein CTG gemacht, 4 Ampullen Blut wurden genommen (für alle möglichen Tests), mittels Ultraschall wurde noch einmal die Lage des Kindes überprüft und schlussendlich fand ein Vorgespräch mit dem Anästhesisten statt. Die Schamhaare habe ich mir im Vorfeld selber rasiert, damit ich wenigstens etwas aktiv dazu beitragen konnte. Der Anästesiearzt konnte mich noch etwas beruhigen, ich machte aber ziemlich klar, dass mir mulmig war und dass ich Angst vor dem Eingriff habe.
Mein Mann und ich gingen dann ein letztes Mal als Paar essen und ich musste dann in der Klinik übernachten.
Am 14. April morgens um 6 Uhr wurde ich geweckt und ich duschte zum letzten mal mit Dick-bauch. Das war ein komisches Gefühl. Ich zog das Sexy-Nachthemd an und legte mich aufs Bett, um auf die Hebamme zu warten. Ich wurde in das Hebammen-Vorbereitungszimmer gerollt und da wurde mir eine Infusion gesteckt. (Natürlich hat sich die Hebamme verstochen und musste den Anästhesisten holen dafür, die blauen Flecken erinnerten mich noch 8 Tage daran).
Dann kam auch mein Mann und wir fuhren gemeinsam in den OP-Vorraum, wo uns die Ärztin empfing. Mein Mann musste sich dann in die modische lindgrüne Kleidung mit passendem Hütchen und Mundschutz schwingen, während ich in den OP gefahren wurde. Eine eisige Kälte empfing mich und ich musste gleich an den armen Dario denken, der innert Sekunden von wohliger Wärme in diese frostige Umgebung kam. Ich begann zu schlottern, meine Zähne klapperten, ich hatte das Gefühl, nichts mehr unter Kontrolle zu haben. Die Schwestern legten mir wärmende Decken auf die Brust, aber die halfen nur bedingt. Die Anästhesistin stach mir dann in den Rücken zwecks örtlicher Betäubung. Es wurden Tests gemacht, ob die Narkose schon wirkt, der Katheter wurde gelegt, Sichtschutzvorhänge wurden montiert und dann durfte auch mein Mann in den Saal, er stellte sich neben meinen Kopf und streichte mir durchs Haar. Das war sehr tröstend.
Dann ging alles sehr schnell. Die Schwester neben mir sagte mir, dass sie schon mit schneiden begonnen haben und ich war beruhigt, dass ich wirklich nichts merkte. Plötzlich wurde ich hin und her gerüttelt, ich schloss die Augen und wünschte nur noch, dass alles schnell vorbei war. Mir wurde übel und ich bekam ein Gegenmittel gegen diese Form der Übelkeit, ähnlich wie die der Reisekrankheit. Da hörte ich Darios Schrei, die Ärztin hielt ihn kurz über den Vorhang und ich weiss nur noch, dass ich gedacht habe: Gottseidank, er sieht völlig gesund aus. Und da war ich auch beruhigt. Die Hebamme wollte ihn mir sofort auf Brust legen, aber wegen der Übelkeit mochte ich das noch nicht ertragen. Mein Mann, Dario und die Hebamme gingen dann nach hinten, wohl für schnelle Tests und kurz etwas abwaschen. Da hörte ich, wie die Schwester sagte: Jetzt hält ihn der Papa. Und in dem Moment schrie der Kleine wie am Spiess. Noch heute lachen wir darüber. Der Papa war aber ganz stolz, dass er der erste war, der ihn so richtig halten durfte. Er kam dann mit Dario neben meinen Kopf, und ich konnte unser Kind das erste Mal richtig anschauen. Danach gingen meine beiden Männer zurück in den Kreisssaal, da es im OP doch etwas kalt war.
Da hörte ich wie die Ärztin rief: Holt den Fotoapparat. Ich weiss nicht, wie es euch geht, aber für mich ist dies einer der Sätze, die man nicht unbedingt hören will an einer Operation. Ich fragte: Was ist los? Aber die Schwester meinte, dass mich die Ärztin dann schon aufklären würde. Das hat mich nicht unbedingt beruhigt. Dann wurde ich wieder zusammengeflickt - und wieder wünschte ich einfach nur, dass dies so schnell wie möglich vorbei geht. Dann war endlich alles vorbei und ich wurde auch hochgefahren zu meinen Männern.
Endlich hatte ich Zeit, Dario richtig anzuschauen und ich hab mich gleich in ihn verliebt. Die Hebamme legte ihn mir auf die Brust und er begann gleich zu nuckeln und zu saugen, das war ein unbeschreibliches Gefühl. Er wurde dann noch gebadet, gewogen, gemessen und dann durfen wir ihn endlich für uns haben und die ersten Stunden unseres neuen Familienlebens geniessen. Ich war zwar immer noch etwas beduselt von der Narkose und es wurden auch bereits die ersten Schmerzmittel gespritzt, aber Dario auf dem Arm zu halten war ein grosses Gefühl. Das half mir auch, die Schmerzen der nächsten Tage besser zu ertragen.
Übrigens hat die Ärztin beim Aufschneiden drei Myome an der Aussenseite der Gebärmutter entdeckt, eines davon war während der Schwangerschaft mit der Gebärmutter gewachsen und war vermutlich auch der Grund, dass sich Dario nicht drehen konnte. Schlussendlich ist es sicher von Vorteil, dass er dies nicht konnte, da eine Spontangeburt unter diesen Vorzeichen ziemlich kompliziert gewesen sein könnte. Aber ebenso ist es ein Segen, dass die Medizin kariöse Zähne behandeln kann, trotzdem ist es nicht etwas, was ich mir wünsche. Eine nächste Schwangerschaft würde wieder mit Kaiserschnitt entbunden werden müssen. Dario wird aber ein Einzelkind bleiben.
Der Kaiserschnitt hat mich stark belastet und seine Narben auf meinem vormals gesunden Bauch und meiner Seele hinterlassen. Ich komme mir vor wie zwei geteilt und habe das Gefühl, von der Geburt nichts mitbekommen zu haben, wohl gemerkt, von der Operation schon. Es bereitet mir aber Schwierigkeiten, diese Bauch OP als Geburt anzuerkennen. Drei Monate danach sieht die Narbe immer noch schrecklich aus (auch wenn Ärzte mir das Gegenteil weismachen wollen), mein Bauch ist immer noch taub und schmerzt bei Berührung. Die Narbe kann ich immer noch nicht anfassen, und wenn, dann nur unter Tränen.
Ich hatte eine wunderschöne und sinnliche Schwangerschaft, welche durch eine nüchterne, effiziente und routinemässige Operation beendet wurde, das ist wohl die Kehrseite unserer Ruck-Zuck Gesellschaft. Gerne hätte ich mir gewünscht, dass wenigstens mein Kind den Zeitpunkt seiner Geburt selber bestimmen könnte, ich würde dies bei einem nächsten Mal auch durchsetzen, aber eben, es wird kein nächstes Mal geben.
Das war jetzt ein langer Bericht, ich bin selber erstaunt darüber. Aber irgendwie hat es auch gut getan, das mal ausführlich niederzuschreiben, auch wenn's nichts Spektakuläres ist
Kommentare
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Herzlichen Glückwunsch für Euch zwei beide und schöne Kennenlernzeit...
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dein bericht gehört genau so hier hin, wie all die anderen. er ist wichtig für all die, die sich unbedingt einen kaiserschnitt wünschen. vielleicht wünschen sie es sich nicht mehr so arg nach deinem bericht...
alle lieben wünsche für deine kleine familie, jede menge kraft für die kommenden wochen.
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Glückwuuunsch :fun12:
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Mit langweilig meinte ich natürlich nicht, dass es langweilig für mich war - eher, dass sich wohl alle Kaiserschnittgeburten ähneln und natürlich (oder zum Glück) nicht viel Unerwartetes geschieht.
Es war einfach gut für mich, das Ganze aufzuschreiben, da ich von der OP ein kleineres Trauma hatte, dass aber zum Glück langsam verblasst
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Ich drücke die Daumen, dass Du das Trauma bald überwunden hast. Das klappt schon ;-) , ich spreche aus Erfahrung.
Noch eine schöne Kennenlernzeit für Eure kleine Familie.
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Und der Bericht ist auch wichtig, weil er doch zeigt, dass so unschön ein KS ist, die Bindung zu dem kleinen Schatz doch auch gleich aufgebaut werden kann - ein Sache, vor der ich ein bischen Angst habe, sollte es bei mir zum KS kommen.
liebe Grüsse
Claudia
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:laola02: