ich rege mich jetzt schon seit mehrern tagen über thea dorn auf - ich stehe nicht hinter eva herman - aber so radikal wie in diesem artikel formuliert wird, ist doch auch nicht okay? haben nur die bestausgebildesten frauen das recht einen kinderwunsch zu hegen? hänge ich wirklich noch mit einer hand am baum, weil mir familäre werte wichtig sind und ich mich in eine abhängigkeit begebe? sprich, die arbeit zugunsten meiner kinder aufgebe oder stark einschränke?
und überhaupt dieser radikale ton? wieso darf man dann nicht einfach selbst darüber entscheiden, wie man glücklich wird- das gibt es doch die unterschiedlichsten wege ... ich hasse diese schwarz- und weiß-malerei.
GESCHLECHTERDEBATTE
Begrabt den Gebärneid!
Von Thea Dorn
Kinder als Karriere-Ersatz? Das existenzielle Loch, in dem sich junge Frauen von heute befinden, kann weder mit einem neuen Fummel noch mit einem Baby gestopft werden. Die Frage, wie moderne Elternschaft aussehen kann, wird den Geschlechterkampf der nächsten Jahre bestimmen.
Die Dornröschen, die glaubten, in einem Land zu leben, das die Geschlechterkämpfe lange hinter sich gelassen hatte, erwachen. Anders als ihre Märchenschwester werden sie jedoch nicht vom edlen Prinzen wach geküsst. Sondern vom Kollegen, der ihnen bei der Betriebsfeier vor versammelter Mannschaft ins Gesicht lallt: "Ich will dich demütigen!" - und vom Chef, der diesen Laller, obwohl er sich am Ende seiner Probezeit befand, eine Woche später anstandslos fest anstellt. Sie werden wach geküsst vom Feuilletonisten, der ihnen nicht mehr die freie Entscheidung für oder gegen Nachwuchs überlassen will, sondern nur noch die Wahl, ob sie ihr Mutterkreuz bei zwei, drei oder mehr Kindern machen. Good bye, Matrix. Willkommen in der Wirklichkeit.
THEA DORN
DDP
Thea Dorn, Jahrgang 1970, studierte Philosophie in Frankfurt am Main, Wien und Berlin. Ihre Kriminalromane wurden unter anderem mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet. Zuletzt erschien mit "Die Brut" ein Roman, der das Leiden einer modernen Karrieremutter beschreibt. Thea Dorn moderiert die Bücher- Talksendung "Literatur im Foyer" beim SWR und lebt als freie Autorin in Berlin.
Nun besteht jedoch die Gefahr, dass das feministische Gejammer: "Die Männer geben uns keine Chance", sein Echo findet im postfeministischen Katzenjammer. "Haben wir Frauen die Emanzipation verspielt?" - fragt die Journalistin Heike Faller, Jahrgang 1971, im April 2006 in einem so betitelten Essay. Nein. Noch ist nichts verspielt. Die nach 1960 geborenen Frauen sind jung und qualifiziert genug, Emanzipation auf einem neuen Niveau durchzusetzen. Allerdings wird ihnen dies nur gelingen, wenn sie ein paar lieb gewordene Illusionen aufgeben und ein paar grundlegende Einsichten akzeptieren: Für eine Frau, die den Anspruch hat, aus ihrem Leben "etwas zu machen", gibt es keine Alternative dazu, die Verantwortung für ihr Leben konsequent selbst zu übernehmen.
Das Hoffen auf den netten Ehemann, in dessen Windschatten sich alles fügt, ist so trügerisch wie feige. Schon Aristoteles wusste: "Wer Sicherheit der Freiheit vorzieht, ist zu Recht ein Sklave." Nichts ist befriedigender, als eine große Herausforderung gemeistert zu haben - und an einer echten Herausforderung zu scheitern, garantiert immer noch mehr Würde, als das putzige Heimchen zu sein, das sein Haus wieder so schön mit Blumen geschmückt hat. Frauen müssen endlich damit aufhören, anderen Frauen einzureden, sie hätten zu dicke Oberschenkel - anstatt sie zu ermutigen, den Beruf oder den Partner zu wechseln, falls diese sie bei Lichte besehen nur unglücklich machen. Es ist nicht "peinlich", Sexismen als das zu bezeichnen, was sie sind: Sexismen. Sich für die Emanzipation zu engagieren, ist kein stilistischer Fauxpas wie die Karottenhose in den 80ern. Wenn Frauen dies beherzigen und ihre Kinder in diesem Sinne erziehen, ist wahrlich nichts verspielt. Der Feminismus ist tot. Es lebe der F-Klassenkampf!
Raus aus den Kinderzimmern!
Der zuverlässigste, wenn nicht gar einzige Weg zu einem glücklichen Leben liegt darin, einer Tätigkeit, die man für wert- und sinnvoll hält, mit Leidenschaft nachzugehen. Und nur bei Frauen, die sich auf diesem Weg befinden und auf diesem Weg bleiben wollen, bekomme ich keine Gänsehaut, wenn sie mir erzählen, dass sie schwanger sind. Ebenso wenig wie sich das existentielle Loch mit einem immer noch schickeren Fummel verhüllen lässt, lässt es sich mit einem Kind stopfen. Selbstverständlich gibt es einem weiblichen Leben auch Sinn, Mutter zu sein. Frauen aber, die bereits so weit "anemanzipiert" sind, dass sie ein Lebensziel für sich wollen, steuern samt Kind auf eine Katastrophe zu, wenn sie Mutter werden, weil sie kein befriedigendes anderes Lebensziel für sich gefunden oder das bisherige nicht erreicht haben. Dann nämlich wird das arme Kind im günstigsten Fall zum narzisstischen Projekt, das im Mutterbauch Japanisch lernen und mit drei an der Geige brillieren muss.
Im ungünstigsten Fall wird es zum Accessoire der Mutter, die ihr Kind so hip zu tragen weiß wie die neusten Glacélederhandschuhe von Gucci. Wenn sich die Mode im nächsten Winter ändert - Pech gehabt. So wie ein Kind nicht in jedem Fall Sinnstiftung bedeutet, lernt keine Frau automatisch dadurch, dass sie Mutter ist, Verantwortung zu übernehmen. Die Mütter, die ihre Neugeborenen in Tiefkühltruhen entsorgen und ihre Kleinkinder in abgedunkelten Kammern verhungern lassen, widerlegen diese biologistisch-konservative Hoffnung aufs Brutalste. Allem Anschein nach haben die Partygirls der "Generation Golf" eine zu gute Kinderstube, um derlei Grausamkeiten zu begehen. Sie begnügen sich damit, ihre Sprösslinge im Mutterleib mitkiffen oder -koksen zu lassen. Aber echt nur ein bisschen! Versteht sich. Es ist fatal, wenn Frauen, die nicht einmal mit Mitte dreißig den Weg aus dem eignen Kinderzimmer herausgefunden haben, anfangen, vom nächsten rosa Kinderzimmer zu träumen.
Du bist der Macker!
Die Frage, wie moderne Elternschaft aussehen kann, ist eine der Fragen, die unsere Gesellschaft in den nächsten Jahren am meisten beschäftigen wird - jenseits der zynisch-verlogenen Hochglanz-Parolen, mit ein bisschen Lässigkeit und Spaß sei schon alles unter einen Hut zu zaubern. Was bedeutet es physisch und psychisch für eine Frau, ein Kind und einen herausfordernden Beruf zu haben? Welche Rolle müssen die Väter in derart veränderten Familien-Konstellationen spielen? Welche Institutionen muss der Staat bereitstellen? Gerade weil diese Fragen so dringend sind, ist es unerlässlich, sich bei denen umzuschauen, die bereits in zeitgemäßen Familienverhältnissen angekommen sind. Und gefährlich, die Thematik für den berufsjugendlichen beziehungsweise den als solchen kaschierten Spießer-Diskurs zu missbrauchen.
Die Hoffnung einer Frau, durch Mutterschaft erwachsen zu werden, ist irrig. Die Hoffnung des Mannes, endlich im Leben anzukommen, indem er ein Kind zeugt, ist absurd. Noch keiner hat allein dadurch, dass er seinen Samen in einer Frau abgeladen hat, gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Der Literaturchef der "Zeit", Ulrich Greiner, weiß dies wohl. Deshalb hat er einen Artikel geschrieben, in dem er auf den Vorwurf antwortet, die Rückgänge der Geburtenzahlen kämen vor allem daher, dass es viel zu wenig Männer gäbe, die bereit wären, als Väter tatsächlich Verantwortung zu übernehmen. Greiners Rezept zur Lösung des Problems: Die Frau soll den Mann wieder als Pater familiae und damit allein verantwortlichen Ernährer anerkennen.
O-Ton Greiner: "Indem die Frauen die männlichen Domänen nach und nach erobern, gibt es für den Mann keinen zwingenden Grund mehr, sich an der Aufzucht zu beteiligen [...] Auch die Intelligenzberufe werden immer mehr von Frauen besetzt, sodass der männliche Vorsprung, hier die Prämie davontragen und sie der treusorgenden Ehefrau zu Hause präsentieren zu können, rapide dahinschmilzt [...] Der Mann wird, wenn sich die Frau zu ihrer Andersheit bekennt und alles, was damit zusammenhängt, austrägt und aushält, bereit sein, seine alte Rolle als entsagender Beschützer zu übernehmen." In schlichtes Deutsch übersetzt: Nur der Vater, dem sein Heimchen am Herd das Gefühl gibt: Du bist der Macker!, könnte sich gnädigenfalls entschließen, Verantwortung zu übernehmen. Was für ein beschämendes männliches Selbstbild offenbart sich in solchen Äußerungen?
Spätestens seit Freud besteht der Verdacht, die Männer hätten letztlich nur aus einem einzigen Grund angefangen, Pyramiden zu bauen, Sinfonien zu komponieren und Automobile zu basteln: Aus Neid, dass sie nicht gebären können. Erst unlängst hatte ich das Vergnügen, mit einem Theologen über die Frage zu diskutieren, warum Gott als Mann gedacht werden müsse. Die Argumentation des Theologen: Die Welt wurde vom höchsten Wesen ja nicht geboren, sondern erschaffen, sprich: Es geht um Schöpfung und nicht um Geburt. Deshalb könne Gott keine Frau sein. So weit gab ich dem gelehrten Herrn Recht. Allerdings musste ich im selben Atemzug entgegnen, dass wir uns aus exakt demselben Grund Gott auch nicht als Mann, sondern nur als androgynes, doppeltgeschlechtliches Wesen denken können. Denn sonst würden wir nicht Gottes Schöpfung bewundern, sondern Gottes Zeugung.
Interessanterweise glaubten auch die (von Männern betriebenen) Naturwissenschaften bis vor zweihundert Jahren, Kinder entstünden, indem der Mann seinen "Geist" in die Frau hineingießt - oder wie es Dietrich Schwanitz in seinem Bestseller "Männer - Eine Spezies wird besichtigt" formuliert: "Der Vater war der alleinige Schöpfer und die Mutter nur der Brutofen. Er war der Pflanzer und sie der Topf (und manchmal ein zerbrochener Krug)." Es war eine der katastrophalsten Begriffsverwirrungen der Menschheitsgeschichte, zu behaupten, das männliche Pendant zum weiblichen Gebären sei das Schöpfen. Nein! Nein!! Nein!!!
Wenigstens im 21. Jahrhundert sollten wir endgültig einsehen, dass der dem Gebären komplementäre Vorgang das Zeugen ist. Und wenn dieser relativ überschaubare biologische Akt des Sperma-Abladens den Herren im Vergleich zum langwierigen und komplizierten Prozess der Schwangerschaft und Geburt zu bescheiden erscheint, als dass sie sich darauf etwas einbilden könnten - dann dürfen sie ihr Selbstbewusstsein liebend gern daraus beziehen, dass sie Zeitungsartikel schreiben oder Rasenmäher erfinden. Aber sie sollen bitte nie wieder erzählen, es sei "unfair", wenn Frauen diese Dinge auch tun, wo sie doch schon die supertolle Gabe des Gebären-Könnens besitzen. Noch einmal zum Mitschreiben: Frauen gebären. Männer zeugen. Alles andere können beide Geschlechter.
Diesen Auszug aus dem Buch "Die neue F-KLasse" von Thea Dorn hat SPIEGEL ONLINE mit freundlicher Genehmigung des Piper Verlags übernommen
Kommentare
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ich finde den Artikel in Ordnung. Wo ist das Problem? Er ist vielleicht ziemlich hart geschrieben, aber nach dem Gelaber von Frau Herman mußte ein klarer Ton her.
LG Sandi
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die emazipation ist tot :shock: hups das wusste ich gar nicht ich dachte wir sind mitten drinn
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Genau das hab ich auch gedacht...
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die frage ist nur: wie gut?
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