interview zum "sippenbett"

bratenbraten

2,538

bearbeitet 3. 07. 2007, 02:08 in Schreien- Schlafen- Wachen
es gab ja neulich im fernsehen ein projekt zum leben in der jungsteinzeit (habs leider nicht gesehen, suche gerade ob es das auf dvd gibt. dort haben zwei familien in einem nachgebildeten steinzeitdorf gelebt und z.b. auch im sippenbett geschlafen (jeder hatte wohl nur 40 cm platz...).

hier ein interview mit einem schlafforscher (Prof. Dr. Dieter Riemann Klinische Psychophysiologie, Psychatrische Klinik Uni Freiburg):

Quelle: swr.de

Mit den Hühnern ins Bett

Dieter Riemann untersuchte die Schlafgewohnheiten der Bewohner

SWR.de: Acht Wochen Schlaf-Experiment sind vorbei. Sie haben Ihre Daten ausgewertet. Was war für Sie das interessanteste Ergebnis?

Dieter Riemann: Es gibt eigentlich zwei interessante Ergebnisse. Eigentlich hatte ich erwartet, dass die Probanden tagsüber anfangen zu schlafen, weil der normale Druck wegfällt. Das ist nicht eingetreten. Sie haben nicht angefangen, alle einen Tagsschlaf zu halten. Und das zweite spannende Ergebnis war, dass sie alle nachts deutlich mehr geschlafen haben. Also neunzig bis hundert Minuten haben sie mehr im Bett verbracht, und davon haben sie auch sechzig bis siebzig Minuten mehr geschlafen, unter diesen "Steinzeit"-Bedingungen.

Worauf führen sie das zurück?

Warum sie nicht am Tag geschlafen haben, lässt sich kaum erklären. Wie aus vielen Naturvölkern und aus den südlichen Ländern bekannt, hätte ich normalerweise erwartet, dass die Leute nicht nur nachts eine Hauptschlaf-Phase haben, sondern auch tagsüber eine Schlafphase brauchen - dass wir biologisch fast drauf programmiert sind, ein Mittagsschläfchen zu halten. Vielleicht war das eine Besonderheit dieser Gruppe. Vielleicht haben sie aber auch schon nachts soviel geschlafen, dass dann der Schlafdruck tagsüber weniger groß war. Wir hatten einen sehr heißen Juli. Der August, in dem das Experiment hauptsächlich statt gefunden hat, war relativ verregnet und kalt. Es könnte sein, dass dies eine Rolle gespielt hat. Wenn es dreißig Grad warm gewesen wäre, wie normalerweise, hätte es sein können, dass sich die Gruppe mittags ins Haus zurückzieht, um es kühler zu haben.

Haben Sie den Eindruck, dass die Protagonisten erholsamer geschlafen haben?


Im Nachhinein betrachtet: Ja. Viele von ihnen haben mir das auch so geschildert. Sie haben sich in dieser Zeit entspannter gefühlt. Während des Experiments haben wir sie natürlich nicht befragen können - das war ausgeschlossen. In den Befragungen später haben sie erzählt, dass sie ihren Schlaf zufriedenstellender und erholsamer fanden während dieser Zeit.

Schauen wir uns die Schlafmuster genauer an. In dieser Gruppe von fünf Erwachsenen haben wir einige, die unter häuslichen Bedingungen vorher recht wenig geschlafen haben. Einige mussten stets hohen Anforderungen genügen: zum Beispiel im Beruf. In der normalen, modernen Welt geht das immer auf Kosten des Schlafens. Im Steinzeit-Dorf fielen diese äußeren Bedingungen weg: Körper oder Gehirn konnten sich holen, was sie brauchten.



SWR.de: Fanden Sie es überraschend, dass die Mitglieder der Sippe in der Gruppe geblieben sind und als Gruppe so gut geschlafen haben?

Dieter Riemann: Ja, das schon. In der modernen Zeit haben wir ja das Phänomen, dass jeder Mensch ein Bett für sich hat und höchstens zu zweit im Zimmer schläft. Auch die Kinder werden schon ganz früh ausgelagert. In einfachen Kulturen schläft die ganze Sippe in einem Zimmer. Eigentlich ein Störfaktor. Zehn Leute in einem Zimmer: da schnarcht einer, einer ist krank, einer hustet. Insofern hat es mich überrascht, dass sie diesen Weg gewählt haben. Aber es scheint intuitiv der richtige Weg gewesen zu sein.

In der Forschung gibt es eine große Diskussion darüber, ob Kinder im Bett schlafen sollen oder nicht. Ich halte es für natürlicher, wenn Kinder ein paar Jahre bei den Eltern schlafen, damit die Eltern ihnen Sicherheit geben können. Für die Eltern ist es wahrscheinlich auf den ersten Blick störend. Auf den zweiten Blick durchaus kuschelig. Sicherheit geben - ich denke, dass unsere Probanden diese Erfahrung gemacht haben und sie als sehr positiv empfanden.

Was ist für eine gesunde Familie wichtiger? Intimsphäre der Eltern oder diese Geborgenheitssituation?

Das ist natürlich eine individuelle Abwägung. Wobei ich denke, dass diese Kuschelsituation schon sehr wichtig ist. Sie vermittelt den Kindern auf jeden Fall Sicherheit. Heutzutage werden schon Babys gezwungen, außerhalb des Bettes der Eltern zu schlafen. Häufig bekommt das Kind direkt nach der Geburt ein eigenes Zimmer. Das ist für einen Säugling zu viel verlangt, alleine nachts zurechtzukommen. Auch für ein kleines Kind ist das schwierig.

Ich glaube auch nicht, dass die Intimität der Eltern unbedingt darunter leiden muss. Der Tag hat ja vierundzwanzig Stunden. Ich glaube, da lassen sich noch andere Zeiten finden, wo die Kinder nicht dabei sind. Das Experiment spricht schon dafür, dass die verkrampfte Vorstellung, man müsse nachts alleine oder höchstens zu zweit liegen, vielleicht nicht natürlich und auch gar nicht notwendig ist.

Kommentare

  • DawnDawn

    3,183

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Darf ich hier etwas hinzufügen? Wenn nicht, dann löscht oder verschiebt es bitte ins normale Schlafforum...

    Ich habe das Experiment auch mit Interesse verfolgt und erinnere mich gut an die letzte Folge, in der eine der Bewohnerinnen in etwa Folgendes sagte: Sie habe nach dem Experiment darüber nachgedacht, ein großes Familienbett bzw. Sippenbett auch bei sich zuhause wieder einzuführen, da sie die Schlafsituation während des Experiments so gemütlich, entspannend und toll fand. Nur einige Wochen danach sei sie wieder davon abgekommen, da sie das Gefühl hatte, im normalen Alltagsstress mit Zeitdruck usw. abends eine Auszeit und das Schlafzimmer für sich bräuchte, da könne sie kein "Kindergehüpfe" mehr ertragen.

    Ich fand diese Aussage deswegen so interessant, weil sie bestätigt, dass nicht unsere Babys "schuld" sind, dass wir sie auslagern, weil sie zu laut sind und uns beim Schlaf stören könnten. o.ä. Sondern der Alltagsstress, den wir erleben müssen bzw. dass es ganz darauf ankommt, wie der Tag erlebt wird.
  • tesorotesoro

    4,431

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Also ich habe erst letztens in irgendeiner Frauenzeitschritf (Ich weiß - schrecklich ungenaue Quellenangabe, sorry :oops: ) gelesen, dass es eine Studie gibt, die als Ergebnis hat, dassFrauen, die mit andern Menschen (Es ging vornehmlich um Männer, aber Kinder wurden auch erwähnt) in einem Raum schlafen viel öfter krank und unausgeglichen sind, weil sie kürzere Tiefschlafphasen haben und im Schlaf nicht richtig entspannen. Das wurde damit erklärt, dass die Natur es so eingerichtet hat, dass die Frauen automatisch in den Ammenschlaf verfallen, wenn eine andere Peron bei ihnen in der Nähe schläft.

    Also gemütlich ist ein Famliienbett sicher für einige (Für mich nicht!), aber gesund?

    Wir schlafen zur Zeit zu dritt in einem Zimmer, das tue ich meinem Kind zuliebe. Aber wenn ich könnte, hätte ich total gerne ein eignes Schlafzimmer nur für mich alleine!

    :Frieden:

    Ich kann oft nicht einschlafen und wenn, dann nur mit Ohstöpseln... Die Männers sind einfach sooo laut!!!
    Das ist auch total verpönt, oder? Als Ehepaar getrennte Schlafzimmer zu haben? Aber für mich wäre das ein paradiesischer Zustand alldieweil wir unsere "intimen Augenblicke" sowieso höchst selten im Schlafzimmer haben...
  • NanakiNanaki

    3,896

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    tesoro schrieb:
    Das ist auch total verpönt, oder? Als Ehepaar getrennte Schlafzimmer zu haben? Aber für mich wäre das ein paradiesischer Zustand alldieweil wir unsere "intimen Augenblicke" sowieso höchst selten im Schlafzimmer haben...

    Meine Großeltern hatten das auch...für mich ist das also eher "normal". Wieso auch nicht. Wenn ihr beide damit besser klarkommt! Alles andere ist doch egal!
  • JullaJulla

    5,464

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Jedem das Seine ;-) Ich finds supergemütlich im Familienbett (obwohl ich schon froh bin, dass Johan jetzt auch mal auf seiner Seite bleibt) und könnte mir absolut nicht vorstellen, von meinem Mann getrennt zu schlafen. Aber dass es verpönt ist, sollte wohl kein Grund sein, es nicht zu tun ;-)

    Aber diese Studie halte ich für höchst fragwürdig. Das würde ja bedeuten, dass mitteleuropäische Frauen so gesund wie sonst nirgends auf der Welt sein müssten, denn fast überall sonst auf der Welt ist das Familienbett völlig normal, wie ich neulich in "Mein Kind schläft durch" gelesen habe.
  • DawnDawn

    3,183

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Ich denke, wie man wo gut schläft kommt schon auf einen selbst an (bin zum Beispiel auch sehr empfindlich was männliches Schnarchen angeht *g*), aber auch darauf, wie man es gewohnt ist. In den Ländern, in denen Familienbett normal ist, sind Kinder von Anfang an nicht so isoliert, von Geräuschen, vom normalen Alltag. Wenn sie müde sind, dann werden sie nicht in ein seperates ruhiges Zimmer gelegt, sondern schlafen da ein, wo es grade geht, und wenn es im Laden der Mutter unterm Ladentisch ist (erzählte mir eine, die ihr Jahrespraktikum in Peru gemacht hat). Und in Japan nimmt man auch nicht sonderlich "Rücksicht" auf schlafende Kinder. Wenn die abends einschlafen, dann wird nur der allgemeine Geräuschpegel heruntergefahren, aber es heißt nicht "Licht aus, Ruhe, schlafen". ;-) Ich denke schon, dass diese Dinge eine große Rolle spielen. Vielleicht wäre ich nicht so geräuschempfindlich, wenn ich nicht schon bald alleine im Zimmer schlafen hätte müssen??
  • AnonymousAnonymous

    59,500

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Ich hab das letztens auch irgendwo gelesen, daß Frauen in Gesellschaft schlechter schlafen, als Männer, weil der Schlaf der Frauen einfach störanfälliger ist. Mir gehts wie Tesoro. Ich kann oft nur mit Ohrstöpseln schlafen, weil mich schon das Atmen von meinem Freund stört, aber ich glaube, das wäre anders, wenn nicht noch ein Kind neben mir liegen würde. Durch sie bin ich einfach ständig auf "Aufpassen" gepolt. Mein Freund legt sich hin und ratzt einfach, egal wieviel Palaver die Kleine macht, der wacht nie auf. Ich lieg oft da rum und kann nicht wirklich gut schlafen.

    Trotzdem würde ich das Familienbett im Moment nicht aufgeben, weil ich es nicht einsehe, zum Füttern oder Trösten aufzustehen oder gar in ein anderes Zimmer zu gehen. Und weil ich es auch total schön finde, immer wieder mit der Kleinen zu kuscheln nachts, das tut ihr gut und das tut auch mir als Mama gut.

    Aber gut schlafen - nee, das ist was anderes. Ich kann am besten schlafen, wenn ich mich am Wochenende morgens mit Ohrenstöpseln ins Wohnzimmer verzieh und ganz alleine bin, oder wenn mein Freund nicht da ist.
  • tesorotesoro

    4,431

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    *seuftz* Du sprichst mir aus der Seele, doro...
  • DawnDawn

    3,183

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Das "schockt" mich ja jetzt fast, dass ihr so gar nicht gut schlaft im Familienbett. :shock: Wie soll ich da noch guten Gewissens bei anderen Werbung dafür machen?! :cool: Ich muss sagen, dass ich recht gut schlafe, gerade wenn Jonah da ist. Nur mein Mann und seine Schnarcherei, die müsste nicht sein. ;-)
  • AnonymousAnonymous

    59,500

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Na ja, die Vorteile überwiegen bei weitem den Nachteilen. Wie gesagt, ich seh nicht ein, nachts aus dem Bett zu steigen, geschweige denn in ein anderes Zimmer zu gehen. Es käm für mich auch nicht in Frage, daß das Kind im Nebenzimmer erst mal schreien muß, womöglich ein paar Minuten, bis ich dann wach bin, dann dauert stillen und wieder einschlafen ja noch länger. Für mich ist das Familienbett schon die beste aller Lösungen, es ist bequem und stillen geht schön schnell. Ich muß allerdings auch dazu sagen, daß ich sowieso noch nie so gut schlafen konnte, also auch damals als ich noch keine Kinder hatte, war ich auch kein Festschläfer und als meine großen Kinder damals durchgeschlafen hat, konnte ich es auch nicht gut. Vermutlich gibt es einfach auch verschiedene Schlaftypen. Also weiter Werbung für Familienbett machen, das paßt schon, man kann halt nicht alles haben.

    Tschüß
  • snoopalsnoopal

    676

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Ich finde das Ergebnis des Experiments auch sehr interessant, schon damals, als es im Fernsehen kam.
    Vielleicht kann man somit wenigstens ein paar mehr Leute erreichen und fürs Familienbett begeistern. Mich hat es bestätigt.

    Dass ich alleine besser schlafen könnte, kann ich nicht sagen. Im Gegenteil, ich bin heilfroh, wenn ich nicht alleine sein muss. Mit dem Kind in unserem Bett schlafe ich auch viel besser als wäre sie nebenan. Morgens weiß ich gar nie, ob ich überhaupt geweckt wurde oder ob sie durchgeschlafen hat... :oops:
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