Drei Monate altes Kind starb an Unterernährung
Ließen Eltern ihr Baby verhungern?
Im sauerländischen Iserlohn ist ein drei Monate alter Junge an den Folgen von Unterernährung gestorben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht nur gegen die Eltern des Säuglings, sondern auch gegen das Jugendamt der Stadt.
Nachbarn
Nachbarn und Passanten in der Iserlohner Innenstadt reagierten geschockt auf die Nachricht, dass der kleine André verhungert und verdurstet sein soll. Bereits am 22. Juni war das Kind gestorben. Der Lebensgefährte der Mutter hatte zuvor den Notarzt gerufen. Wie der Hagener Oberstaatsanwalt Wolfgang Rahmer am Freitag (13.07.07) berichtete, kam die Hilfe zu spät. Der Säugling sei noch in der Wohnung gestorben, völlig ausgetrocknet und mit einem "greisenhaften Gesichtsausdruck", so Rahmer im WDR-Fernsehen. Gegen die 26 Jahre alte Mutter und deren 25-jährigen Partner wird jetzt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt. Der Junge sei offenbar hochgradig vernachlässigt worden, sagte der Oberstaatsanwalt. Es werde geprüft, ob dessen Tod vorsätzlich herbeigeführt oder billigend in Kauf genommen wurde.
Sozialarbeiterin unter Druck
Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung laufen den Angaben zufolge auch gegen Mitarbeiter des Jugendamtes Iserlohn. Die Familie, zu der noch ein 16 Monate alter Junge und ein elfjähriges Mädchen gehörten, stehe seit langem unter der Aufsicht der Behörde. Noch drei Tage vor dem Tod des Säuglings hatte eine Sozialarbeiterin im Auftrag der Behörde die Wohnung besucht, bestätigte ein Sprecher des Iserlohner Bürgermeisters. Der Oberstaatsanwalt äußerte Unverständnis darüber, dass sie den Zustand des Kindes offensichtlich nicht erkannt hatte. Die Austrocknung hätte man dem Jungen sicherlich ansehen können. Das Jugendamt hätte laut Rahmer auch auf die hygienischen Zustände bei der Familie reagieren müssen. Die Wohnung sei mehr eine Häufung von Sperrmüll und ungewaschener Wäsche gewesen als eine Wohnung, in der man leben könne, sagte Rahmer.
Stadt reagiert bestürzt
Tod trotz Jugendamt [WDR2]
Säugling verdurstet
[WDR5] Säugling in Iserlohn verhungert
[WDR aktuell] Die Stadt Iserlohn reagierte in einer Pressemitteilung mit "großer Bestürzung und Trauer" auf den Tod. Die Familienhelferin habe die Familie seit März 2007 mit sechs bis acht Stunden wöchentlich besucht, hieß es. Hier sei auch auf die Versorgung des Jüngsten geachtet worden. Eine ärztliche Vorsorgeuntersuchung im Mai 2007 sei erfolgt und ohne Befund gewesen. Bei dem letzten Besuch der Familienhelferin sei wegen einer Erkältung ein weiterer Arzttermin vereinbart worden. Er sollte am 22. Juni sein, am Todestag Andrés.
"Unhaltbare hygienische Zustände"
Pressekonferenz in Iserlohn
Die Polizei hatte bereits Anfang Juni das Jugendamt alarmiert, weil ein Beamter bei einem Hausbesuch des arbeitslosen Pärchens auf "völlig unhaltbare hygienische Zustände" traf. Der Polizist war den Angaben zufolge bei der Mutter, weil er deren per Haftbefehl gesuchten Bruder dort vermutete. Schließlich reagierte das Jugendamt offenbar auch nicht auf den unnatürlichen Tod des am 3. Juli beerdigten André: Die Staatsanwaltschaft hatte das Amt am 27. Juni über das Obduktionsergebnis und die Todesursache "Mangelernährung und fehlende Flüssigkeitszufuhr" informiert. Doch erst am 13. Juli wurden die beiden anderen Kinder der Frau vom Jugendamt im benachbarten Hemer in Obhut genommen, wohin die Mutter nach dem Tod ihres Säuglings gezogen war. Sie wurde am Donnerstag (12.07.07) vom Amtsgericht Iserlohn wegen mehrere Einkäufe mit einer nicht gedeckten EC-Karte zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Es hieß, gegenüber der Polizei habe das Pärchen keine Einsicht gezeigt und erklärt, in der Erziehung alles richtig gemacht zu haben.
Fall wurde unter der Decke gehalten
Öffentlich bekannt geworden war der Fall erst am Freitag, nachdem der Iserlohner Kreisanzeiger darüber berichtet hatte. Der Richter hatte einen Tag zuvor in dem Betrugsverfahren die Ermittlungen zum Tod des Säuglings der Frau erwähnt. Wie die Zeitung am Freitag in ihrer Online-Ausgabe berichtete, ist nun vor Ort ein Streit über die Informationspolitik der Stadtverwaltung entbrannt. Oberstaatsanwalt Rahmer soll die späte Bekanntmachung des Kindstodes damit erklärt haben, dass zuerst die Beerdigung und das Betrugsverfahren abgewartet werden sollten.
Presskonfernz von gestern
Antworten aus dem Iserlohner Rathaus
Mit einer ausführlichen Aufstellung aller Einsätze und Kontakte des Jugendsamtes zur Mutter des drei Monaten alten Säuglings Andre´, der im Juni in einer Wohnung an der Iserlohner Sofienstraße an einer Mangelversorgung mit nahrung und Flüssigkeit gestorben war, trat gestern die Iserlohner Rathausspitze um den 1. Beigeordneten Dr Ahrens und den Ressortleiter Friedhelm Kowalski an die Öffentlichkeit. Kowaslki machte deutlich, dass in dem vorliegenden Fall nachweislich mit einem Höchstmaß an Begleitung und Hilfestellung gearbeitet worden sei. Ob der schlechte Zustand des Kindes bereits drei Tage vorher erkennbar gewesen sei, müsse die Staatsanwaltschaft klären.
Ist das wirklich eine Antwort??
Kommentare
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Unfassbar! :groggy:
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Ich bin einfach nur traurig, dass diese arme kleine Seele so hat leiden müssen und wütend, dass sowas immer wieder vorkommt. Was müssen das für Menschen sein, die soetwas zulassen können?!? Dann sollen sie den Zwerg doch anonym irgendwo abgeben oder dem Jugendamt sagen, dass sie überfordert sind. Dann hat der Zwerg wenigstens eine Chance und darf leben!
Entsetzlich... :sad:
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Schreien ist eine andere Sache. Die Babys sind irgendwann so schwach, dass man sie kaum noch hört..... :sad:
@Käferle: Da fehlt die Einsicht. Sie haben nichts falsch gemacht sagt die Mutter angeblich.
Zudem waren vom Jugenamt massenhaft Besuche in der Akte verzeichnet.
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Man kann mal wieder vielen Leuten einen Vorwurf machen, aber das Baby ist tot und ich möchte hoffen, dass er nicht allzu lang leiden musste :sad:
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Ja, und genau das versteh ich einfach nicht! Ich weiß, das sich das alles psychologisch etc. erklären und begründen lässt, aber ich versteh es einfach nicht!! Ich würde lieber selber verhungern, als mein Kind verhungern zu lassen! Und sojemand sagt, er/sie hätte nichts falsch gemacht... Da geht mir die Hutschnur hoch! Sorry, da fehlt mir einfach jedes Verständnis für.
Meine Oma musste im Krieg mit ihren kleinen Kindern aus Schlesien flüchten und wenn sie sowas hört/liest dann fängt sie immer das Weinen an und ist ganz fertig, weil sie sagt, sie kriegt die Bilder einfach nicht aus dem Kopf, von den kleinen Säuglingen, die auf ihrem Treck verhungert sind, weil die Mütter vor Hunger und Erschöpfung keine Milch mehr hatten. Und das ganz viele Frauen sich dann nach dem Tod des Kindes einfach aufgegeben haben und starben, weil sie den Tod des Kindes nicht verpackt haben. Und das waren Situationen, da konnte niemand was tun! Aber diese Eltern hätten was tun können und haben nicht und das versteh ich einfach nicht, egal, mit was man mir das erklären möchte.
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Aber meist heisst es dann psychisch krank usw und das Urteil fällt einfach nicht so hart aus (meiner Meinung nach). Ich bin ein Mensch wo immer versucht eine andere Seite zu verstehen, aber da sind meine Grenzen dann erreicht und ich habe null verständnis!