Das Lehrbuchbaby :)

tinattinat

11,944

bearbeitet 24. 09. 2007, 21:20 in Stillberichte
Es hätte alles auch ganz anders kommen können. Immerhin hatte ich - nach einer tollen, unkomplizierten Schwangerschaft - mit meinen Vorstellungen von der Geburt total daneben gelegen. Nix mit Wassergeburt, ein Kaiserschnitt ist es geworden. Da hatten nicht mal die Akupunktursitzungen was gebracht. Dabei war der Kaiserschnitt das allerletzte, an das ich beim Thema Geburt gedacht hätte. So ging es mir auch mit dem Stillen: dass das nicht funktionieren könnte, diese Option zog ich nie in Betracht.

Immerhin, auch wenn das allgemein nicht als Hinweis gilt, dass es später klappen wird: Milch hatte ich ziemlich früh. Das begann zum unpassendsten Zeitpunkt, mitten im Büro, und ich stand merkbefreit da und wunderte mich, warum meine Kollegin mir fasziniert auf die Brüste starrte. Ich gestehe auch, ich habe später, wenn es mal ein wenig gezogen hat in der Brust, manchmal - oft unbewusst - drauf rumgedrückt, bis ein wenig Milch kam. Soll man nicht, ja. Hatte aber auf eventuelle Wehen keinen Einfluss... vielleicht hätte ich das am Tag vor der Einleitung noch mal probieren sollen? :roll:

Kurz vor der Geburt vergewisserte ich mich noch mal bei den Hebammen, dass sie mir meine Tochter ganz sicher früh zum Anlegen geben würden, trotz Kaiserschnitt. Und so wurde es gemacht. Zielsicher fand sie sich zurecht. Und ich, die ich mir zuvor (und nicht zuletzt nach ausgiebigem Forumslesen) schon Gedanken um richtiges Anlegen gemacht hatte, musste nichts mehr machen. Eine kleine Hilfestellung von der Hebamme, und ab da lief alles ganz natürlich. In den Tagen im Krankenhaus stillte ich nahezu immer, wenn jemand hereinkam, und die Krankenschwestern waren immer alle vollkommen entzückt: "Ach, das sieht ja richtig professionell aus" und "Das klappt ja super" bekam ich zu hören. Die ständigen Nachfragen "Klappt's mit dem Stillen", wenn ich ausnahmsweise mal nicht stillte, gingen mir bald ziemlich auf den Geist. Ich fragte mich, ob es so seltsam war, dass es funktionierte?

Ich sollte mich das noch oft fragen. Derweil ging unsere Stillstory in die nächste Runde - wir waren zuhause, und mein Kind verhielt sich eben wie ein Lehrbuchbaby: Sie stillte anfangs stündlich. Hätte ich nicht hier nachgelesen, dass das absolut normal ist und hätte mich mein Mann nicht so gut unterstützt... ja, was wäre gewesen? Ich hatte Pre-Milch zuhause. Und mir half diese Gewißheit, um noch einen Tag durchzuhalten, und noch einen, und wieder einen. Der Vorschlag meiner Hebamme, die Zeiten aufzuschreiben, in denen meine Tochter gestillt werden möchte, war Gold wert. Ich wurde ruhiger, fragte mich in dieser schwierigen Anfangszeit nicht mehr, ob alles so richtig ist, sondern merkte, da ist ein Rhytmus aus Stillen und Schlafen. Und der ist gut so.

Wir überstanden diese kritischen ersten vier bis sechs Wochen - diese Zeit, von der einem irgendwie keiner was sagt, wenn man das Gefühl hat, das Kind hängt ständig an der Brust, und das auch noch teilweise bis zu einer halben Stunde. Allmählich wurden die Abstände etwas länger, die Stillzeiten kürzer, und irgendwann war der Knoten geplatzt. Auch das war nicht leicht, weil sie plötzlich zwei Tage lang kaum trinken wollte. Und dann, auf einmal, zog sie sich ihre Mahlzeiten in Windeseile weg. Nur noch fünf bis maximal zehn Minuten für beide Brüste - ein Traum! Nur blieb es bei ihrem Stillabstand von zwei, allerhöchstens drei Stunden. Bis heute hat sie in diesem Abstand Hunger, außer Nachts, da schafft sie 3 bis 4 Stunden. Ich frage mich schon lange nicht mehr, ob das in Ordnung ist. Denn das IST in Ordnung. Wir beide haben uns vollkommen aufeinander eingestellt.

Das mussten wir auch, denn ich hatte geplant nach acht Wochen wieder zu arbeiten. Wenn auch nur für einen Tag, wenn ich auch nur für fünf Stunden aus dem Haus sein würde. Da begann die Zeit des abpumpens. Heute ist das Routine, wenn auch eine lästige; zu Anfang war das wieder ein Abenteuer. Wir übten rechtzeitig vor Ende des Mutterschutzes. Ich schaffte nur 30ml beim allerersten Mal. Dann verzog ich mich ins Bad, während der Papa fütterte. Oh, und wie lange das Aufwärmen dauerte! Ich lag in meiner Wanne und fühlte mich so richtig mies, als ich meine Tochter vor Hunger weinen hörte. Aber das ging vorbei, irgendwann war die Milch warm und die Flasche wurde als vollwertiger Ersatz für Mama befunden. Als ich mich dann wieder sehen ließ, um den Rest der Mahlzeit mit dem Original zu vollenden, war alles in Ordnung. Und so blieb es auch bis heute. Ich habe nie besonders viel pumpen können, brauchte drei Tage, um diese Mahlzeiten für fünf Stunden zu schaffen. Aber sie hat sie immer anstandslos von ihrem Papa genommen.

Nun gibt es schon seit einiger Zeit Brei. Unsere Stillzeit nähert sich dem Ende. Die Mittags- und eine Nachmittagsmahlzeit sind schon komplett ersetzt, und zwei weitere Mahlzeiten werden nur noch von Muttermilch begleitet. Ob sie spürt, dass es irgendwann zu Ende geht? Mit Beginn der Beikost fing sie plötzlich an, in einigen Nächten alle zwei Stunden wach zu werden und Milch zu wollen. Der beste Trost und das beste Schmerzmittel - versiegen wird es noch nicht, aber es wird weniger werden. Und irgendwann wird sie es auch Nachts nicht mehr brauchen. Wie wird das sein? Besonders geliebt habe ich das Stillen zu Beginn nicht, das gebe ich zu. Doch je älter sie wurde, um so praktischer wurde es. Ein paar Stunden in die Stadt gehen? Kein Problem, eine ruhige Ecke findet sich immer, um fünf Minuten lang den Hunger zu stillen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Zu Beginn fühlt man sich oft wie ans Haus gefesselt. Aber je länger es dauert, umso unabhängiger wird man. Früher dachte ich: Ach, in der Öffentlichkeit, das muss doch wirklich nicht sein. Und dann saß ich neulich in einem Restaurant, drehte mich einfach zur Seite und stillte so diskret wie möglich. Fünf Minuten später konnte ich meine Nudeln weiteressen. Und es ist ja nicht nur das. Diese Nähe zum Kind ist unerreicht. Manchmal, als sie noch sehr klein war, kam ich mir schon ziemlich ersetzbar vor. Ich empfand das Stillen nicht als etwas besonderes, sondern einfach nur als Notwendigkeit. Bis zum ersten Hinfallen. Bis zum ersten richtigen Trost-Stillen. Und heute merke ich, wenn meine Tochter angekrabbelt kommt, wenn sie von mir diese besondere Nähe möchte. Es ist etwas, das sie braucht. Und so lange es noch funktioniert, bekommt sie das. :razz:

Kommentare

  • JullaJulla

    5,464

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Eine schöne Geschichte! So etwas entschädigt immer auch ein bisschen dafür, wenn man sich die Geburt anders erhofft hatte, oder?
  • EowynEowyn

    27,156

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Heute habe ich mir endlich die Zeit genommen und deinen Bericht gelesen. Der ist wirklich schön geschrieben und man kann es so richtig nachfühlen. Und ja, Troststillen ist wirklich etwas Schönes. :grin:
  • tinattinat

    11,944

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Hallo,

    danke euch beiden für euer Feedback, hab das leider nicht so verfolgt und jetzt erst wirklich gesehen :) Ja, es entschädigt schon für dieses "Geburts"erlebnis, das stimmt... ich fühl mich einfach gut damit, dass es geklappt hat und wir das so lange durchgezogen haben. Mittlerweile haben wir alle Mahlzeiten ersetzt, aber ab und zu möchte sie tagsüber trotzdem noch was. Und nachts eh. Ich hätte nie nie nie gedacht, dass ich mal länger als 6 Monate stille.
  • EowynEowyn

    27,156

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    tinat schrieb:
    Ich hätte nie nie nie gedacht, dass ich mal länger als 6 Monate stille.
    Ich glaube das planen die wenigsten Frauen vorab. Das ergibt sich bei den allermeisten so im Laufe der Zeit.
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