38,644
Vorwort
von Prof. Dr. Gerd Glaeske
Ende des Jahres 2005 erschien eine Studie, in der aus Sicht der Patientinnen
und Patienten die Gesundheitssysteme von sechs Ländern verglichen
wurden – nämlich Australien, Deutschland, Großbritannien, Kanada,
Neuseeland und den Vereinigten Staaten (Schoen C et al., Health
Affairs, November 2005). Die deutschen Patientinnen und Patienten
bewerteten ihr Gesundheitssystem am besten, forderten aber gleichzeitig
am häufigsten Veränderungen bis hin zum völligen Umbau des Systems.
In einem waren sich die Befragten in Deutschland aber mit allen
anderen trotz der eigentlich guten Bewertung einig: Die Kommunikation
mit den Ärztinnen und Ärzten ist oftmals schlecht, die Aufklärung über
medizinische Leistungen und Alternativen ist ungenügend, Probleme
zwischen stationärer und ambulanter Behandlung sind häufig und es
kommt all zu selten zu einer Erläuterung der notwendigen Behandlungen.
Vor allem aber wird bemängelt, dass sie zu einem hohen Anteil
nicht in therapeutische Entscheidungen eingebunden werden – Ärztinnen
und Ärzte bestimmen zum größten Teil ohne Absprache mit den
Betroffenen die medizinische Intervention, ohne die Bewertung möglicher
Alternativen und ohne Erläuterung der möglichen Folgen einer
„verordneten“ Behandlung.
Dies ist letztlich auch das Thema der hier vorgelegten Studie. Ausgangspunkt
ist die Beobachtung, dass in Deutschland verglichen mit
anderen Ländern auffällig häufig Kinder per Kaiserschnitt geboren werden
– insgesamt mehr als ein Viertel mit steigender Tendenz. Gibt es
hierfür medizinische Erklärungen, z.B. wenn die Mütter Diabetes haben,
oder stehen hinter dieser hohen Quote Strategien der ärztlichen Professionalisierung
– Hebammen dürfen schließlich keinen Kaiserschnitt
durchführen –, oder stehen dahinter oder ökonomisch und zeitlich orientierte
Entscheidungen. Die Abrechnung von Kaiserschnitten ist lukrativer
als die Abrechnung von normalen Geburten, die zeitliche Planung von
Kaiserschnitten kann Wochenendarbeit vermeiden helfen: Oder sind es
vielleicht auch die schwangeren Frauen selber, die mehr und mehr,
beeinflusst von der Familie oder der öffentlichen Meinung die Geburt
ihres Kindes per Kaiserschnitt wünschen, weil es angeblicher einfacher
und weniger belastend ist – schließlich bekommen viele prominente
Schauspielerinnen und Models ihr Kinder auch auf diese Weise? Und
sind alle Frauen, die einen Kaiserschnitt gewählt haben, so ausreichend
aufgeklärt worden, dass sie sich mit voller Überzeugung und versehen
mit den notwendigen Informationen über den Eingriff, die Folgen und die
im Vergleich mit der natürlichen Geburt bestehenden Vor- und Nachteile
entscheiden konnten?
Die Forderung nach shared decision making, also nach partnerInnenschaftlichen
Entscheidungsmöglichkeiten, ist eine der wichtigen Strategien
in unserem Gesundheitswesen – und die oben erwähnte Studie
zeigte, dass die Patientinnen und Patienten zwar unser Gesundheitswesen
vergleichsweise gut einschätzen, dass es jedoch mit der Kommunikation
in der ärztlichen Praxis noch relativ schlecht bestellt ist. Um hier
mehr Licht ins Dunkel zu bringen und genauere Auskünfte zu erhalten,
ist es der beste Weg, die Patientinnen und Patienten oder die Betroffenen
selber zu fragen. Dies ist in der vorliegenden Untersuchung in breiter
Weise gemacht worden, die Ergebnisse regen zum Nachdenken und
Umdenken an, weil sie die internationale Vergleichsstudie bestätigen:
Schwangere werden zu wenig über die Unterschiede von natürlicher
Geburt und Geburt per Kaiserschnitt aufgeklärt, die Konsequenzen sind
oft unklar, die Entscheidung für oder gegen einen Kaiserschnitt kommt
oftmals nicht im Rahmen von shared decision making zustande, mit
allen negativen Folgen für einige Frauen, die nachträglich bedauern,
sich so entschieden zu haben.
Diese Untersuchung zeigt, was Versorgungsforschung leisten kann: Sie
analysiert, was in der medizinischen Versorgung tatsächlich passiert, sie
beschreibt die Erfahrungen der werdenden Mütter im Umgang mit dem
medizinischen System und sie zeigt, wo sich die schwangeren Frauen
gut aufgehoben und verstanden fühlen. Und sie zeigt, was sich verändern
muss auf dem Weg zu einer partnerInnenschaftlichen Medizin.
Versorgungsforschung ist immer „aufdeckende“ Forschung, die Verantwortlichen
in der Gesundheitspolitik und der medizinischen Versorgung
sollten die Ergebnisse als Aufforderung annehmen, Schwachstellen
ausgleichen und Fehlentwicklungen abstellen. Überversorgung und
Fehlversorgung muss ebenso verhindert werden wie Unterversorgung.
Die auffällig hohen Kaiserschnittraten lassen den Verdacht aufkommen,
dass die Entscheidung für diese Form der Geburt nicht nur aus medizinischen
Gründen getroffen worden ist. Es ist zu hoffen, dass die Ergebnisse
dieser Untersuchung zum Anlass genommen werden, das Gespräch
und die Aufklärung mit den schwangeren Frauen in den ärztlichen
Praxen zu verbessern. Dies wäre jedenfalls ein wichtiger Schritt
auf dem Weg zu einem partnerInnenschaftlichen Gesundheitssystem.
Bremen, im April 2006
Prof. Dr. Gerd Glaeske
8
Einleitung
In den vergangenen Jahren sind die Kaiserschnittraten in Deutschland
wie auch in anderen Ländern stark angestiegen. Mittlerweile kommt
jedes vierte Kind in Deutschland mit einem Kaiserschnitt auf die Welt,
vor 10 Jahren war es nur jedes sechste (Statistisches Bundesamt,
2005). Die Ursachen für den Anstieg sind vielfältig und die Diskussion
wird selbst auf Seiten der Mediziner und Medizinerinnen teilweise sehr
kontrovers geführt. Auf der einen Seite stehen die Befürworter, die in
den gesunkenen Sterblichkeitsraten bei Mutter und Kind die Hauptlegitimation
für die Durchführung von Kaiserschnitten sehen. Sie weisen
darauf hin, dass aufgrund veränderter Operations- und Narkosetechniken
und einer verbesserten Infektionsprophylaxe das Komplikationsrisiko
für eine Schnittentbindung soweit gesunken ist, dass die Vorteile die
Risiken überwiegen. Als Extremposition formuliert diese Seite, dass in
Zukunft die Sectio caesarea, der Kaiserschnitt, aufgrund dieser niedrigen
Risiken zur Regelform einer Entbindung werden wird.
Auf der anderen Seite stehen die Kritiker und Kritikerinnen, die darauf
aufmerksam machen, dass sich die Säuglingssterblichkeit und die kindliche
Mortalität in den vergangenen Jahren nicht weiter verringert haben,
obwohl die Kaiserschnittraten gestiegen sind. So zeigen die niedersächsischen
Perinataldaten, dass sich der Zustand Neugeborener zwischen
1999 und 2004 im Hinblick auf Parameter wie Azidoserate1und 5Minuten-
Apgar-Werte2 nicht verändert hat, in der gleichen Zeit aber die
Sectiorate von 20,6 auf 27,6% gestiegen ist (Rauskolb & Wetzlaff,
2005). Sie weisen auf das noch immer bestehende erhöhte Sterblichkeitsrisiko
und auf die langfristigen gesundheitlichen Folgen (z.B. Blutungen
und Narben, Thrombosen) hin und betrachten die großzügige
Indikationsstellung mit Sorge. Auch psychosomatische Aspekte des
1 Kritischer Nabelschnur-Arterien-pH-Wert
2 Der von der Ärztin Viktoria Apgar entwickelte und 1953 erstmalig vorgestellte
APGAR-Score erfasst fünf Vitalparameter (Herzfrequenz, Atmung, Muskeltonus,
Hautfarbe und Reflexe) des Neugeborener jeweils in der 1., 5. und 10. Minute
nach der Geburt mit Punktwerten.
entgangenen Geburtserlebnisses und die erschwerte Mutter-Kind-
Bindung (Bonding) werden als Folgen diskutiert.
Es besteht kein Zweifel, dass ein Kaiserschnitt in vielen Fällen das Leben
von Mutter und/oder Kind retten kann und dass ein geplanter Kaiserschnitt
bei bestehenden Risiken oftmals die bessere Alternative ist zu
einer abgebrochenen Geburt, die mit einem Notkaiserschnitt endet und
auf die sich weder die Mutter noch das geburtshilfliche Personal rechtzeitig
vorbereiten konnten. Es ist aber auch zu beobachten, dass sich
der Katalog der so genannten „relativen Indikationen“, bei denen die
Schnittentbindung nur eine von mehreren Möglichkeiten ist, ausgeweitet
hat und einige Indikationen, wie z.B. Angst vor dem Geburtsschmerz,
pathologische Herztöne des Kindes oder ein protrahierter, also verzögerter
Geburtsverlauf, großzügiger gestellt werden als noch vor einigen
Jahren.
Im Zusammenhang mit dem Anstieg der Kaiserschnittraten werden verschiedene
Hypothesen diskutiert. Neben einem veränderten Risikoprofil
der schwangeren Frauen (z.B. aufgrund eines gestiegenen Durchschnittsalters
bei Geburt des Kindes) werden auch die stärkere Beachtung
der körperlichen Folgen einer vaginalen Geburt (z.B. Verletzungen
des Beckenbodens mit der Folge der Harn- und/oder Stuhlinkontinenz,
veränderte sexuelle Erlebnisfähigkeit), fehlende Strukturen zur Betreuung
von Risikoschwangeren und die geringe Nutzung des Hebammenwissens
diskutiert. Ökonomische Aspekte spielen ebenso eine Rolle wie
die Krankenhausroutinen. So wird eine komplikationslose Schnittentbindung
deutlich besser honoriert als eine vaginale Entbindung, und ein
Kaiserschnitt ist aus Krankenhaussicht zeitlich und organisatorisch unaufwändiger,
denn nach 60 Minuten ist er in der Regel abgeschlossen.
So erzeugt eine komplikationslose Schnittenbindung für das Krankenhaus
mehr Umsatz (ein höheres Honorar) als eine vaginale Entbindung;
allerdings muss man auch sehen, dass die mittlere Verweildauer im
Krankenhaus nach einem komplikationslosen Kaiserschnitt mit 6,3 Tagen
angegeben wird, während sie nach einer komplikationslosen vaginalen
Entbindung nur 3,8 Tage beträgt. (Quelle: Vergleich der G-DRG-
Entbindungsfallpauschalen O01E und O60D für 2006).
Auch auf die veränderten geburtshilflichen Fähigkeiten wird immer wieder
verwiesen: Viele Ärzte und Ärztinnen beherrschen die einschlägigen
Techniken, z.B. zur Entbindung einer Beckenendlage („Steißlage“) nicht
mehr, weil diese Entbindungen nur noch selten auf natürlichem Wege
durchgeführt werden. Besonders prägend sind aber die forensischen
Gründe, auf die MedizinerInnen immer wieder hinweisen. Die Zahl der
Prozesse wegen nicht erfolgter geburtsmedizinischer Interventionen (mit
der Folge kindlicher Schädigungen) ist gestiegen, die durchschnittlichen
Schadenssummen belaufen sich auf etwa 100.000 € pro Fall. Dies führt
zu einem defensiven Vorgehen in der Geburtshilfe, das auch bei kleinsten
Anzeichen eines pathologischen Verlaufs einen Kaiserschnitt die
vertretbarste Option werden lässt. Die Angst vor einer forensischen
Problematik spiegelt sich in der von GynäkologInnen formulierten Beobachtung
wider, dass Frauen heute weniger als früher bereit sind, Risiken
einzugehen, insbesondere dann, wenn das Kind ein Wunschkind ist,
das vergleichsweise spät im Lebenslauf und vielleicht mit Hilfe reproduktionsmedizinischer
Verfahren (z.B. in Vitro-Fertilisation) gezeugt wurde.
Als neues Argument wird in jüngster Zeit in der Diskussion die veränderte
Einstellung von Frauen zur Geburt genannt. Frauen werden als Kundinnen
des Gesundheitssystems wahrgenommen, die sich selbstbestimmt
für den Geburtmodus entscheiden. Die Entscheidung für einen
Kaiserschnitt – gegebenenfalls auch ohne medizinische Indikation (so
genannter „Wunschkaiserschnitt“) – wird als legitimer Ausdruck des
Selbstbestimmungsrechts der schwangeren Frau wahrgenommen:
„mein Bauch gehört mir“ in postmoderner Variante. Angeregt durch das
Vorbild prominenter Frauen, so das Argument, sehen Frauen den Kaiserschnitt
nicht mehr als letzte Notlösung bei einer regelwidrig verlaufenden
Geburt, sondern als eine von mehreren Möglichkeiten, das eigene
Kind auf die Welt zu bringen. In der Tat: Kaum eine Woche vergeht,
in der nicht in der Zeitung über die Geburt einer Prominenten berichtet
wird, selbstverständlich per Kaiserschnitt und ohne medizinische Indikation.
So wurden den Zeitungsberichten zufolge die Kaiserschnittgeburten
von Victoria „Posh“ Spice mit dem Terminkalender ihres Ehemanns
David Beckham abgestimmt, und Britney Spears begründet die Entscheidung
zur Schnittentbindung laut „Elle“ damit, dass sie von ihrer
Mutter gewarnt worden sei, dass die Geburt „das Schmerzhafteste war,
das sie je erlebt hat“. Dass Heidi Klum auch ihr zweites Kind vaginal
entbunden hat, ist so unglaublich, dass die BILD-Zeitung ihrem Erstaunen
in dem Satz „Angeblich wieder kein Kaiserschnitt!“ Ausdruck verleiht.
Die Einschätzungen, inwieweit der Wunschkaiserschnitt zum Anstieg der
Sectioraten beiträgt, sind heterogen. Einige Ärztinnen und Ärzte formulieren,
dass sie einer Schnittentbindung ohne Indikation eigentlich kritisch
gegenüber stehen, aber von schwangeren Frauen und ihren Partnern
inzwischen als Dienstleister wahrgenommen und zu einer Indikationsstellung
genötigt werden, so dass sie sich dem Wunsch der werdenden
Mütter nicht entziehen können. Andere wiederum sehen hierin den
Versuch ihrer FachkollegInnen, die Hierarchien in der ärztlichen Praxis
auszublenden und die Verantwortung auf die Frauen abzuwälzen.
Interessanterweise werden die Frauen selbst nur selten befragt. Wie
häufig ist überhaupt ein „Wunschkaiserschnitt“? Welche Gründe spielen
hier eine Rolle? Wie wird die Entscheidung zu einem Kaiserschnitt –
wenn er vor Eintreten der Wehen oder unter der Geburt durchgeführt
wird – gefällt? Inwieweit sind Frauen und ihre Partner hier im Sinne einer
gemeinschaftlichen Entscheidung eingebunden? Möchten sie mehr
eingebunden werden oder überlassen sie die Entscheidung gerne den
ÄrztInnen und Hebammen? Wie gut fühlen sich Frauen auf einen Kaiserschnitt
vorbereitet und welche Informationsquellen nutzen sie? Wie
stehen sie zum Kaiserschnitt und ändert sich die Meinung, sobald eine
Sectio bei ihnen durchgeführt wurde? Welche Vor- und Nachteile sehen
Frauen und wie ist ihre Meinung zu der Frage, dass die Krankenkasse
auf jeden Fall einen Kaiserschnitt bezahlen sollen, auch wenn keine
medizinischen Gründe dafür vorliegen?
Diese und andere Fragen werden mit der GEK-Kaiserschnittstudie beantwortet.
Im Sommer 2005 erhielten 2.800 GEK-versicherte Frauen, die
im Jahr 2004 ihr Kind per Kaiserschnitt auf die Welt gebracht haben,
vom Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen
einen 10-seitigen Fragebogen. Hier fragten wir nach den Gründen
für den Kaiserschnitt und die Entscheidungsfindung, zur Einstellung zum
Kaiserschnitt, insbesondere dem Wunschkaiserschnitt, sowie zu den
Erfahrungen und dem Informationsbedürfnis. 1.339 Frauen, das sind
48%, schicken den Fragebogen zurück. Diese im Vergleich zu anderen
Studien hohe Rücklaufquote signalisiert ein hohes Interesse der befragten
Mütter, ihre Erfahrungen mitzuteilen. Hierfür möchten wir uns an
dieser Stelle ganz herzlich bedanken. Die Teilnahme an einer solchen
Studie ist nicht selbstverständlich, sie kostet Zeit und Mühe. Umso mehr
sind wir froh, mit den Ergebnissen ein wenig Licht ins Dunkel bringen zu
können. Viele Frauen haben die Rückseite des Fragebogens genutzt,
um ausführlich ihre Meinung darzulegen und ihre Erfahrungen zu schildern.
Diese Anmerkungen waren uns hilfreiche Anregungen, um
Schlussfolgerungen und Konsequenzen für eine frauengerechte gesundheitliche
Versorgung rund um die Geburt zu formulieren. Einige der
Anmerkungen sind als Zitate in diesen Bericht eingeflossen.
Wir bedanken uns an dieser Stelle ebenfalls herzlich bei Dr. Christel
Schicktanz aus der Abteilung Versorgungs- und Arzneimittelanwendungsforschung
des IPP, das von Prof. Dr. Gerd Glaeske geleitet wird.
Sie hat die Daten zu den Kaiserschnittentbindungen mit jenen normaler
Geburten verglichen. Wir bedanken uns ebenfalls bei der Frauenärztin
Corinna Schach, die das Kapitel zu den Internetforen verfasst hat. Alex
Veit und Stefanie Schmidt haben als studentische Hilfskräfte die Fragebögen
eingegeben und uns bei der Literatursuche unterstützt, auch
ihnen gilt unser herzlichster Dank. Unseren Kolleginnen Oda von Rah-
den und Barbara Baumgärtner danken wir für ihren fachwissenschaftlichen
Rat aus Hebammensicht.
Von besonderer Bedeutung für dieses Buch war das Interesse und Engagement
der GEK, ohne deren ideelle und materielle Förderung seine
Entstehung nicht denkbar gewesen wäre. Wir bedanken uns bei allen,
die UNS im Hause der GEK bei der Durchführung der Studie und Erstellung
des Textes aktiv unterstützt haben.
Bremen, im April 2006
Dr. med. Ulrike Lutz & Prof. Dr. phil. Petra Kolip
14
2 Einflussfaktoren auf die Kaiserschnittentbindungen
2.1 Kaiserschnittraten
Hintergrund der Diskussion um die Notwendigkeit und Begründung von
Kaiserschnitten ist die Beobachtung, dass die Sectioraten in den vergangenen
Jahren deutlich angestiegen sind. Sie haben sich in den letzten
20 Jahren in den meisten Ländern der industrialisierten Welt mindestens
verdoppelt und schwanken heute weltweit zwischen unter 10% und
rund 40% (Husslein in Huch, 2001). Im Ländervergleich zeigt sich eine
starke Korrelation zwischen Bruttosozialprodukt und Kaiserschnittraten.
Dass neben medizinischen Gründen auch sozioökonomische Faktoren
einen maßgeblichen Einfluss auf die Kaiserschnittraten haben können,
wird an folgendem Beispiel deutlich: So ist beispielsweise in England,
Amerika, vor allem aber in Brasilien die Sectiofrequenz bei Privatpatientinnen
signifikant höher als bei allgemein versicherten Frauen (in einigen
Privatkliniken Brasiliens bis >80%) (Schücking, 2004).
Tab. 2.1: Entwicklung der Kaiserschnittraten seit 1991 in Deutschland und
ausgewählten westlichen Ländern
Jahr Deutschland Niederlande Norwegen Spanien USA
1991 15,2 7,7 12,5 15,0
1996 17,6 10,1 12,7 19,3 20,7
2001 22,0 13,6 15,6
2003* 25,5 27,5
Quelle: WHO Health Data 2004: Kaiserschnittentbindungen bezogen auf Lebendgeborene
in % (* für Deutschland bezogen auf Krankenhausgeburten in %
(Statistisches Bundesamt 2005), für USA: bezogen auf alle Geburten in % (CDC,
2005)
Abb. 2.1: Entwicklung der Kaiserschnittrate und vaginal-operativer Entbindungsverfahren
seit 1991 (in % aller Klinikentbindungen). Quelle: http://www.gbe-bund.de
Aber auch in ähnlichen politischen und ökonomischen Systemen wie
Deutschland und den Niederlanden können die Kaiserschnittraten stark
differieren (vgl. Tab. 2.1). Ursächlich dafür ist zumindest teilweise ein
kulturell begründeter unterschiedlicher Medikalisierungsgrad. Die ausgesprochen
starke Stellung der Hebamme im niederländischen Gesundheitssystem
hat zur Folge, dass in den Niederlanden viel mehr
Hausgeburten stattfinden als in anderen Ländern Europas. Traditionell
wird hier die Geburt als natürlicher Vorgang betrachtet, der lieber „gezellig
thuis“, also in der vertrauten Umgebung des eigenen Heims stattfinden
sollte, als in der unpersönlichen Atmosphäre eines Krankenhauses.
Auch finanziell wird die Hausgeburt gefördert. Frauen, die bei unkomplizierter
Schwangerschaft lieber im Krankenhaus gebären wollen, müssen
einen Eigenanteil von derzeit etwa 70 Euro bezahlen (http://www.unimuenster.
de/HausDerNiederlande). Die zahlreichen Hausgeburten (ein
Drittel der Geburten sind Hausgeburten) sind aber auch ein äußeres
Zeichen eines strukturellen Unterschiedes zu anderen Gesundheitssystemen.
In den Niederlanden gilt das „Hausarztprinzip“: Niederländische
Patienten und Patientinnen entscheiden sich für einen Hausarzt, der sie
betreut und die Inanspruchnahme eines Facharztes oder einer Fachärztin
steuert. Und während die Schwangerenvorsorge in Deutschland zum
größten Teil in den Händen von FachärztInnen für Gynäkologie und
Geburtshilfe liegt, erfolgt die Betreuung in den Niederlanden durch die
Hebamme und den Hausarzt. Dort entscheiden deshalb primär die Hebamme
und in geringerem Maße der Hausarzt, ob eine Frau zuhause
oder in einer Klinik entbinden darf (Brezinka, 1998).
Im Jahr 2003 haben 687.500 Frauen in deutschen Krankenhäusern
entbunden (Krankenhausentbindungen 98,7% aller Entbindungen). Laut
statistischem Bundesamt wurde bei 25,5% dieser Frauen ein Kaiserschnitt
durchgeführt. Zehn Jahre zuvor lag dieser Anteil noch bei 16,9%.
Während sich der Anteil der Kaiserschnittgeburten an allen Entbindungen
von 1993 bis 2003 kontinuierlich erhöhte, nahm der Anteil anderer
geburtshilflicher Maßnahmen leicht ab: Im Jahr 2003 wurden nur noch
1,1% aller Frauen durch Zangengeburt und 4,2% mittels Saugglocke
entbunden (Abb. 2.1).
Tab. 2.2: Entwicklung der Kaiserschnittraten in den 17 Bundesländern von
1993 bis 2003 (Quelle: http://www.gbe-bund.de)
Bundesland 1993 1998 2003
Schleswig-Holstein
Hamburg
Niedersachsen
Bremen
Nordrhein-Westfalen
Hessen
Rheinland-Pfalz
Baden-Württemberg
Bayern
Saarland
Berlin
Brandenburg
Mecklenburg-Vorpommern
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Thüringen
Deutschland gesamt
15,5
18,4
17,1
17,4
19,2
19,6
19,3
17,4
17,7
20,3
14,6
13,2
14,3
12,5
12,5
17,8
18,2
19,1
19,0
18,6
19,6
21,3
20,3
18,9
24,0
14,0
15,2
13,9
14,2
15,2
14,5
18,6
24,4
26,1
24,5
27,3
25,9
27,9
27,7
26,4
25,9
29,9
20,0
19,9
21,1
18,9
18,8
27,0
25,1
Analysen der Perinataldaten aus verschiedenen Bundesländern zeigen,
dass die Kaiserschnittraten regional schwanken. Dies verweist auf unterschiedliche
Risikoklientele einerseits und offenbar bestehende Handlungsspielräume
für oder gegen einen Kaiserschnitt andererseits (siehe
Tab. 2.2).
2.2 Ursachen für steigende Kaiserschnittraten
2.2.1 Kaiserschnitt: Indikationen im Wandel
Was sind aber nun die Gründe für den stetigen Anstieg der Kaiserschnittraten?
Noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts war ein Kaiserschnitt eine risikoreiche
Operation mit einer hohen mütterlichen Komplikations- und auch
Sterblichkeitsrate und wurde nur als letzte Maßnahme durchgeführt,
wenn es darum ging, das Leben der Mutter bei Komplikationen unter der
Geburt zu retten. Erst durch verschiedene medizinische Entwicklungen
wurden Voraussetzungen geschaffen, durch die sich die Geburtshilfe
dramatisch verändern konnte. Mit immer sicherer werdenden Operations-
und Narkoseverfahren, Blutersatz und Infektionsprophylaxe wurden
die Geburtshelfer in die Lage versetzt, einen Kaiserschnitt nicht erst zur
Rettung aus akuter Gefahr, sondern bereits zur Abwendung einer voraussehbaren
oder drohenden Gefahr durchzuführen.
Die Geburtshilfe wandelte sich zur Geburtsmedizin und die medizinischen-
apparativen Techniken wurden zunächst als Bereicherung und
Verbesserung empfunden und in den Klinikalltag übernommen. Mit medizintechnischen
Neuerungen war ein Perspektivenwechsel verbunden:
Die Entscheidung für einen Kaiserschnitt fiel nicht mehr nur vor dem
Hintergrund einer Gefährdung des mütterlichen Lebens, sondern das
Wohl des Kindes rückte verstärkt in das Zentrum des Interesses.
In den 1960er Jahren wurden medizintechnische Methoden entwickelt,
die es erlaubten, den Zustand des ungeborenen Kindes zu untersuchen
(Kardiotokographie (CTG)3, Mikroblutuntersuchung4), damit wurde eine
neue Grundlage für geburtshilfliche Entscheidungen geschaffen. Es kam
nun erstmalig zu Schnittentbindungen bei kindlicher Gefährdung. Im
Laufe der Zeit weiteten sich die präventiven Indikationen bei fetaler Gefährdung
oder protrahierter Geburt immer weiter aus. Zusätzlich haben
Thromboseprophylaxe und die Antibiotikatherapie Morbidität und Mortalität
der Mutter so weit gesenkt, dass das Risiko, bei einer Geburt sterben
zu können, heute aus dem öffentlichen Bewusstsein fast völlig verschwunden
ist.
Die durch Fortschritte in der Intensivtherapie extrem verbesserten Überlebenschancen
von Frühgeborenen führten ebenfalls zu Veränderungen.
Während 1975 aus kindlicher Indikation selten vor der 34. Schwangerschaftswoche
(SSW) eingegriffen wurde, in den 1980 er Jahren ein Überleben
der frühgeborenen Kinder bereits ab der 28. SSW möglich war,
werden mittlerweile ab der 25. SSW Kaiserschnitte aus kindlicher Indikation
durchgeführt. Auch bei anderen Indikationen wird sehr viel großzügiger
mit einer Schnittentbindung verfahren. Am Beispiel der Beckenendlage
(„Steißlage“) lässt sich zeigen, dass hier verschiedene Faktoren
ineinander greifen, die dazu geführt haben, dass die vaginale Entbindung
bei Beckenendlage heute ein sehr seltenes Ereignis im Kreißsaal
geworden ist. Die vaginale Entbindung bei Beckenendlage verlangt nach
besonderen geburtshilflichen Fähigkeiten, die junge Ärztinnen und Ärzte
heute in der Ausbildung selten erwerben. Die Geburt gilt als risikoreich,
und aus forensischen Gründen fällt die Entscheidung häufig schnell
zugunsten einer Sectio. Auch die Frauen und ihre Partner sind seltener
bereit, das Risiko zu tragen, auch weil der Kaiserschnitt inzwischen
risikoärmer ist als noch vor einigen Jahren. Vor die Wahl gestellt, einen
3 Mit der Kardiotokographie werden in der Schwangerschaft bzw. unter der Geburt
die Herzfrequenzmuster des Kindes und die Wehen synchron aufgezeichnet.
Aus den gewonnenen Aufzeichnungen können Hinweise auf mögliche Gefährdungen
für das Kind im Mutterleib abgeleitet werden (z.B. Hinweise auf eine
mangelnde Durchblutung des Mutterkuchens).
4 Mit einer Mikroblutuntersuchung (MBU) von der Kopfschwarte des ungeborenen
Kindes kontrolliert man dessen Säuregehalt (pH-Wert) während der Geburt.
Sinkt der pH-Wert in einen kritischen Bereich, muss das Kind möglichst zügig
geboren werden.
Kaiserschnitt von einem routinierten Geburtsmediziner oder eine vaginale
Entbindung durch einen Arzt, der damit wenig Erfahrung hat, durchführen
zu lassen, lässt schnell die Entscheidung zugunsten der Sectio
fallen – der Kreis schließt sich. An den meisten Kliniken in Deutschland
ist mittlerweile, unabhängig davon, ob es das erste Kind ist oder nicht,
bei Beckenendlage des Kindes der Kaiserschnitt der einzige Entbindungsmodus
(Hasbargen, 2003). Dies führt dazu, dass der Anteil der
Schnittentbindungen bei Beckenendlage inzwischen bei über 90% liegt
(BQS, 2004).
Auch zur Prävention von möglichen geburtsassoziierten Langzeitschäden
wie Inkontinenz und Sexualstörungen, ist der Kaiserschnitt eine
praktizierte Alternative zur normalen Geburt geworden. Spätestens seit
einer britischen Untersuchung, in der Gynäkologinnen zu ihrem persönlich
bevorzugten Geburtsmodus befragt wurden, wird das Selbstbestimmungsrecht
der schwangeren Frau bei der Entscheidung für einen Geburtsmodus
breit in der Öffentlichkeit diskutiert (Al Mufti et al., 1996). Auf
diese Studie werden wir weiter unten noch näher eingehen. Die skizzierten
Gründe sollen in den folgenden Abschnitten ausführlich diskutiert
werden, um die Komplexität des Ursachenbündels zu verdeutlichen.
2.2.2 Klinische und ärztliche Faktoren
Die starke Technisierung der Geburtshilfe in den letzten Jahrzehnten hat
die Kaiserschnittraten ansteigen lassen. Die technische Überwachung
der Schwangerschaft und des Geburtsverlaufs bietet zwar die Sicherheit,
dass problematische Entwicklungen frühzeitig erkannt werden, sie
bergen aber auch die Gefahr, dass schon geringe Normabweichungen
der beobachteten Parameter (z.B. kindliche Herztöne) pathologisiert
werden und die Schwelle für Interventionen sinkt. Von besonderer Bedeutung
sind hier das CTG sowie die Gewichtsschätzung des Ungeborenen
per Ultraschall. Die CTG-Überwachung unter der Geburt, die bei
nahezu 100% aller Gebärenden in einer Klinik durchgeführt wird, hat
zwar eine hohe Sensitivität, das heißt, sie ist sehr gut in der Lage, eine
fetale Zustandsverschlechterung anzuzeigen, auf der anderen Seite
steht diesem Vorteil aber die geringe Spezifität gegenüber, was sich in
einer hohen Anzahl falsch positiver Befunde ausdrückt. So gehen nur
15-20% der als pathologisch gewerteten CTG-Befunde tatsächlich mit
einer fetalen Geburtsazidose einher (Gnirs, 2000). Werden pathologische
CTG-Befunde nicht durch Zusatzuntersuchungen, wie Mikroblutuntersuchungen,
abgeklärt (was nicht immer möglich ist), ist ein Kaiserschnitt
oft die Folge (DGGG-Leitlinie: Anwendung des CTG während
Schwangerschaft und Geburt, 2004).
An zweiter Stelle steht der breite Einsatz der Ultraschalldiagnostik in der
Schwangerenvorsorge. Hierdurch können einige fetale Erkrankungen
schon vor der Geburt diagnostiziert werden, bei denen dann aus Sicherheitsgründen
ein Kaiserschnitt durchgeführt wird, um das Kind nicht zu
gefährden. Zu nennen sind hier z.B. fetale Herzfehlbildungen, Bauchspalten
oder Zwerchfelldefekte. Verbreitet ist aber mittlerweile auch die
kindliche Gewichtsschätzung per Ultraschall am Geburtstermin, da mit
zunehmendem kindlichem Geburtsgewicht sowohl die kindlichen als
auch die mütterlichen Komplikationsraten steigen. Doch auch diese
Untersuchungsmethode ist nicht sehr zuverlässig, wenn es darum geht
sehr schwere und große Kinder sicher zu erkennen, und normgewichtige
Kinder gewichtsmäßig nicht zu überschätzen. Die möglichen Gefahren
der fetalen Makrosomie5 sind Verletzungen der mütterlichen Geburtswege
und kindliches Trauma, bedingt durch einen protrahierten Geburtsverlauf
und erschwerte operative Entbindung. Verschiedene Untersucher
konnten zeigen, dass bei falsch-positiver Ultraschalldiagnose einer
Makrosomie eine erhöhte Tendenz zum Kaiserschnitt besteht, verglichen
mit einer Kontrollgruppe mit vergleichbaren tatsächlichen Kindsgewichten,
aber ohne vorherige Ultraschallmessung (Levine et al.,
1992).
Auch medikamentöse Geburtseinleitungen (z.B. wegen Terminüberschreitung
oder eines Fruchtblasensprungs vor Wehenbeginn) haben in
den letzten Jahren stark zugenommen. Verschiedene Untersucher konnten
zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Kaiserschnitt nach
Makrosomie („Großwuchs“): Geburtsgewicht des Kindes liegt über der 90er
Perzentile der Gewichte aller Kinder des entsprechenden Schwangerschaftsalters.
Bei reifgeborenen Kinder spricht man allgemein von Makrosomie bei einem
Geburtsgewicht > 4000g.
Geburtseinleitung erhöht ist, im Vergleich zu Geburtsverläufen ohne
medikamentöse Einleitung (Maslow et al., 2000; Yeast et al., 1999).
Sehr häufig werden Kaiserschnitte mit der Indikation „protrahierte Geburt“
und „Geburtsstillstand“ vorgenommen. Eine protrahierte Geburt ist
nicht selten Folge einer ungünstigen Interventionskaskade, wie z.B.
Geburtseinleitung, Periduralanästhesie, Wehentropf bei Wehenschwäche,
mütterlicher Erschöpfung, und nicht zu vergessen auch Ungeduld
der Geburtshelfer. Insbesondere die ärztliche Ausbildung ist auf „Handeln“
ausgelegt. „Abwarten“ wird nicht gelehrt und nicht belohnt. Im Gegensatz
zur Hebamme sind die Ärzte und Ärztinnen auch seltener bei
einem unkomplizierten Geburtsverlauf im Kreißsaal anwesend, sondern
erst wenn Besonderheiten auftreten. Die Überbetonung potentieller geburtshilflicher
Risikosituationen und die Angst vor Regressansprüchen
können zu Aktionismus auch bei unkomplizierten Geburtsverläufen führen.
Eine kontinuierliche Hebammenbetreuung unter der Geburt senkt
dagegen das Risiko, per Kaiserschnitt zu entbinden und steigert die
Zufriedenheit der Gebärenden mit dem Geburtsverlauf (Hodnet et al.,
2003).
Als Ursache für steigende Kaiserschnittraten werden auch systembedingte
Ursachen diskutiert. Für eine Klinik sind vaginale Geburten, verglichen
mit Kaiserschnittentbindungen, mit einem höheren Personal- und
Organisationsaufwand verbunden. Während ein geplanter Kaiserschnitt
nach etwa 60 Minuten abgeschlossen ist, kann eine vaginale Geburt
auch 10 oder mehr Stunden dauern. In diesem Zeitraum müssen Hebammen
und Gynäkologen, Narkose-und Kinderärzte sowie OP-
Schwestern/-Pfleger jederzeit kurzfristig verfügbar sein. Gerade für Kliniken
mit kleineren geburtshilflichen Abteilungen kann das erhebliche
organisatorische Schwierigkeiten bereiten. Bei einer differenzierten Analyse
der Kaiserschnittraten in niedersächsischen Geburtskliniken durch
Rauskolb und Wenzlaf (2005) konnte gezeigt werden, dass im Jahr
2004 nur noch 6,9% der Kliniken eine Sectiorate unter 20% aufwiesen,
insbesondere aber Kliniken und Belegabteilungen mit weniger als 500
Geburten an dem Anstieg der Kaiserschnittraten überproportional beteiligt
waren (Sectioraten bis 50%).
Derzeit ist auch die Vergütung von vaginalen Geburten und Kaiserschnittentbindungen
noch unterschiedlich. Für einen einfachen Kaiserschnitt
erhält eine Klinik 78% mehr Geld,6 hat allerdings aufgrund der
längeren Liegezeit in der Klinik einen höheren Aufwand. Insbesondere
Privatpatientinnen werden viel häufiger durch Kaiserschnitt entbunden
als gesetzlich versicherte Schwangere. Zwar werden in deutschen Krankenhäusern
die Leistungen für GKV-Versicherte, PKV-Versicherte und
Selbstzahler per Gesetz gleich vergütet, aber unter den Privatversicherten
ist ein höherer Anteil von Personen, die zusätzlich über eine Versicherung
verfügen, die die Mehrkosten von Wahlleistungen wie Chefarztbehandlung
und 2-Bettzimmer trägt. Dies könnte einen Anreiz darstellen,
bei PKV-versicherten Frauen eher einen Kaiserschnitt durchzuführen.
Auch führen abnehmende Geburtenzahlen zur Verschärfung des Wettbewerbs
der Kliniken untereinander. So sind eben nicht nur Angebote
wie Wassergeburt oder Familienzimmer wichtige Marketinginstrumente
der Kliniken, sondern es wird auch dem Wunsch der Frauen nach einer
Kaiserschnittgeburt sicherlich schneller nachgegeben, um die schwangeren
Frauen nicht an die Konkurrenz zu verlieren.
Die steigenden Kaiserschnittraten z.B. bei Beckenendlagengeburten
oder Zwillingsschwangerschaften führen dazu, dass in der Weiterbildung
der jungen Geburtshelfer alternative vaginal-operative Entbindungsverfahren
nicht mehr ausreichend gelehrt und geübt werden können. Die
zukünftige Generation von Geburtshelfern wird nicht mehr über die nötige
Erfahrung verfügen, so dass schließlich auch risikoarme vaginal zu
entbindende Zwillings- oder Steißlagenschwangerschaften per Kaiserschnitt
entbunden werden müssen.
Es findet immer größere Akzeptanz, dass gerade die einfach zu beherrschende
Kaiserschnitttechnik sinnvoller in der Anwendung und eher im
Interesse von Mutter und Kind sei als jedes andere mäßig schwierigere
6
berechnet auf der Basis der Relativgewichte 2006 G-DRG O60D „Vaginale
Entbindung ohne komplizierende Diagnose" [0,554] und O01E „Sectio caesarea
ohne komplizierende Diagnose, Schwangerschaftsdauer mehr als 33 vollendete
Wochen" [0,984]
23
vaginal-operative Verfahren (z.B. Saugglocke oder Zange). Begünstigt
hat das auch die Verbreitung der modernen Operationstechnik, der so
genannten „sanften Sectio“. Der „sanfte Kaiserschnitt" beruht auf der
Technik, dass möglichst viele Gewebestrukturen gedehnt oder stumpf
präpariert werden. Im Bereich der Geburtshilfe hat diese Technik Dr.
Michael Stark vom Misgav-Ladach Hospital/Jerusalem etabliert, deshalb
wird diese Technik oft auch als Misgav-Ladach-Sectio bezeichnet. Vorteile
dieser Operationsmethode liegen in der Verkürzung der reinen
Operationszeit auf ca. 15 bis 20 Minuten (gegenüber 45 Minuten bei der
klassischen Sectio), der Schonung von Blutgefäßen und Nervenbahnen
mit geringerem Blutverlust und geringeren postoperativen Wundschmerzen.
Der Ausdruck „Sanfte Sectio“ bagatellisiert allerdings den Eingriff,
denn wie bei jeder Operation wird auch bei dieser Technik vorher intaktes
Gewebe verletzt, mit allen möglichen Risiken, wie Infektionen, Nachblutungen
und Verwachsungen.
2.2.3 Rechtliche Aspekte
In der Medizin gilt die Geburtshilfe als Hochrisikomedizin mit den höchsten
Haftpflichtversicherungsprämien und teuersten Schadensfällen.
Häufig werden in Gutachten und vor Gericht Schäden beim Neugeborenen
und beim Kleinkind auf mangelnde Überwachung unter der Geburt
und einen versäumten Kaiserschnitt zurückgeführt. So werden auch die
meisten Haftpflichtansprüche wegen des „nicht“ oder „zu spät“ vorgenommenen
Kaiserschnittes gestellt. In den USA sind Kunstfehlerprozesse
umso häufiger, je niedriger die Kaiserschnittrate der jeweiligen Klinik
ist. Auch in Deutschland ist die Entwicklung der letzten Jahre vor allem
gekennzeichnet durch eine Zunahme gemeldeter Schadensfälle sowie
durch eine enorme Steigerung des durchschnittlichen Schadenaufwandes
pro Fall. Bis zu 2 Mio. € werden für schwere Geburtsschäden ausgeurteilt
(Dierks, 2001) und die durchschnittliche Schadenssumme beläuft
sich auf etwa 100.000 € pro Fall. Den ersten Platz der Schadensursachen
nehmen dabei die kindlichen Hirnläsionen ein. Die Hirnschädigung
eines Kindes am Lebensanfang mit schweren Behinderungen kann
lebenslange Zahlungen durch die Versicherungsgesellschaften nach
sich ziehen.
Eine weitere gefürchtete, wenn auch seltene Komplikation bei vaginaler
Geburt ist die Schulterdystokie7 des Kindes. Die hohe Rate kindlicher
Schäden führt auch hier häufig zu juristischen Auseinandersetzungen.
Die Norddeutsche Schlichtungsstelle führt an, dass unter 100 bearbeiteten
geburtshilflichen Ansprüchen 16% aufgrund einer Schädigung durch
Schulterdystokie gestellt werden (http://www.schlichtungsstelle.de/daten/
fallbsp7.htm).
Der wichtigste Risikofaktor für die Entwicklung einer Schulterdystokie ist
das kindliche Geburtsgewicht. Die Häufigkeit wird bei einem Geburtsgewicht
von 4000g mit 2% angegeben und bei einem Gewicht von 4500g
mit 10%. Allerdings ist eine Vorhersage nicht möglich. In den Leitlinien
der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe wird angegeben,
dass bei sonographisch geschätztem Kindsgewicht von
>4500g zusätzlich 132 Kaiserschnittentbindungen erforderlich wären,
um 5 Fälle einer Schulterdystokie zu verhindern (DGGG-Leitlinie: Empfehlung
zur Schulterdystokie, 2004). Trotz dieser eher ungünstigen Nutzenabwägung
empfiehlt die DGGG, jede Schwangere mit Risikofaktoren
für das Auftreten einer Schulterdystokie nicht zuletzt aus forensischen
Gründen über die Risikosituation und die Möglichkeit einer Schnittentbindung
aufzuklären. Hierzu auch ein Zitat vom OLG Frankfurt (v.
11.12.2003) über die ärztliche Aufklärung bei Verdacht auf kindliche
Makrosomie: „Bei einem Geburtsgewicht von möglicherweise 4000g
oder mehr hat der Arzt die Gebärende über die der Vaginalgeburt inhärente
Gefahr einer Schulterdystokie aufzuklären, auch wenn er selbst
eine Sectio Caesaris für nicht indiziert erachtet, denn es ist allein Sache
der Mutter zu entscheiden, welche Art der Entbindung sie wählt.“ (in:
Krause & Feige, 2005).
Die laufend steigende Zahl der Schäden und insbesondere der wachsende
Schadensumfang haben aber auch einen Rückzug der Versiche
7 „Steckenbleiben“ des Kindes (nach Geburt des Kopfes) mit der Schulterbreite
im Beckeneingang oder auf dem Beckenboden. Folgen können neurologische
Verletzungen des Kindes und Hirnschädigungen durch Sauerstoffmangel sein.
rungsgesellschaften vom Markt zur Folge. So sind gegenwärtig nur noch
sehr wenige Versicherungen überhaupt bereit, Krankenhäuser und Ärzte
gegen berufliche Risiken zu versichern. Tritt ein Schadensfall ein, verlieren
die Krankenhäuser oder Ärzte dann oftmals auch den zukünftigen
Versicherungsschutz. Diese Entwicklung führt immer stärker zu einer
Defensivmedizin, bei der die juristische Absicherung der Geburtshelfer
im Vordergrund steht und nicht die Interessen der gebärenden Frauen.
„Meine ganz persönliche – und absolut negativ geprägte Meinung ist, dass
sehr viele Kaiserschnitte von den Ärzten ausgehen. Ich bin definitiv zum
zweiten Kaiserschnitt gedrängt worden! Mit ziemlich üblen Horrorgeschichten,
was bei diesem „großen“ Kind alles passieren könnte – von gebrochener
Schulter über bleibende Nervenschäden.“ 8
2.2.4 Ursachen seitens der Schwangeren und ihres Partners
Ein Teil der steigenden Kaiserschnittraten geht sicherlich auf das Konto
veränderter medizinischer Bedingungen bei Schwangerschaft und Geburt:
Die Schwangeren sind im Durchschnitt älter, was häufiger zu
Schwangerschaftskomplikationen wie z.B. Schwangerschaftsdiabetes
und Bluthochdruck führt. Das Durchschnittsalter für das erste Kind liegt
heute mit knapp 30 Jahren rund fünf Jahre höher als noch 1960.
Mittlerweile werden die meisten Kinder von Frauen im Alter von 30 bis
etwa 37 Jahren geboren. Da nun das Zeitfenster, in dem Kinder geboren
werden, kürzer ist, ist insgesamt auch die Wahrscheinlichkeit für die
Frau, ein zweites oder drittes Kind zu bekommen, reduziert. Vor diesem
Hintergrund wird möglicherweise auch den erheblichen Risiken bei weiteren
Schwangerschaften und Geburten nach einmal durchgeführtem
Kaiserschnitt keine sehr hohe Bedeutung zugemessen.
„Bei der Geburt meiner Tochter war ich 40 Jahre. Da denkt man anders als
junge Mütter.“
8
Viele der mit dem GEK-Fragebogen angeschriebenen Kaiserschnittmütter
nutzten die Rückseite des Fragebogens für persönliche Anmerkungen und Schilderungen.
Zitate daraus sind in den folgenden Abschnitten eingestreut.
26
Auch können heutzutage teilweise Frauen mit chronischen Erkrankungen,
wie Herzerkrankungen, Diabetes mellitus oder Nierenerkrankungen
relativ sicher eine Schwangerschaft erleben. Bei vielen dieser Frauen
wird dann auch aus Sicherheitsgründen am Ende der Schwangerschaft
ein Kaiserschnitt durchgeführt.
Frauen, die sich für ein Leben mit Kindern entscheiden, müssen nach
wie vor erhebliche Nachteile am Arbeitsmarkt und bei der zukünftigen
Rentenberechnung hinnehmen. Aus diesen Gründen schieben viele,
insbesondere gut ausgebildete Frauen ihren Kinderwunsch auf; oft bis
es zu spät ist. Parallel zur steigenden Kinderlosigkeit in Deutschland hat
sich daher die Reproduktionsmedizin etabliert, die mittlerweile zu knapp
2% aller Geburten beiträgt. Doch die Zunahme der reproduktionsmedizinischen
Maßnahmen hat nun wieder einen Einfluss auf die Kaiserschnittrate.
Die Wahrscheinlichkeit, per Kaiserschnitt geboren zu werden,
ist für Kinder aus künstlicher Befruchtung deutlich erhöht im Vergleich
zu Kindern aus spontanen Schwangerschaften (Shevell et al.,
2005). Die Autoren dieser Studie vermuten, dass die Ursachen dafür
weniger medizinischer Natur sind, sondern dass die Schwangeren
ängstlich sind und die Geburtshelfer mit diesen Frauen anders umgehen.
Auch führen über 40 Prozent aller künstlich erzielten Schwangerschaften
zu Mehrlingsschwangerschaften mit deutlich erhöhten Komplikations-
und Kaiserschnittraten.
„Ich bin sehr froh, ein gesundes Kind per Kaiserschnitt entbunden zu haben,
nachdem ich erst durch eine IVF [in vitro-Fertilisation=Künstliche Befruchtung]
schwanger geworden bin. Da mein Kind sehr groß war wollte ich auf
keinen Fall durch einen zu engen Geburtskanal etc. die Gesundheit des
Kindes gefährden. Ich würde immer wieder so entscheiden, obwohl ich viel
lieber „normal“ entbunden hätte.“
Das Sicherheits- und Kontrollbedürfnis der Schwangeren und ihrer Partner
ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Bergmann et al. (2000)
zeigten in einer Befragung junger Eltern über ihre Erwartungen an die
Entbindung, dass für die Wahl der Geburtsklinik die hohen medizinischen
Standards an erster Stelle standen. Die Schwangerschaft und
insbesondere das Ereignis „Geburt“ sind mit hohen Erwartungen auf
Seiten der werdenden Eltern besetzt. Der Artikel „Wie man in Deutsch
land geboren wird“ in dem Wochenmagazin „Die Zeit“ (Spiewak, 2003)
verdeutlicht das Spannungsfeld, in dem sich schwangere Frauen und
ihre Partner befinden: „Nichts bleibt bei der „Operation Nachwuchs“ dem
Zufall überlassen... Eine Geschichte zwischen umfassender Informiertheit
und steter Verunsicherung, zwischen High-tech und der Sehnsucht
nach Ursprünglichkeit, zwischen gehobenen Ansprüchen und gesunkener
Leidenstoleranz.“
Gibt es einen Zusammenhang, zwischen der steigenden Kaiserschnittrate
und der Anwesenheit der Partner im Kreißsaal? Michel Odent, Arzt
und Begründer der „Sanften Geburt“ sagt: „Heute wagt niemand, auch
nur darauf hinzuweisen, dass das Aufkommen der neuen Doktrin von
der Teilnahme des Vaters an der Geburt und der spektakuläre Anstieg
der Kaiserschnittraten gleichzeitig auftraten“ (Odent, S. 33, 2005). Während
früher die Geburt eines Kindes in allen Kulturkreisen noch in erster
Linie Angelegenheit der Frau, zurückgezogen oft mit einer Hebamme
oder anderen Frauen war, ist heute die Anwesenheit des Partners im
Kreißsaal zumindest in den meisten Ländern Westeuropas und den USA
zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Frauen, die ihre Kinder ohne
Begleitung des werdenden Vaters bekommen, sind die Ausnahme. In
den 1960er Jahren waren die Partner bei den Klinikgeburten noch ausgeschlossen.
Ausgehend von der Studenten- und Frauenbewegung in
den 1970er Jahren kam es zu einer familienorientierteren Geburtshilfe in
der auch der Partner einen Platz bei der Geburt eingeräumt bekam.
Inwieweit der Partner nun aber einen Einfluss auf den Geburtsmodus
hat, ist wissenschaftlich bislang nicht untersucht. Nach 30 Jahren Erfahrung
mit der Anwesenheit von Vätern bei der Geburt stehen Meinungen
dazu gegenwärtig auf dem Prüfstand (Otto, 2005). In Befragungen dazu
empfindet der Großteil der Frauen die Begleitung durch den Partner
während der Geburt als hilfreich. Michel Odent vertritt jedoch im Gegensatz
dazu die These, dass die Teilnahme der Väter an der Geburt im
Kreißsaal einer weiteren Technisierung und Medikalisierung Vorschub
leistet, da die Väter im Kreißsaal dazu neigen, rational an die Geburt
heranzugehen, und dieses auch auf die Frauen übertragen (Odent,
2005). So verlangen die Frauen im Kreißsaal häufiger nach Schmerzmitteln
und entscheiden sich schneller zum Kaiserschnitt, wenn der Partner
dabei ist. Dies verweist darauf, dass den Partnern eine wichtige Rolle in
der Betreuung unter der Geburt und auch bei der Entscheidungsfindung
in Bezug auf geburtshilfliche Interventionen zukommen kann, auf die
diese entsprechend vorbereitet werden müssen.
2.2.5 Gesellschaftliche Ursachen
Die Entwicklung der Kaiserschnittgeburten lässt sich nicht analysieren,
ohne die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu betrachten, die die
Geburtsmedizin prägen. Hier ist ein deutlicher Wandel zu beobachten,
bei dem die Geburtshilfe zunehmend als Dienstleistung wahrgenommen
wird. Schwangere und ihre Partner wählen, so ein zugespitztes Bild, das
für sie passende Betreuungsangebot aus. Die Geburt soll nicht nur sicher,
sondern auch ein besonders schönes Lebensereignis sein und
wird sorgfältig vorbereitet. Die Fülle der Angebote ist fast unüberschaubar:
Geburtsvorbereitungskurse, Informationsabende in der Geburtsklinik,
3D-Ultraschall für das Familienalbum, Yoga, Bauchtanz und Aqua-
Fitness für Schwangere sind nur einige dieser Angebote. Auch für die
Geburt selbst gibt es einen Entscheidungsspielraum, der sich auf den
Geburtsort (Klinik, Hausgeburt, Geburtshaus, Hebammenpraxis), die Art
der Betreuung (z.B. mit Begleithebamme), den Technisierungsgrad und
auch auf den Geburtsmodus beziehen kann. Frauen und ihre Partner
können aus einer Fülle von Optionen wählen, und zunehmend stellt sich
auch die Frage, ob ein Kaiserschnitt eine akzeptable Variante ist. Durch
die Medien wird diese Einstellung breit in die Öffentlichkeit transportiert.
So wird immer wieder in der Regenbogenpresse von unkomplizierten
Wunschkaiserschnittentbindungen bekannter Persönlichkeiten berichtet.
Inwieweit dieses auch eine Vorbildfunktion in anderen Teilen der Bevölkerung
hat ist unklar, sicher ist jedoch, dass Frauen mit ihrem Wunsch
nach einem Kaiserschnitt selbstbestimmter auftreten.
Soziokulturelle Einflüsse spielen eine große Rolle im Geburtserleben.
Die westliche Kultur zeichnet sich durch eine starke Kontrolle der Gefühle
und ihrer Äußerungen aus. Ein häufig genannter Aspekt von Schwangeren
ist daher auch die Angst vor Ausgeliefertsein unter der Geburt
(Geissbühler et al., 2005).
Auch der Umgang mit Schmerzen hat sich in der modernen Gesellschaft
gewandelt. In unserem Kulturkreis ist Schmerz überwiegend negativ
besetzt und wird häufig mit Medikamenten behandelt. Nicht nur die Diskussion
um den Geburtsmodus (Natürlichkeit versus Kalkulierbarkeit)
wird ideologisch geführt, sondern auch die Diskussion, ob Schmerzen
zum Geburtserleben dazugehören müssen oder nicht. Für manche ist
der Wehenschmerz überflüssig und sinnlos, für andere ist er zentrales
Element der Geburt und für eine enge Mutter-Kind-Beziehung unverzichtbar.
Die Soziologin Isabelle Azoulay, die sich radikal mit dem Mythos
„natürliche Geburt“ auseinandergesetzt hat, fragt: „Passt die „natürliche
Geburt“ noch in unser Bild vom selbstbestimmten, zivilisierten
Menschen?... In der Lage zu sein, den Geburtsschmerz auszuhalten, ist
quasi gleichbedeutend mit der Fähigkeit, ein Kind zu gebären, die Prüfung
zu bestehen…Implizit wird den Frauen, die sich gut wirksamer
Schmerzmittel bedienen oder sich gar für den Kaiserschnitt entscheiden,
suggeriert, dass sie sich um das wahrhaftig Weibliche gedrückt hätten,
dass ihnen das Wesentliche entgangen sei, dass sie nicht mitreden
können.“ (Azoulay, 2003).
Ein physiologischer Aspekt des Geburtsschmerzes scheint die Stimulation
von körpereigenen Endorphinen zu sein. Endorphine haben eine
morphiumähnliche Wirkung, sind unter anderem also auch schmerzlindernd,
und werden bei starker körperlicher oder seelischer Anstrengung
und im Schmerz ausgeschüttet. In dem Moment, in dem das Kind geboren
ist, und kein Schmerzreiz mehr wirkt, schärfen die Endorphine die
Aufmerksamkeit von Mutter und Kind, vermitteln das oftmals beschriebene
überwältigende Glücksgefühl und unterstützen so die enge Mutter-
Kind-Bindung (Bonding-Prozess). Das Schmerzerleben unter der Geburt
ist aber von vielen Faktoren abhängig. So können extreme Wehenschmerzen
zu einer Spirale von Angst und Anspannung führen, die eine
Ausschüttung von Stresshormonen zur Folge hat mit Blutdruckanstieg,
Hyperventilation und Angstzuständen, was den normalen Geburtsverlauf
stören und bis zum Stillstand bringen kann.
Die Möglichkeiten zur Schmerzlinderung sind ähnlich wie der Kaiserschnitt
in der Diskussion. Mittlerweile entbinden 18% der Frauen auch
bei einer Spontangeburt mit Periduralanästhesie (BQS-Bundesaus
wertung, 2004). Die extremste Form der Schmerzvermeidung unter der
Geburt ist der (Wunsch-)Kaiserschnitt. Angst vor der Geburt und vor
Schmerzen ist ein häufig genanntes Argument von Frauen, die einen
ansonsten indikationslosen Kaiserschnitt wünschen (Ryding, 1993; Melender,
2002). Doch auch ein Kaiserschnitt verläuft keineswegs ohne
Schmerzen, und es ist zu vermuten, dass über diese häufig im Vorfeld
nicht angemessen informiert wird.. In den ersten Tagen nach der
Operation haben die betroffenen Frauen zum Teil erhebliche Wundschmerzen.
„Durch die fehlende Hormonausschüttung der physiologischen
Geburt bleibt der Schmerz bei einem Kaiserschnitt viel stärker
im Gedächtnis haften", meint V. Schmid, Hebamme und Leiterin
einer Hebammenschule. Dass viele Frauen danach keine weiteren
Kinder mehr wollen, sei demnach kein Zufall (Schmid, 2005).
„Nach dem ersten Kaiserschnitt war ich schnell wieder fit, trotzdem leide ich
unter den Folgeerscheinungen bzw. Spätfolgen .Nach dem 2. (Kaiserschnitt)
habe ich mehrere Wochen gebraucht, um fit zu sein, die Spätfolgen haben
sich intensiviert. Ich wollte immer 4 Kinder, jetzt bin ich da nicht mehr so
sicher, da ich nicht mehr versuchen darf, normal zu entbinden.“
2.3 Primärer/sekundärer Kaiserschnitt und Indikationen für
eine Sectio
Betrachtet man die Entwicklung der Kaiserschnittraten ist zunächst zwischen
primärer, oder elektiver, und sekundärer Sectio zu unterscheiden.
Die primäre Sectio erfolgt, bevor muttermundwirksame Wehen
einsetzen. Die Entscheidung zur Schnittentbindung ist somit meist vor
dem Geburtstermin getroffen worden, und es handelt sich damit fast
immer um eine geplante Operation und nicht um eine Notfallmaßnahme.
Bei einem sekundären Kaiserschnitt fällt die Entscheidung erst unter der
Geburt, z.B. wegen schlechter Herztöne des Kindes oder wegen eines
Geburtsstillstandes. Primäre und sekundäre Kaiserschnitte werden etwa
gleich häufig vorgenommen, und beide Formen haben in den vergangenen
Jahren zugenommen. So ergibt sich in der niedersächsischen Perinatalerhebung
von 2004 die Gesamtsectiorate von 27,6% aus 13,5%
primären und 12,5% sekundären Kaiserschnitten (restliche 1,6%: „nicht
näher bezeichnet“) (http://www.zq-aekn.de). Gerade die oft formulierte Hypothese,
dass der Anstieg der Kaiserschnittraten in den letzten Jahren vor
allem auf die starke Zunahme primärer Schnittentbindungen zurückzuführen
ist, lässt sich somit nicht bestätigen.
50
44,6
45
primäre
Sectio
40
sekundäre
35
Sectio
30,1
30
28,326
25
19,3
20
15,1
15
11,5
10
7,6
5
0
%
Abb. 2.2: Darstellung der häufigsten Indikationen für primäre und sekundäre
Kaiserschnitte bei reifgeborenen Einlingen (niedersächsische Perinatalstatistik,
Geburtsjahrgang 2004) (Mehrfachnennung möglich). Quelle: http://www.zq-aekn.de
Eine Auswertung der niedersächsischen Perinataldaten aus dem Geburtsjahrgang
2004 ergab, dass bei reifgeborenen Einlingen (37-41
Schwangerschaftswochen), die per primärer Sectio entbunden wurden,
der Status nach früherem Kaiserschnitt der häufigste Grund war. Bei
Einlingen, die per sekundärer Sectio entbunden wurden war ein pathologisches
CTG die häufigste Indikation (bei Angabe mehrerer Indikationen).
Seit dem Jahr 2003 steht damit in den niedersächsischen Perinataldaten
auch der Zustand nach Kaiserschnitt zahlenmäßig erstmalig vor
der Indikation Beckenendlage bei den primären Kaiserschnitten. Dies ist
besonders bemerkenswert, weil sich eine einmal durchgeführte Operation
anscheinend zukünftig immer häufiger selber bedingt. Abb. 2.2 zeigt
die häufigsten Indikationen für primäre und sekundäre Kaiserschnittentbindungen.
Obwohl ein vorangegangener Kaiserschnitt keinesfalls automatisch eine
Indikation zur erneuten Sectio (Re-Sectio) bei nachfolgender Geburt
darstellt, wird die Frau doch automatisch in der nächsten Schwangerschaft
einer Risikoklientel zugeordnet. Im Jahre 2004 hatten 9,5% aller
Schwangeren bei Geburt bereits mindestens einen Kaiserschnitt in der
Vorgeschichte (BQS, 2004). Dieser Anteil wird bei weiter steigenden
Sectioraten natürlich noch weiter zunehmen. Die Re-Sectiorate bei Einlingen
von Müttern mit vorausgegangener Kaiserschnittentbindung lag
im Jahr 2004 in Deutschland bei 63% (BQS, 2004). Im Vergleich dazu
lag in den USA die Re-Sectiorate bei der nachfolgenden Geburt bereits
bei fast 90%. Die medizinischen Indikationen, die einer Schnittentbindung
zugrunde liegen, sind vielfältig und lassen sich in absolute und
relative Sectioindikationen unterteilen.
Absolute Indikationen sind gegeben bei Regelwidrigkeiten, die das
Leben von Mutter oder Kind gefährden, unabhängig davon, ob die Entscheidung
vor oder während der Geburt getroffen wurde. Als absolute
Indikationen gelten z.B. Querlage des Kindes, Plazenta praevia9, das
Aufreißen einer Narbe in der Gebärmutter nach vorangegangenem Kaiserschnitt
(Uterusruptur) oder Nabelschnurvorfall. Diese Indikationen
machen weniger als 10% aller Indikationen für eine Schnittentbindung
aus (DGGG Stellungnahme, 2004).
Relative Indikationen liegen bei etwa 90% aller Schnittentbindungen
vor. Im Bereich der relativen Indikationen sind keine schematischen
Indikationslisten möglich. Hierbei handelt es sich um Regelwidrigkeiten
9 Als Plazenta praevia bezeichnet man eine atypische Lokalisation des Mutterkuchens
im unteren Teil der Gebärmutter, wobei der innere Muttermund durch die
Plazenta ganz oder zum Teil überdeckt wird. Die Plazenta liegt „im Weg“ = prävia.
Häufigkeit: bei etwa 0,4% aller Schwangerschaften. Die spontane Geburt ist
bei einer Plazenta praevia nicht möglich, es muss durch Kaiserschnitt entbunden
werden. Darüber hinaus kann es zu massiven Blutungen nach Ablösung der
Plazenta kommen.
oder Risikofaktoren, die anzeigen, dass die Belastbarkeit von Mutter
oder Kind während der Geburt überstiegen werden kann.
Als Indikationen sind hier unter anderem zu nennen: Beckenendlage,
protrahierte Geburten, pathologisches CTG, Verdacht auf relatives
Missverhältnis zwischen Größe des Kindes und dem mütterlichen Becken
oder ein voran gegangener Kaiserschnitt. Im Zentrum solcher relativer
Indikationen steht die Abwägung zwischen dem Gewinn für Mutter
und Kind aufgrund der abgebrochenen oder vermiedenen vaginalen
Geburt sowie dem Risiko für Mutter und Kind durch die Operation. Gerade
auch der Anstieg der sekundären Kaiserschnittraten mit den Hauptindikationen
„pathologisches CTG“ und „protrahierte Geburt“ in den letzten
Jahren zeigt, dass der bestehende Handlungsspielraum häufig auch
aufgrund des angestiegenen forensischen Druckes (siehe z.B. Ulsenheimer,
1998) zugunsten einer für den Geburtshelfer risikoärmeren Kaiserschnittentbindung
ausgenutzt wird.
Gesondert betrachtet werden soll im Folgenden noch die Beckenendlage
des Kindes, da diese derzeit eine der Hauptindikationen bei den primären
Kaiserschnittgeburten stellt. Die Häufigkeit der Beckenendlage ist
abhängig von der Tragzeit. Zum Geburtstermin liegt das Kind in ca. 3 bis
5% aller Schwangerschaften in Beckenendlage. Bei Frühgeburten
kommt eine Beckenendlage bis zu 30% der Geburten vor, abhängig vom
Schwangerschaftsalter. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich ein
stetiger Wandel in der Einstellung zur Beckenendlagenendbindung vollzogen.
Dies betrifft nicht nur den deutschsprachigen Raum, sondern ist
weltweit zu beobachten. Aktuell liegt die Kaiserschnittrate bei Beckenendlage
in Deutschland bei über 90%. In einer Analyse der niedersächsischen
Perinataldaten liegt die Rate bei Erstgebärenden bei annähernd
100% und bei Mehrgebärenden zwischen 84-90% (Rauskolb, 2005). Zu
einem grundlegenden Wandel bei den Beckenendlagengeburten führte
eine einzige, im Jahr 2000 veröffentlichte prospektiv randomisierte Studie.
Der so genannte „Term Breech Trial“ (Hannah et al., 2000) zeigte
damals, dass kindliche Mortalität und schwere Morbidität bei Beckenendlage
signifikant geringer waren bei einem geplanten Kaiserschnitt im
Vergleich zur geplanten vaginalen Geburt. So starben oder waren ernsthaft
geschädigt 5% der vaginal geborenen Kinder, aber nur 1,6% der
Kaiserschnitt-Babys. Diese Daten wurden dahingehend interpretiert,
dass die vaginale Entbindung bei Beckenendlagen ein höheres Risiko
für die Kinder beinhaltete als die vaginale Geburt. Nach Veröffentlichung
dieser Studie änderte sich weltweit der Geburtsmodus für Beckenendlagen
grundlegend: Eine niederländische Studie mit 35.453 reifgeborenen
Kindern in Beckenendlage konnte zeigen, dass innerhalb von nur 2 Monaten
nach Veröffentlichung der Studie die Kaiserschnittraten bei Beckenendlagengeburten
von 50% auf 80% anstiegen (Rietberg, 2005).
Mittlerweile gibt es deutliche Zweifel an der Gültigkeit dieser Ergebnisse,
da der Studie („Term Breech Trial“) erhebliche methodische Schwächen
nachgewiesen werden konnten. Bei einer aktuellen Re-Analyse lösten
sich die Unterschiede hinsichtlich Morbidität und Mortalität der Neugeborenen
auf (Glezerman, 2006). Ob sich zukünftig am Entbindungsmodus
für Beckenendlage wieder etwas ändern wird, ist zu bezweifeln, da möglicherweise
schon der „point of no return“ erreicht ist: In den letzten Jahren
ist die Fähigkeiten von Geburtsmedizinern bei der Entbindung von
Beckenendlagen so deutlich zurückgegangen, dass es bei vaginale
Beckenendlagengeburten mittlerweile wahrscheinlich zu einer höheren
Komplikationsrate aufgrund eines mangelnden Trainings der Geburtshelfer
kommen würde.
2.4 Wunschkaiserschnitt
Eine besondere Form der primären Sectio ist der so genannte „Wunschkaiserschnitt“,
ein Kaiserschnitt, der ohne medizinische Indikation
durchgeführt wird. Dieser genießt in den vergangenen Jahren zunehmend
Aufmerksamkeit, und es wird die These formuliert, dass der Anstieg
der Kaiserschnittraten vor allem auf diese Wunschkaiserschnitte
zurückgeführt werden muss. Die öffentliche Diskussion um die elektive
Sektio ohne medizinische Indikation („Wunschkaiserschnitt“) wurde 1996
ausgelöst durch die Veröffentlichung einer Umfrage unter 282 Frauenärztinnen
in London zum persönlich gewünschten Geburtmodus. Diese
Untersuchung ergab, dass 31% der Befragten für die eigene Person
einen elektiven Kaiserschnitt nach einer komplikationslosen Schwangerschaft
und mit einem Kind in Schädellage bevorzugen würden. Als
Gründe wurden Angst vor Beckenbodenschäden und Inkontinenz,
Dammverletzungen, sexueller Beeinträchtigung nach der Geburt, Angst
vor Schädigung des Kindes und Wunsch nach Planbarkeit der Geburt
angegeben (Al Mufti, 1996). Mit dieser Studie wurde die Frage aufgeworfen,
ob Frauen ohne medizinische Ausbildung verwehrt werden dürfte,
was Gynäkologinnen sich für sich selber wünschen. Für Deutschland
lassen sich diese Zahlen so allerdings nicht übertragen Eine Umfrage
unter deutschen GynäkologInnen im Jahr 2003 ergab, dass ein Großteil
der Befragten (88-95%) sich bei fehlenden geburtshilflichen Risiken eine
vaginale Entbindung für sich selbst oder die eigene Partnerin wünscht
(Schmutzler et al., 2003). Die Studie von Al Mufti ist dennoch in mehrfacher
Hinsicht interessant. Nicht nur, dass sie die Frage nach der Grenze
des Selbstbestimmungsrechts schwangerer Frauen aufwirft, sie zeigt
auch, wie das berufliche Selbstverständnis den Umgang mit dieser Frage
prägt. So zeigt eine entsprechende Studie mit Hebammen, dass
diese sich in vergleichbarer Situation zu 100% eine vaginale Geburt
wünschen (Harder, 2002).
Kaum ein anderes Thema führt in gynäkologischen Fachkreisen zu einer
so starken Polarisierung wie die Wunschsectio. Die Ethikkommission
des American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) veröffentlichte
im Oktober 2003 eine Erklärung, die den Kaiserschnitt auf
Wunsch als ethisch vertretbar darstellte, nachdem er in den Jahren zuvor
noch als unethisch gegolten hatte. Gleichzeitig gab in Großbritannien
das National Institute of Clinical Excellence (NICE)10 Richtlinien
heraus, die besagten, dass Ärzte einer Frau das Recht auf den Kaiserschnitt
nicht verweigern dürften, zunächst aber die Gründe für diesen
Wunsch erfragt, dokumentiert und erörtert werden müssten. Auch die
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sieht eine
Wunschsectio als ethisch unbedenklich: „Nicht jede ärztliche Maßnahme
geschieht zu Heilzwecken. Der Arzt führt vielmehr in grundsätzlich zulässiger
Weise oft Behandlungen durch, die wie Sterilisationen oder
10 NICE ist eine im Jahre 1999 gegründete Gesundheitsbehörde der britischen
Regierung, welche medizinische Behandlungen systematisch auf ihre Wirksamkeit
und Kosteneffizienz überprüft.
kosmetische Operationen anderen Zielen dienen können. Die Sectio auf
Wunsch ist solchen Eingriffen gleichzustellen, sofern sie nach gehöriger
Aufklärung mit wirksamer Einwilligung vollzogen wird und medizinisch
jedenfalls nicht kontraindiziert ist“ (Stellungnahme DGGG, 2004).
Aber auch die Meinung der direkt Betroffenen, der schwangeren Frauen,
ist gespalten: Für die eine Frau hat das Geburtserlebnis einen hohen
emotionalen Stellenwert und ist eng mit dem weiblichen Selbstverständnis
verknüpft, für die anderen ist die spontane Geburt mit zu vielen Unwägbarkeiten
verbunden, sei es im Hinblick auf zeitliche Planung oder
auf mögliche körperliche Folgeschäden. Unklar ist jedoch, wie viele
Frauen tatsächlich einen Kaiserschnitt ohne klare medizinische Indikation
nachfragen. Die Untersuchungen, die bisher zu dieser Frage durchgeführt
wurden, zeigen, dass nur wenige Frauen einen Sectio-Wunsch
äußern (zwischen 3,7% und 14,7%, in Hellmers, 2005), während die
meisten Frauen ihr Kind durch eine Spontangeburt ohne operative Maßnahmen
gebären möchten. Es hat den Anschein, dass das Th
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Kommentare
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Interessant fand ich auch, dass die Frauen anscheinend nicht über Risiken in späteren Schwangerschaften aufgeklärt wurden. Wurde ich nämlich auch nicht, mir wurde nur geraten, ein Jahr nicht schwanger zu werden. Von einem höherem Risiko für eine Plazenta prävia nach KS habe ich noch nie gehört. Ist das tatsächlich so?
Ach so, und was heißt genau "protrahierte Geburt"? So was wie "verzögerte Geburt"? Das ist nicht das gleiche wie ein Geburtsstillstand, oder?
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http://www.hebamme4u.net/news/einzelnew ... olgen.html
protrahiert heißt langsam und verzögert, eine insgesamt lange Geburtsdauer
Geburtsstillstand ist etwas Anderes, nämlich wenn trotz ordentlicher Wehen über mehr als zwei Stunden keinerlei Fortschritte im Verlauf passiert sind.
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Die andere Studie klingt auch sehr interessant, aber da würde mich mal interessieren, was genau die Todesursache(n) war(en). Und heißt da Todesfall Tod der Mutter oder kann es sowohl Tod der Mutter als auch Tod des Kindes heißen?
Sorry, irgendwie läßt mich das Thema nicht los.
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@Katharina: hier sind die Mütter gemeint, aber soll schon klar sein, dass sich die Zahlen in einem minimalen Bereich bewegen.
Ich sehe die Problematik eher in mangelder Aufklärung über evtl. Nachteile, und die allzu frühen OP- Termine, die dann für die Kinder oft nachteilig sind.
Wird einem voher gesagt, dass dadurch die Anzahl der Kinder, die man bekommen kann, begrenzt ist? Wurdet Ihr über Verwachsungen aufgeklärt? Die Liste wäre lang.
Das bezieht sich natürlich nur auf geplante Kaiserschnitte!!!
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Bei mir war´s ja kein geplanter KS, es war das, was in der Studie als primärer KS bezeichnet wurde, aber wegen der Gestose mit der hypertonen Krise war´s dann doch ein Not-KS. Und nein, ich wurde vorher nicht aufgeklärt, war keine Zeit. Aber ich wurde auch hinterher nicht aufgeklärt, dass die Anzahl der Kinder nun begrenzt ist, das hätte ich schon gerne mal von meinem Arzt bzw. dem Operateur gehört, ich finde das gehört dazu, auch wenn vorher keine Zeit war und man eh keine Wahl hatte. Eigentlich wäre es ganz schön gewesen, wenn die Ärzte sich auch hinterher ein bißchen Zeit nehmen würden, einem einiges zu erklären.
Das Problem mit den frühen OP-Terminen sehe ich auch so, ist halt die Frage, was man als Patientin dagegen machen kann, wenn es denn schon ein KS sein muss. Die Frauen, die einen KS ohne medizinische Indikation wollen, machen die sich Gedanken darüber, ob das Kind 3 Wochen vor ET geholt wird oder ob es besser ist zu warten? Vom Arzt werden sie sicher nicht darüber aufgeklärt. Das, was ich in letzter Zeit mitbekommen habe, hat eigentlich eher so ausgesehen, dass die Frauen dann eher noch damit verunsichert worden sind, das Kind müßte früher geholt werden, weil es nicht mehr wächst (in einem Fall wurde das Kind dann 2 Wochen vor ET mit 53 cm und über 3000 g geholt :shock: !!!).
Die Studie zusammengefasst auf der Homepage wäre bestimmt für viele sehr interessant!!!
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Ich frage mich auch, was denn die Frauen im Nachhinein denken oder sagen, wenn die Begründung offensichtlich nicht stimmt :shock:
Im Notfall bleibt natürlich keine Zeit, da sind andere Dinge wichtiger, aber ich gebe Dir Recht, da kann man später noch Gespräche anbieten.
Tja, ich weiß nicht, ob diese Studie wirklich interessant wäre, auch wenn ich sie etwas aufbereite.... :confuded:
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viewtopic.php?f=11&t=6334
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Generell denke ich, dass die Haltung gegenüber hier im Forum sowieso eher kritisch ist. Aber viele landen ja auch erstmal auf der Homepage, wenn sie Infos suchen (ging mir jedenfalls so).
@ Franziska: Oweia, da fühlt man sich ja richtig gut aufgehoben... :shock: :shock: Ansonsten war´s bei mir ja genauso, beim Entlassungsgespräch wurde nur gesagt, ich sollte ein Jahr nicht schwanger werden, das war´s. Immerhin habe ich am Rande mitbekommen, weshalb genau der KS gemacht wurde.
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http://www.hebamme4u.net/geburt/kaiserschnitt.html
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ich finde es super, Marlies, dass Du Dir soviel Mühe machst.
Ich habe die Studie mit viel Interesse gelesen, da ja auch ich einen Kaiserschnitt nach Geburtsstillstand hatte (dazu muss ich sagen, dass ich aber letztlich diese Entscheidung selber fällen durfte, Hebamme und Ärztin hättten wohl noch weiter abgewartet) und meine zweite Geburt ja nun auch nicht mehr in allzu weiter Ferne liegt.
Ich finde der Anfang auf der HP ist super gelungen und bin gespannt, wie es weiter geht....
Gruß
Daniela
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Das macht doch nichts :biggrin: . Ich fürchte, seit meinem KS missioniere ich auch, zwar nicht unbedingt auf einer professionellen Ebene, aber trotzdem...
Gestern fragte mich mein (neuer) FA doch tatsächlich, wie ich entbinden möchte. Es scheint also wirklich so zu sein, dass die Frauen da mehr und mehr Wünsche äußern. Da scheint es nicht gerade selbstverständlich zu sein, dass man spontan entbinden will oder liegt das daran, dass in der Vorgeschichte ein KS war.
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http://www.hebamme4u.net/geburt/kaisers ... udie2.html
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Zu den Männern kann ich nicht so viel sagen, das fand ich schon in der Studie schwer nachvollziehbar, vielleicht weil mein Mann so gegen KS ist (jedenfalls wenn es nicht sein muss).
Bei den Videos find ich, das Baby sieht beim Papa so unglücklich aus. Das war auch etwas, was ich als besonders krassen Unterschied zwischen KS und normaler Geburt empfunden habe: dass man sein Baby sofort auf den Bauch bekommt und nicht erst viel später und komplett angezogen. Das habe ich beim KS vermisst.
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