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Leiden Sie unter Kinderwahnsinn?
Von Silja Ukena
Wenn junge Eltern Hilfe suchen, können sie sich von Myriaden von Elternratgebern so richtig verwirren lassen. Oder jetzt ein Buch lesen, das weder heilen noch helfen will - und dabei sehr unterhaltsam ist.
Menschen, die Eltern werden, entwickeln oft seltsame, für Außenstehende nur schwer nachvollziehbare Symptome. Dazu gehört auch das bis dahin ungekannte Bedürfnis nach Rat und Erfahrungsaustausch. Das Phänomen setzt in der Schwangerschaft ein und steigert sich rasch. Als Betroffener lässt man plötzlich alle Scheu fahren und befragt wildfremde Menschen auf der Straße, ob sie denn mit "ihrem Quinny" zufrieden sind (womit nicht das Baby sondern der Kinderwagen gemeint ist) oder woher sie denn diesen entzückenden Fußsack haben.
Schlimmer wird es, wenn das Kind da ist. Plötzlich weiß man alles über frühkindliche Synapsenbildung und glutenfreie Nahrungsmittel. Und man liest. Natürlich keine Romane mehr. Aber zum Beispiel "Jedes Kind kann schlafen lernen"; "Oje, ich wachse"; "Coach dein Kind!"; "Jedes Kind kann Regeln lernen"; "Zehn kleine Krabbelfinger"; "Das Wut-weg-Buch"; "Das kompetente Kind"; "Backen mit der Maus". Und das ist nur eine kleine Auswahl.
Vielleicht ist man den Autorinnen Nina Puri und Susanne Kaloff auch deshalb so dankbar für diesen Titel: "Elternkrankheiten. Der große Ratgeber". Ihre Devise: Runterkommen. Klar, schonungslos und übersichtlich gegliedert liefern die beiden langjährigen Mütter eine Analyse des gesammelten Elternwahnsinns von A bis Z. Die Reduktion der Kommunikationsfähigkeit auf Begriffe wie Tweedle-Methode, Maxi-Cosi oder Babybjörn gehört ebenso dazu, wie die feste Überzeugung, das eigene Kind sei mit allem "früher dran" und folglich hoch begabt. Aber auch der allmähliche elterliche Verfall wird dokumentiert: Gewichtszunahme, TV-Apathie, Hasenpuschen.
Oder später die Duldung von Borussia-Mönchengladbach-Kalendern in der ehemals "Architectural Digest"-reifen Wohnung. "Jeder", schreiben die Autorinnen, "der monatelang allein zu Hause saß und versuchte, einem nicht kooperierenden Kleinkind löffelchenweise Möhrenbrei einzuflößen, jeder, der aus bilateralen Verhandlungen mit einem Kindergartenkind als Verlierer hervorging, weiß: Isolation, Selbstzweifel und Erfolglosigkeit gehen Hand in Hand mit dem Elterndasein." Zur allgemeinen Auflockerung ist dieses Buch also nur zu empfehlen.
Und wenn Sie dann immer noch Lust haben, alles richtig zu machen: Remo H. Largos lang bewährten "Babyjahre" sind soeben in neuer Überarbeitung aufgelegt worden. Dem Understatement des Schweizer Kinderarztes hat der gesammelte Jedes-Kind-kann-Wahn immer noch wenig entgegen zu setzen.
Nina Puri/Susanne Kaloff: "Elternkrankheiten. Der große Ratgeber". DroemerKnaur Verlag, München; 208 Seiten; 12,95 Euro.
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Kommentare
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ES IST EINFACH SO! :biggrin:
das buch ist zum schießen. ich finde es unheimlich lustig, ich denke es würden sich so ziemlich alle wieder erkennen.
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ob es allerdings für deine arbeit geeignet ist, weiß ich nicht. mußt mal bei amazon die bewertungen und die inhaltsangabe lesen.
ist aber, mal ganz abgesehen von deiner arbeit, auf jedenfall lesenswert.