Ich muss mich mal ausheulen, vielleicht hilft das weiter.
Vor drei Jahren ist mein Vater gestorben.
Als ich noch schwanger war (im Nov. 2004) hatte er einen Zusammenbruch. Da er allein lebte hat es 7 h gedauert, bis er bewusstlos in seinem Bett aufgefunden wurde. Dann kam er auf Intensiv. Zum Glück arbeitete ich zu der Zeit schon nicht mehr, so konnte ich hinfahren und sein Kurzzeitgedächtnis sein, das er vorübergehend verloren hatte. Ich habe tagelang an seinem Bett gesessen und ihn unzählige Male wiederbelebt, weil sein Herz zwischendrin immer wieder ins Kammerflimmern rutschte.
Mein Papa war schon lange herzkrank, aber es ging ihm immer recht gut damit (er ist schon mit Anfang 30 operiert worden). In den letzten Jahren hatte er eine Medikamentenumstellung nicht so gut verkraftet und alles ging schief.
Nach diversen Wochen auf Intensiv, wo meine Geschwister und ich mehrfach dachten, es sei jetzt zu Ende, hat er sich etwas erholt und konnte in die Reha.
Ich hatte mir eine Telefonflatrate angeschafft und habe von da an täglich mit ihm telefoniert (von 2-3 Tagen abgesehen als Tom neugeboren war). Er kam dann sogar noch mal nach Hause, aber nie für lange.
Mittlerweile war es nicht nur das Herz, sondern als Folge der schlechten Auswurfleistung gaben auch Nieren und Leber auf. Als letzten Versuch schickte man ihn nach Bad Oeynhausen um ihn transplantieren zu lassen.
Das ging leider nicht, weil er seit der OP vor 30 Jahren eine Hepatitis C (von einer Bluttransfusion) hatte. Also wollten sie ihm ein Kunstherz einbauen..... da hatte ich schon ein ganz schlechtes Gefühl, aber mein Vater wollte es versuchen.
Ich hatte ihm auch angeboten, wenn sie ihm nicht helfen können, dann könne er zu mir nach Hause kommen, alle Leute einladen, die er noch mal sehen wolle und dann in Frieden und Würde diese Welt verlassen. Aber dafür war er glaube ich noch zu jung, um diesen Schritt zu machen.
Er ging also in den OP, lebte dann noch 10 Tage auf der Intensivstation ohne noch mal aufzuwachen. Seine Organe wurden nach und nach von Maschinen ersetzt. Er hatte nachher eine Maschine, die ihn beatmete, eine die sein Herz ersetzte, eine die die Arbeit seiner Nieren übernahm und eine, die seine Leber ersetzte. Seinen Darm konnte man nicht ersetzen, deswegen ist er am 21.6.2005 gestorben.
Es war ein Ende, wie er es niemals haben wollte. Er hatte extra eine Patientenverfügung gemacht, und ich war sein Bevollmächtiger. Nach seiner Entscheidung für diese OP war es mir aber nicht mehr möglich, diesen "Werdegang" zu verhindern, trotzdem mache ich mir da immer noch Vorwürfe wegen. Vielleicht hätte ich noch klarere Worte finden sollen?? Aber verdammt noch mal, sag mal Deinem Vater, dass er sterben wird und dass Du denkst dass es keinen Ausweg mehr gibt!!!
Ausserdem war es mir auch nur schwer möglich ihn zu besuchen, da ich ja ein vollgestilltes 4 Monate altes Kind hatte. Ich war einmal noch bei ihm, als er in diesem desolaten Zustand mit offenem Brustkorb auf der Intensiv lag, und dann habe ich ihn erst wiedergesehen, nachdem sie ihn obduziert hatten.
Nach seinem Tod gab es sehr viel zu organisieren -über viele Monate hinweg. Meine Eltern waren geschieden und damit bin ich als ältestes Kind jetzt "Familienoberhaupt". Da ich nicht berufstätig war/bin habe ich auch die ganze Organisation und den Papierkram übernommen. Mein Vater war ja noch berufstätig und sozusagen "mitten im Leben". Niemand rechnet damit mit 61 Jahren zu sterben und bereitet alles vor!
Tja, und in dem ganzen Trubel blieb mir keine Zeit und kein Raum für Trauer. Ich habe bis heute erst 2 oder 3 mal wirklich deswegen geweint. Ich habe einfach zu viel um die Ohren.
Aber immer im Frühjahr kommt das alles wieder hoch. Vor allem jetzt, wo wieder ein vier Monate altes Baby da ist.
Er fehlt mir schrecklich. Ich vermisse immer noch die täglichen Telefonate, an die ich mich so gewöhnt hatte.
Ich hoffe, das hört irgendwann mal auf!
sorry, dass es so lang geworden ist. Danke für s Zulesen.
Kommentare
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Ich wünsche dir viel Kraft und drück dich mal....das ganze tut mir schrecklich leid...
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Ich drück Dich mal ganz fest, wenn ich darf. :troest:
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es tut mir leid, dass du während deiner SS und in der frühen elternzeit gleichzeitig eine so schwere lebensphase durchmachen musstet :troest:. ich glaube, dass du alles so gemacht hast, wie es richtig war. deine last ist es, dass du einen beruf hast, der viel einblick und wissen in krankheiten und deren verläufe beinhaltet. dadurch fällt das herstellen von distanz zum krankheitsgeschehen bei einem geliebten menschen um so schwerer, denn man ist tochter UND krankenschwester in einer person. da mischen sich zwei welten.
ich vermute, genauso wie du, dass dein vater noch nicht bereit war so zu gehen, wie du es ihm vorgeschlagen hast. ich glaube, er wollte für sich kämpfen und auch für dich. er wollte bestimmt noch unbedingt tom kennenlernen, ihn aufwachsen sehen und hat deshalb noch einmal alles versuchen wollen.
trauer zuzulassen und ihr raum zu geben, braucht zeit und ruhe. vllt. kannst du dinge, die dir wichtig sind aufschreiben ? evtl. in ein tagebuch ? oder du schreibst einen brief an deine vater, in dem du die dinge niederschreibst, die ungesagt geblieben sind ?
ich wünsche dir, dass du zeit und kraft findest, deine trauer zu verarbeiten und der schmerz irgendwann weniger wird :troest: .
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Und ich werde glaube ich mal alleine zu seinem Baum fahren (er ist im Friedwald beerdigt), denn bisher war ich nur mit meinem Mann und Tom dort, und dann muss ich immer ellenlang erklären, wo der Opa ist, warum der gestorben ist.... ja, der Opa war mein Papa... nein, ich habe keinen neuen Papa, der Jörn ist Dein Papa, aber mein Mann.... ja, ich bin noch traurig weil mein Papa gestorben ist (diese Aussage schockt Tom dann immer so, dass ich ihn trösten muss... )
Ich sollte mal allein hinfahren, dann habe ich vielleicht die Ruhe für die Gedanken, um die es mir geht.
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