Hi, ich weiß nicht, ob das ein heißes Thema ist, weiß aber auch nicht, wo ich es sonst posten soll. Falls ich hier falsch bin, bitte verschieben.
Ich hab das Buch von Jesper Juul -Nein aus Liebe - gelesen und bin da eigentlich total mit einverstanden. Es entspricht ohne dass ich es vorher kannte meiner Überzeugung, dass ich glaube, dass Kinder vor allem Beziehungen wollen, mit allen Schattierungen und dass man sich als Eltern eben "zeigen" soll, auch wenn man dann mal nicht so gut dasteht.
Aber er hat auch was geschrieben, was mich zumindest mal sehr nachdenklich gemacht hat.
Er vertritt die These, dass Kinder, die früh in Kitas betreut werden, von den Pädagogen dort zwar pädagogisch betreut werden, aber dass echte persönliche Grenzen dort ersetzt werden durch Vereinbarungen und Regeln, so dass der Mensch dort in den Hintergrund tritt, also die Erzieherin und sie "nur" eine Funktion hat. Er meint, dass das dann keine echten, persönlichen Beziehungen sind, da die Pädagogen halt nicht als Menschen auftreten.
Dass die Beziehung dann eher eine Dienstleistung ist und kein echter menschlicher Gegenüber da ist, mit dem die Kinder eine menschliche Beziehung aufnehmen können.
Das hält er für nicht gut und er behauptet weiter, dass in Skandinavien, wo die meisten Kinder sehr früh "fremdbetreut" werden, er bemerkt, dass die Menschen dort in Beziehungen auch eher den Dienstleistungsaspekt sehen.
Ich versteh schon den Gedanken, den er hat, frage mich aber, ob das so hinhaut. Denn letztendlich ist doch ein Pädagoge auch und doch hoffentlich vor allem ein Mensch, der sich doch auch zeigt und zur Debatte stellt. Pädagogen sind doch keine Roboter, denen nichts menschliches anhaftet.
Ich hoffe, ich habe mich verständlich ausgedrückt und hoffe, dass ich richtig interpretiert habe, was er geschrieben hat.
Wie findet ihr das, wie erlebt ihr das, wenn eure Kinder in einer Kita sind?
Kommentare
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mir hat gerade dieser Abschnitt im Buch auch zu Denken gegeben, eben weil Jonah zeitweise ein durch "pädagogische" Fachkräfte fremdbetreutes Kind ist. Ich kann schon nachvollziehen, was Juul meint. Und ich muss sagen, mir sind die Erzieherinnen in der Krippe am liebsten, die einfach "normal" mit den Kindern umgehen, also liebevoll, ehrlich, direkt, authentisch.
Man erlebt ja auch diese superengagierten, hoch pädagogisch motivierten Fachkräfte, die den Zeigefinger schon nicht mehr einklappen können und bei denen alles ungefähr so klingt: "Nein, Julius, DAS darfst Du jetzt aber nicht machen, das tut der Paula aber ganz böse weh!" :roll: Ist der Tonfall vorstellbar?! Da ist wirklich keine echte Person dahinter, nur eine mit einer pädagogischen Maske, die versucht, dem Kind erzieherisch beizukommen anstatt einfach auf menschlicher Ebene.
Und da stehe ich zu Juuls Meinung, wenn er sagt, das davon Kinder einfach nicht profitieren. Und die meisten Kinder zeigen solchen Versuchen auch eher die kalte Schulter und sind wenig beeindruckt. Und sie entwickeln ein Bild davon, wie Beziehungen entstehen, aufgebaut sind usw. Ich hoffe, dass mein Kind in seiner Laufbahn durch Kiga, Schule usw. auf möglichst "normale" statt "pädagogische" Menschen trifft, damit er echte Beziehungen erleben kann. Also Menschen, die trotz der Notwendigkeit von Regeln, die in größeren Gruppen manchmal sein müssen, authentisch bleiben können.
Als zukünftige pädagogische Fachkraft werde ich jedenfalls das ausdrückliche Er-ziehen bleiben lassen. ;-)
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Da hast du Recht.
Ich kann mir auch gut vorstellen, dass eine solche Haltung die Kinder entweder irritiert oder - wie Dawn schon schrieb - einfach kalt lässt.
Natürlich müssen Kinder lernen, sich in Gruppen entsprechenden Regeln unterzuordnen, weil in dem Fall eben die Gemeinschaft zählt.
Hat auch nicht Jesper Juul geschrieben, man muss ich auch immer seine eigenen Regeln setzen. Also immer hinterfragen: "Ist es MIR jetzt wirklich wichtig, dass er dieses und jenes tut oder geht es um irgendwelche Prinzipien" (a'la "Das macht man eben einfach nicht), verstehst du? Und das lechtet mir eigentlich total ein. Kinder haben doch ein Gespür dafür, ob sie jetzt in einer besonderen Situtaion sind (z.B. große KitaGruppe) oder eben innerhalb der Familie und können unterscheiden ob jetzt diese oder jene Verhaltensweisen wichtig sind. Ich weiß nicht, ich kann mich da so schwer ausdrücken.
Um auf seine These zurück zu kommen. Die Gefahr sehe ich dann eher, wenn bei den Eltern auch keine klare Linie gefahren wird. Wenn die die Erziehung genauso handhaben, dann könnte das schon sein, aber wenn die Eltern eben einen "liebevollen" und nicht den typischen "pädagogischen" Weg wählen, so kann ich mir nicht vorstellen, dass die Kinder da einen Nachteil haben. vielleicht sind das die Typischen Kinder, die in der gruppe nicht funktionieren, daheim aber superkooperativ sind, oder denen irgendwie immer ein schlechter Ruf im Kiga nachgesagt wird, obwohl sie daheim Engelchen sind. Keine Ahnung, ich weiß es nicht, aber vorstellen könnte ich es mir.
Also mein persönlicher Fazit: ich denke, dass die Erziehungsmethode der Eltern immer die überwiegende sein wird, egal, ob sie den größeren oder kleineren Teil der Zeit mit den Kindern verbringen.
Ich lass mich aber gern eines Besseren belehren, wir gesagt, das ist nur meine Einschätzung. Ich habe darüber keinerlei Fachwissen, Studien etc.
Vielleicht weiß jemand mehr?
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Ich weiß jetzt auch nicht mehr genau, ob er geschrieben hat, dass man seine Regeln hinterfragen soll. Macht aber eigentlich sinn, denn dieses"macht man nicht" wäre ja dann auch eine willkürliche Grenze, und keine persönliche. Kann mich auch grad nicht besser ausdrücken, mikasmama, aber da ich dich verstanden habe, verstehst du mich doch bestimmt auch.
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Und professionelle Pädagogen sind zwar keine Roboter, zur Professionalität gehört aber meiner Meinung nach doch auch eine gewisse Distanz zu den Zöglingen. Man muss gerade in diesem Beruf diese Distanz wahren, denn alles andere läuft direkt ins Burn-out.
Wichtig ist, dass den Eltern bei Fremdbetreuung niemals einen Ersatz für eigene Beziehungsarbeit sehen. Ich kann daher auch nix damit anfangen, wenn Eltern ihre Kinder in die Kinderbetreuung stecken, nur damit diese dort sozialen Umgang lernen. Für sozial verträgliches Verhalten ist für mich die gute Kinderstube Voraussetzung, aus dieser Verantwortung kann man sich nicht durch Fremdbetreuung stehlen. Der Aufbau des Urvertrauens in den ersten Lebensmonaten in der Familie ist nicht durch eine Institution ersetzbar, noch nicht einmal ergänzbar. Im besten Fall schadet die frühkindliche Fremdbetreuung nicht weiter, sie ist insgesamt aber kein Gewinn für die Sozialisation eines Menschen. (gemeint ist hier Fremdbetreuung vor dem Kindergartenalter!)
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Ich persönlich habe ganz andere Erfahrunge, mein Murkel kriegt soviel Zuwendung und liebevolle Behandlung in der Krippe, dass ich mir schon manchmal Sorgen mache, ob die ihn da Verziehen ;-) (natürlich freue ich mich eigentlich sehr, dass die ihn da so lieb haben) Doch tatsächlich gibt es das ein oder andere Kind dort, welches - warum auch immer - keiner richtige Bindung an eine von den Erzieherinnen zu haben scheint. Nicht das sich niemand mit ihnen beschäftigt oder so, es wirkt nur eben, als ob die nicht so richtig durchdringen Die gehen dann trotzdem gerne, ich weiß auch gar nicht, ob das nur mein subjektiver Eindruck ist. Doch dass da eine Gefahr liegt, kann ich mir vorstellen.
Ich vermute mal, das Problem wächst an je schlechter die Einrichtung, je ungünstiger der Betreuungsschlüssel ist. Ich glaub der Kampf um 'vernünftige' Kleinkinderbetreuung mit den entsprechenden Standards wird uns noch lange begleiten, leider :confuded: :roll: