Endlich komme ich mal dazu über die Geburt meiner Tochter zu schreiben, denn bisher kam ich nicht dazu. Die letzten Tage der Schwangerschaft verliefen mehr oder weniger sehr unspektakulär, was bedeutet, dass es keine Vorzeichen für eine Geburt gab, keine Wehen, nur Langeweile, die aufkommt im Hochsommer, wenn eine Hochschwangere in der Hitze zuhause auf dem Sofa rumliegen muss und nichts anderes tun kann als Gehirnjogging zu spielen und Bazillenjagd. Wie gesagt, ich saß zuhause einfach die Zeit ab, wartete, ohne mir Hoffnung zu machen auf den Starschuss, und weil ich keine Wendung der Dinge in absehbarer Zeit sah, stellte ich mir die Geburt eben vor und dachte jeden Tag mit fast meditativer Hingabe an das bevorstehende Ereignis. Im Grunde hatte ich die Schnauze voll. Aus diesem Grund trank ich auch mal abends einen Schluck Rotwein, experimentierte mit Weißwein für die Zubereitung von Aal, lief zur Straßenbahn, und erledigte freiwillig öfter Einkäufe, als dass ich eigentlich dazu in der Lage gewesen wäre. Ich weiß noch, es war sehr schwül mit Gewitter. Abends machten mein Freund und ich es uns mit einer DVD gemütlich im Bett, während es draußen donnerte und regnete. Ich muss dazu sagen, dass ich am Vortag schon leichte Wehen gehabt habe, aber nur kurz, die ich deshalb auch wieder vergaß. Plötzlich, völlig unvermittelt, machte es plopf, punkt 21:45 Uhr, so laut, als wäre ein Sektkorken an die Decke geknallt, und das Wasser rann ab fort an meine Beine herab – und das noch zehn bis zwanzig Minuten danach. Wir waren sofort in Aufruhr! Notebook vom Bett stellen; Kabel weg, durchatmen, Ruhe bewahren, Telefonieren, Krankenhaustasche suchen, Schlüssel suchen ... Hin und Her. Hektik. Panik. Keiner von uns beiden war vorbereitet.
Einfach widerlich das Gefühl mit drei Handtüchern zwischen den Beinen barfuss (denn in der Hektik die Schuhe nicht gefunden) drei Stockwerke runter zum Taxi zu laufen, wenn das Fruchtwasser noch immer die Beine herabrinnt. Ich war erst in der 38 Schwangerschaftswoche und weder ich noch mein Freund haben mit einem Blasensprung gerechnet (vielleicht hat die Akkupunktur was gebracht oder der Weißwein im Essen oder die Liebe mit meinem Freund am späten Nachmittag.) Mir war ein Nabelschnurvorfall durchaus bekannt und hatte Sorge wegen meiner Rumlauferei, weshalb der Taxifahrer den Rücksitz runterdrehte und ich so im Liegen ins Krankenhaus fuhr.
Doch ich bekam im Taxi keine schmerzhaften Wehen. Erst fünfzehn Minuten später, kurz vor Ankunft im KH, musste ich hie und da eine Wehe veratmen, doch sie blieben mittelmäßig und ich dachte schon, wow, das ist ja alles gar nicht so schlimm.
Kaum im Kreissaal, (22:30 Uhr) ging es dann richtig zur Sache. Mein MuMu war auf 7 cm, was mich dermaßen schockiert hat, denn mir war irgendwie nicht so, als würde ich jeden Moment ein Kind gebären und ich wartete mit Entsetzen auf irgendeine Art von Schmerz, obwohl die Wehentätigkeit enorm war. Und natürlich war mir bewusst, dass ich nun auf jegliches Schmerzmittel verzichten müsste – ich schrie fast: Nein! Aber dann bekomme ich ja gar keine PDA mehr!
Kaum gesagt, zogen schon monströse Wehen an von eruptivem Ausmaß, vulkanartig, wie aus der Unterwelt, die ich zu veratmen noch kaum in der Lage gewesen war. Ich hechelte wie ein Tier und dachte, verdammte Schei * , das finde ich jetzt nicht mehr so lustig, doch die Schmerzen steigerten sich von Mal zu Mal. Ich will fast behaupten, ich bekam sofort Pressdrang, nachdem ich feststellte, dass ich Wehen hatte.
Eines meiner größten Probleme bestand hauptsächlich darin, die Haare aus dem Gesicht zu ziehen, die mir immer wieder in den Mund fielen, denn ich hatte zuhause mein Zopfgummi vergessen und die Hebamme organisierte mir ein Einweckglasgummi, das einzige, was sie hätte auftreiben können, womit man vielleicht Plastiktüten zuschnüren kann, aber keine Haare! Der schnelle Geburtsvorgang machte mich dann leicht nervös. Ich bekam extreme Atemprobleme und wusste überhaupt nicht mehr, was ich tun sollte. (und registrierte zu allem Überfluss auch noch Sodbrennen!) Dauernd ermahnte mich mein Freund, die Atmung nicht zu vergessen, denn inzwischen schrie und brüllte ich aus Leibeskräften.
Bis dahin habe ich immer angenommen die Geburtsszene aus „Schlafes Bruder“ sei übertrieben dargestellt. Überhaupt alle Geburtsszenen. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich Frauen so gehen lassen. Wie gesagt – bis zu diesen Zeitpunkt. Jetzt weiß ich: Frauen – können – richtig – laut – schreien. Das Ganze ging etwa eine Stunde lang, denn dank einer unmittelbar sich einstellenden Wehenschwäche, weil mich das Brüllen so verausgabt hat, nehme ich an, musste ich mit der Schwerkraft arbeiten, mich hinknien und hinsetzen auf den Hocker, nur dort hielt ich es vor Schmerzen nicht aus. Also wieder ins Bett. Natürlich durfte ich noch nicht mitpressen, erst warten bis die Wehen wieder stärker wurden und so verstrichen viele, viele Minuten, während ich das Gefühl hatte mein Unterleib würde platzen.
Obwohl ich mit der Erwartung ins KH gefahren bin, eine Wassergeburt vornehmen zu lassen, riet mir die Hebamme bei Ankunft im KH sofort davon ab. Grund: weil ich von der Geburt völlig überrollt wurde. Demnach wäre eine Wassergeburt wohl nach hinten losgegangen.
23:45 Uhr, nach Einnahme irgendeines homöopathischen Mittelchens, merkte ich wieder bombastische Wehen. Endlich durfte ich mitpressen und diesen Teil der Geburt empfand ich als reinste Katastrophe. Ich brauchte ungefähr zehn bis zwölf Anläufe, vielleicht waren es auch mehr, denn der Kopf des Babys hatte sich irgendwo verharkt. Schon beim Pressen merkte ich sämtliche Flüssigkeiten aus mir herausspritzen. Furchtbare Schmerzattacken. Der Kopf drohte mir zu platzen vor Anstrengung – und immer wieder von vorne das Ganze. Obwohl für den Laien die Situation dramatisch aussehen muss, ist es für eine Hebamme das reinste Kinderspiel. Sie hatte die Situation voll im Griff. Sie war total locker drauf, fast schon lustig, und versuchte mich zwischendurch aufzuheitern. Da ich kaum etwas über das Pressen wusste, musste sie mich erst instruieren was ich zu tun hatte. Übrigens waren sie und mein Freund die einzigen im Geburtsraum und ich hatte dort nicht das Gefühl, mich im Kreissaal zu befinden, eher in einem normalen Patientenzimmer.
. Ich hechelte zwischen den Wehenpausen und jammerte, ich könne nicht mehr, keine Kraft mehr, alle Reserven seien erschöpft, - doch die Hebamme redete ganz ruhig auf mich ein und ermutigte mich, mit der nächsten Wehe würde sie endlich mein Kind herausholen. Inzwischen war die Ärztin hinzugekommen und da war für mich klar – jetzt kommt der Schnitt. Ich wartete darauf, während ich presste, spürte aber nichts außer die übliche Qual. 0.22 Uhr: Schon blitzte es mir entgegen, etwas bleiches mit Käseschmiere überzogenes Etwas, an dem die Nabelschnur herunterbaumelte. Ich war froh und dankbar endlich erlöst worden zu sein. Erst im Nachhinein dämmerte mir, dass ich keinen Schnitt bekommen hatte. Es ist auch nichts gerissen. Alle strahlten mich an: ein Sonntagskind!
Ohne dieser Wehenschwäche und hätte ich maximal nur zwei, drei Presswehen gebraucht, wäre Tamara sicherlich schon viel früher zur Welt gekommen, wahrscheinlich sogar schon zwischen 23:00 und 0:00 Uhr. Aber so zumindest wurde es ein Sonntagskind. Ich habe die ganze Nacht kein Auge mehr zugemacht und nur noch meine Tochter angesehen und geweint vor Freude und die Geburt verarbeitet. Im Grunde war es eine Traumgeburt. Alle beglückwünschten mich für meinen „Durchmarsch“ und ich bin wirklich froh, dass alles so schnell und ohne große Komplikationen vonstatten ging. Jedenfalls habe ich von anderen mit Blasensprung gehört, die noch sechs bis zwölf Stunden gelegen haben und sich wirklich gequält haben. Nach der Geburt meiner Tochter, und obwohl ich weiß, dass man Schmerzen vergisst und alles, war aber irgendwie für mich klar - das möchte ich nie wieder mitmachen, nie wieder.
(was ich heute noch immer denke ...;-)
Kommentare
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Du hast das "Gewaltige" das eine Geburt an sich hat sehr schön beschrieben, ich fühlte mich an meine eigenen erinnert. Diese irrsinnige Kraft (mir fällt kein besseres Wort ein) ist eigentlich auch alles, was mir in Erinnerung bleibt, die Schmerzen sind von beiden schon (fast) vergessen.
Meinen herzlichsten Glückwunsch zur kleinen Tamara noch an dieser Stelle.
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Eine tolle Zeit wünsche ich.
Gruss Dana.
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Alles gute euch beiden.
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Herzlichen Glückwunsch !
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