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Markus Grill | 29. November 2007 11:17 Uhr
Leider gibt kein Buch, keine Zeitschrift und keine Internetseite, die die Namen von Ärzten auflistet, die sich bereitwillig von der Pharmaindustrie manipulieren lassen. Was bleibt also übrig, wenn man solche Ärzte meiden will, als sich auf Mundpropaganda und eigene Erfahrung zu verlassen?
Es gibt schließlich nicht mal ein Verzeichnis jener Ärzte, die es besser machen wollen und sich an evidenzbasierter Medizin orientieren. Man kann als Patient aber den Versuch unternehmen, seinen Arzt selbst zu testen. Es ist gar nicht so schwierig, wie Sie vielleicht denken!
Achten Sie zum Beispiel beim Besuch in der Praxis darauf, ob Ihnen gleich zu Beginn ein Zettel mit „individuellen Gesundheitsleistungen“ (Igel) in die Hand gedrückt wird. Nicht alle, aber viele dieser Leistungen sind medizinisch überflüssig und reine Geschäftemacherei. Ärzte aber, die fleißig „igeln“, sind womöglich weniger an der Gesundheit ihrer Patienten als an deren Geld interessiert und vermutlich auch offener für Pharmageschenke. Also bitte nur mit Vorsicht genießen.
Beginnen Sie bei Ihrem nächsten Arztbesuch doch einfach mal darüber zu reden, was Ihnen wichtig ist. Sagen Sie Ihrem Arzt zum Beispiel, dass sie nicht auf jeden Fall ein Medikament erwarten. Wenn er Ihnen sagt, dass Ihre Symptome mit Medikament nach sechs Tagen verschwinden und ohne Medikament nach sieben Tagen, dann teilen Sie ihm mit, welche Variante sie vorziehen.
Wenn Sie nicht in einer Notlage sind und nicht dringender Hilfe bedürfen, fühlen Sie sich vielleicht auch stark genug, Ihrem Arzt ein paar Fragen zu stellen. Sie brauchen dazu kein großes Vorwissen. Sie müssen sich nur trauen. Allein seine Reaktion auf Ihre Fragen verrät schon einiges über seine Berufsauffassung. Wenn Ihr Arzt ein aufgeklärter Mensch ist und die Ansicht vertritt, dass mündige Patienten ein Gewinn sind, kann er mit Ihren Fragen umgehen. Wenn nicht, hat er es auch nicht verdient, Ihr Arzt zu sein.
- Wenn Ihr Arzt Ihnen ein Medikament verordnet, das erst neu auf dem Markt ist: Fragen Sie ihn, ob es nicht auch ein älteres Mittel gibt. Ältere Medikamente haben den Vorteil, dass sie besser untersucht sind und man ihre Nebenwirkungen besser kennt. Außerdem gibt es von älteren Medikamenten meist günstigere Kopien, sogenannte Generika, das senkt die Ausgaben der Krankenkassen und damit Ihre Beiträge. Die Pharmaindustrie verdient sich nämlich dumm und dämlich an dem Mythos, wonach ein neues Medikament automatisch besser ist als ein älteres.
- Fragen Sie Ihren Arzt, ob es belegt ist, dass das Medikament, das er Ihnen verordnet, besser ist als ein anderes Medikament.
- Fragen Sie Ihren Arzt, ob er eine Studie kennt, die die Vorteile des Medikaments belegt und ob diese Studie in einer anerkannten wissenschaftlichen Fachzeitschrift erschienen ist.
- Fragen Sie ihn, ob der Nutzen des Medikaments in einem angemessenen Verhältnis zu seinen Nebenwirkungen steht und wie es sich mit den anderen Medikamenten verträgt, die Sie einnehmen.
- Fragen Sie Ihren Arzt, was er von evidenzbasierter Medizin hält, einer neuen Richtung, die sich streng an beweisbare Erkenntnisse aus wissenschaftlicher Forschung hält (Falls Sie davon noch nichts gehört haben, sollten Sie vorher Kapitel 3 in diesem Buch lesen).
Mit diesen medizinischen Fragen können Sie testen, ob Ihr Arzt in seiner Medikamentenauswahl leichtfertig vorgeht oder ob er sich gründlich informiert.
Markus Grill arbeitet seit 2003 als investigativer Reporter beim STERN. Der gebürtige Schwabe deckte unter anderem den Ratiopharm-Skandal auf, Ärzte-Vergnügungsreisen bei Novartis, das Aspirin-Kartell und zuletzt mit seinem Online-Kollegen Malte Arnsperger die Bespitzlung beim Discounter Lidl. Für seine Recherchen wurde er mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Otto-Brenner-Preis.
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