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Übergewicht schon im Mutterleib
Von Julia Gross
In Deutschland kommen immer mehr dicke Babys zur Welt. Das macht nicht nur die Geburten riskanter – es kann auch lebenslange Probleme für die Kinder zur Folge haben. Und auch schwergewichtige Mütter sind ein Risiko: Zu viel Zucker in ihrem Blut kann das Babyhirn falsch programmieren.
Wenn Britta Veit anderen Müttern die Geburtsdaten ihres Babys nennt, verziehen diese meist mitleidig das Gesicht. 38,5 Zentimeter Kopfumfang, 58 Zentimeter Länge, 4500 Gramm Gewicht: So ein großes Kind will erst einmal geboren werden. Den ersten Satz Hemdchen und Strampler, den sie bereits gekauft hatte, konnte sie sofort wieder wegräumen – Matthias passte nicht hinein.
[[/b]Baby beim Essen: Immer mehr Kinder kommen schon dick zur Welt[/b]
Selbst wenn es der 31-jährigen Münchnerin oft so vorkommt, allzu außergewöhnlich ist das Gewicht ihres Sohnes nicht. Eine wachsende Zahl Neugeborener in Deutschland bringt mehr als das Normgewicht von 3500 Gramm auf die Waage. Das kann Manfred Voigt vom Institut für Perinatale Auxologie am Klinikum Südstadt in Rostock mit einer Studie belegen: "Der Anteil der Neugeborenen, die mehr als 4000 Gramm wiegen, nimmt seit Jahren zu, er beträgt im Moment etwa zwölf Prozent." Und Statistiken der Techniker Krankenkasse zeigen, dass die Quote übergewichtiger Neugeborener über 4500 Gramm zwischen 2004 und 2007 von 72 auf 117 pro 10.000 Neugeborene gestiegen ist.
Auch außerhalb Deutschlands ist das Phänomen zu beobachten. Sowohl in den USA als auch in Großbritannien wächst der Anteil der kleinen Riesen – mit den gleichen kurz- und langfristigen Folgen wie hier.
"Eine Geburt ist ein Spiel auf engem Raum", sagt Klaus Vetter, Chefarzt für Geburtsmedizin am Vivantes-Klinikum Berlin-Neukölln. "Wenn das Kind so groß ist, dass es nicht ins Becken passt, funktioniert sie nicht." Dann muss das Baby per Kaiserschnitt geholt werden. "Generell gilt: Ab 4000 Gramm nehmen die Geburtsrisiken ein wenig zu, ab 4500 Gramm deutlich", sagt Franz Kainer, Leiter des Perinatalzentrums der Münchner Universitätsfrauenklinik. In dieser Gewichtsklasse kommt es bei Mutter und Kind häufiger zu Verletzungen während der Geburt oder zur Sauerstoffunterversorgung des Babys.
Die Geburtsprobleme sind nicht die größte Gefahr. Mehreren Studien zufolge erkranken betroffene Kinder später häufiger an Brust und Blasenkrebs, Asthma, bestimmten Hirntumoren und Depressionen. Andere, oft lebenslange Krankheiten ergeben sich aus den Ursachen der überdurchschnittlichen Größe. Vor allem ist ein Übergewicht der Mutter schon vor der Schwangerschaft ein Risikofaktor. Das hat auch Manfred Voigts Studie gezeigt, in der er eine halbe Million Geburten in Deutschland auswertete.
Fehlprogrammierung des Babyhirns verhindern
Übergewichtige Frauen leiden häufiger unter Schwangerschaftsdiabetes. Dann enthält ihr Blut zu viel Zucker, und "das Kind nimmt von der Mutter alles, was es kriegen kann, ohne eine Rückkopplung wie 'Jetzt ist es genug' zu senden", erklärt Vetter. Den Zucker speichert das Baby in veränderter Form in seinen Organen. Obwohl die Kinder wachsen, bleiben sie unreif und erreichen oft nicht die nötige Leistungsfähigkeit.
Die anhaltende Zuckerschwemme zieht zudem einen Mechanismus in Mitleidenschaft, den man "fetale Programmierung" nennt. Die Steuerung der Nahrungsaufnahme im Gehirn ist hierbei gestört, und die Kinder werden nicht satt.
Bleibt nach der Geburt der ständige Nachschub aus, sinkt der Blutzuckerspiegel oft so stark, dass die Neugeborenen speziell ernährt und rund um die Uhr überwacht werden müssen. Im späteren Leben werden sie eher übergewichtig, erleiden häufiger Gefäß- und Herzschäden und bekommen schneller Diabetes oder einen Herzinfarkt. "Wenn man sich die Bevölkerungsdynamik anschaut, und wie viele Fettleibige es zum Beispiel in den USA schon gibt, dann kommt da ein Riesenproblem auf uns zu", glaubt der Mediziner Kainer.
Dabei wäre das leicht zu verhindern: Wird ein Schwangerschaftsdiabetes mit einem einfachen Test frühzeitig entdeckt, reicht es in 80 Prozent der Fälle aus, die Ernährung umzustellen, um die Fehlprogrammierung des Babyhirns zu verhindern. "Das erspart dem Kind womöglich die Risiken während der Geburt und den Herzinfarkt mit 42", erklärt Kainer. Bislang aber blieben "viele Fälle von Schwangerschaftsdiabetes unerkannt, weil der Test noch keine Pflicht ist", sagt der Geburtsmediziner.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung wartet derzeit noch auf die Auswertung einer weltweiten Studie, bevor sie den "oralen Glukosetoleranztest" als reguläre Vorsorgeuntersuchung einstuft und damit generell bezahlt. Er wäre eine simple, kostengünstige Maßnahme, mit der sich viel erreichen ließe. Und der den Frauen eine gewisse Sicherheit geben würde.
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Kommentare
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Mika wog ja auch 5080g (und ich 35kilo zugenommen in der SS), zucker hatte ich nicht, auch hatte ich bei ihm das gefühl, dass er nicht satt würde, sondern er war schon immer ein wenig-Esser.
Ich kenne viele übergewichtige und starke übergewichtige Frauen, die 2Kinder unter 3000g zur Welt brachten.
Ein bissle kommt der Artikel so rüber, als würde jetzt jedes Kind über 4000g mal irgendwelche Krankheiten haben. Irgendwie kommt der Artikel komisch rüber (oder ich bin zu blöd)
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Und noch was:
Rein interessehalber: worum geht es denn da? Also, um welche "spezielle Ernährung" oder besser: um welches Krankheitsbild?
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Haben sie sich sportlich betätigt, wenn ja wie viel. und sowas. Ich - als Laie- empfinde diese Punkte schon als wichtig um eine wirklich umfassende Studie zu veröffentlichen.
Mein Mann und ich wogen vor 30 Jahren auch schon beide über 4000g und unsere beider Mütter waren damals richtige Bohnenstangen. Meine Mutter wog vor der Schwangerschaft und kurz nach der Geburt unter 60kilo bei einer Körpergröße von 1,80. Alex Mutter ist zwar kleiner, war aber auch spindeldürr.
Meine Cousine ebenfalls: sie wog 4800g (und das vor 18 Jahren) oder die Schwägerin meines Opas. Deren Kinder (4 an der Zahl) wogen alle um die 12 (!!!!) Pfund! Und die sind heute auch schon erwachsen.
Gene sollte man denke ich auch nicht unterbewerten.
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Solche Artikel führen leider dazu, dass normalgewichtige Mütter den oGTT nicht machen, und so viele Fälle einfach übersehen werden...
Außerdem nervt mich die Aussage, zu den Geburtsrisiken: erst wird so getan als ob es total dramatische Auswirkungen hätte, wenn das Kind schwerer ist als der Durchschnitt, später wird dann nur am Rande erwähnt, dass es erst ab 4.500g deutlich schwieriger wird...
Naja, die genetische Disposition ist leider nachgewiesenermaßen die stärkste Einflußgröße auf das Gewicht eines Menschen...
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In die erste SS startete ich mit 49kg bei 1,67m. Unser Sohn wog 3960g und war 56cm. Auch er ist top-gesund! Ich hatte ''nur'' die üblichen Wehwehchen.
Und die ''kleine'' diesmal scheint dem in nichts nachzustehen.
Die Vererbung ist stärker als man denkt.
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Das Eine ist Diabetes, das Andere größere Kinder als früher, ohne diabetische Eltern.
Ich erinner mich an eine Diskussion, die wir schon vor ewigen Jahren im KH hatte.
Es ging genau darum.
3500g wurden "irgendwann" mal definiert und nie verändert.
Dabei war es rein evolutionstechnisch schon immer so, dass jeder Generation länger und bei der Geburt auch schwerer wird.
Dazu kommen noch die optimalen Ernährungsmöglichkeiten und Vorsorgen....keine Kriege bei uns usw.
Seid Ihr kleiner als Eure Eltern? Und sind die wieder kleiner als ihre?
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.... also total kunterbunt..
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Meine Mutter war kleiner als ihre Eltern. Mein Vater zumindest wie seine Brüder größer als seine Mutter ..wie groß sein Vater war weiß ich nicht.
Mein Mann ist größer als alle in der Familie und seine Schwester ist größer als die Mutter aber kleiner als der Vater. ;-)
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Und so passen sich natürlich auch die Becken der Frauen entsprechend an.
Ich glaube, solche Artikel dienen dazu, die 30% Kaiserschnittquote zu rechtfertigen.
Und natürlich sollte man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.
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Wobei ich eine sehr zierliche Frau kenne, die vier Kinder auch natürlichem Wege entbunden hat. Alle über 4000g schwer. Die Mutter wiegt keine 50 kg. :shock:
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Dazu muss man ja alle vermessen.
Zudem gibt es wesentlich weniger Deformationen als noch vor 50 Jahren.
Becken sind flexibel, und die Kinderköpfe auch. Zumindest das ist so geblieben.
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Ja sicher ist die Durchschnittsgröße gestiegen und natürlich werden da auch die Babies größer.
Und wollte noch ergänzen, daß die Ernährungslage selbst in den letzten sich immer noch verbessert haben muß. Was man inzwischen in der SS alles an Vitamin- und Mineralstoffpräparaten in sich reinschüttet, trägt sicher auch dazu bei, daß die Babies besser (optimal) wachsen.
Wo man sich vielleicht auch vor der Geburt drüber Gedanken machen sollte: In dem Krankenhaus, in dem ich entbunden habe, wurden bei allen Kinder schwerer als 4200 g täglich ein (oder 2? Weiß nicht mehr) Blutzuckertest gemacht. Klingt ja eigentlich wunderbar, aber für Vincent war die Pikserei eine Riesenquälerei :sad: (und war natürlich auch nix bei ihm) Wir haben keinen erblichen Diabetes bei in der Familie, die Wahrscheinlichkeit, daß sie da was finden, halte ich für verschwindend gering. Bei No 2 werde ich versuchen, mich dagegen zu wehren (vielleicht klappt's ja auch mit ambulanter GEburt oder Hausgeburt...).
Übrigens hab ich den Zuckertest in der SS machen lassen (war nix), hab nur 7 Kilo in der ersten SS zugenommen und hab nur leichtes Übergewicht. Vincent war trotzdem groß. Aber ich bin halt selber über 1.70m (und damit größer als meine Eltern) und bei uns in der Familie sind die Babies sowieso groß (und kommen eigentlich auch ohne KS schnell auf die Welt).
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Die Deutschen werden doch gerade neu vermessen, weil die Bekleidungsindustrie neue Daten braucht.
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ich hatte zwei ziemlich gleiche schwangerschaften, ausgangsgewicht von ca 50 kg, 25 kg zugenommen, ordentlich aber nicht übermässig gegessen, viel bewegt, allerdings kein sport, keine SS-diabetis, alles unproblematisch und gesund, beide jeweils ca 1 woche übertragen.
meine erste tochter war knapp über 3 kilo, die zweite 4,2 kilo.
rätzele noch immer, woran das wohl lag, ich vermute manchmal, dass die kleine schon im bauch soviel von ihrer großen schwester mitbekam, dass es ihr sicherer erschien, gleich als panzer mit ordentkichem kampfgewicht zur welt zu kommen...
hoffe nur das das nächste kind sich nicht exponentiell weiter so steigert...
allerdings waren beide geburten ok, auch der brocken passte irgentwie durch.