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Hochgezüchtet, früh geerntet und aus aller Herren Länder so haben die frischen Lebensmittel auch in unseren Läden das ganze Jahr über Saison. Aber wie gesund sind sie wirklich? Und enthalten sie noch genügend Vitamine?
Von Andrea Wengel (SWR)
Stand: 24.06.2008
Es sind immer wieder dieselben Fernsehbilder: Landwirtschaft im großen Stil, endlose Getreidefelder, riesige Monokulturen. Schädlingen wird mit Chemie zu Leibe gerückt - schließlicssen die Erträge stimmen. Obst und Gemüse sind Massenware. Doch sind das wirklich noch gesunde Lebensmittel?
Gemüse ist generell gesund
"Gemüse an sich ist auf jeden Fall ein gesundes Nahrungsmittel. Da kommt auch das Vorurteil nicht dagegen an, dass unsere Nahrungsproduktion keine besonders guten Obst- und Gemüsesorten zur Verfügung stellen kann", ist sich der Ernährungsmediziner Professor Stephan Bischoff von der Universität Hohenheim sicher. "Ich glaube, man muss da im Kopf behalten: Wie es schmeckt und was drin ist, muss nicht immer das Gleiche sein. Manchmal würde ich mir wünschen, dass der Geschmack ein bisschen besser wäre. Aber ich habe keine Zweifel, dass die notwendigen Inhaltsstoffe schon enthalten sind."
Vitaminschwund durch ausgelaugte Böden?
Doch was ist dran an den Gerüchten von den ausgelaugten Böden und dem immensen Vitaminschwund in unserem Obst und Gemüse? Vor allem im Internet halten sich solche Botschaften hartnäckig. Von Vitaminverlusten bis zu 80 Prozent ist da die Rede. "Ich denke, es gibt bestimmte Gruppen, die genau an solchen Aussagen ein großes Interesse haben", kontert der Ernährungswissenschaftler Dr. Bernhard Watzl, "mit dem Hintergrund, dass Nahrungsmittelergänzungsmittel, die auf dem Markt angeboten werden - bestimmte Konzentrate aus Obst und Gemüse - die angeblich minderwertige Qualität von Obst und Gemüse kompensieren sollen."
Natürliche Schwankungen
An der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe werden die Inhaltsstoffe von Obst und Gemüse bestimmt. Außerdem untersuchen die Wissenschaftler deren Wirkung auf unsere Gesundheit - und das schon seit Jahrzehnten. Das Ergebnis: Von einem dramatischen Vitaminschwund in Obst und Gemüse keine Spur. Selbst ein wässriger Geschmack bedeutet nicht weniger Vitamine, so Dr. Bernhard Watzl: "Es gibt natürlicherweise Schwankungen im Vitamingehalt. Wir haben unterschiedliche Quellen. Zum Beispiel ein Apfel - der kann aus unterschiedlichen Ländern kommen, aus unterschiedlichen Regionen. Jahreszeitlich gibt es Schwankungen beim Vitamingehalt. Aber diese Schwankungen bewegen sich in einem Bereich, der jetzt ernährungsphysiologisch, das heißt von der gesundheitlichen Bewertung her, absolut unbedeutend ist."
Auch die Sorte eines Apfels, um bei diesem Beispiel zu bleiben, beeinflusst den Vitamingehalt. Das ist bekannt. Aber selbst die Äpfel an ein und demselben Baum können unterschiedlich viele Vitamine enthalten.
Mehr Vitamine in tierischen Lebensmitteln
Nebenbei versorgen uns auch tierische Lebensmittel mit Vitaminen. Dort hat der Gehalt in den letzten Jahre sogar deutlich zugenommen – übrigens eine Folge der Massentierhaltung. Denn die Tiere werden mit speziellem Vitaminfutter versorgt. Auch bei der industriellen Verarbeitung, etwa zu Wurst, werden Tierprodukte zusätzlich mit Vitaminen behandelt. Zum Beispiel, um sie haltbar zu machen.
Ausgewogene Ernährung im Alltag
Kartoffelchips vor einer Tastatur
Ernährungswissenschaftler sind sich einig: Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung liefert alle nötigen Vitamine in ausreichender Menge. Die Empfehlungen, wie solch eine Ernährung aussehen sollte, kennen wir alle. Doch genau da liegt das Problem: Denn in der Alltagshektik stillen wir den Hunger allzu oft mit Kantinenessen und Fastfood. Zu den schlechten Essgewohnheiten gesellt sich bei vielen das schlechte Gewissen - die Sorge vor einem Vitaminmangel wächst.
Entwarnung - kein Mangel-Risiko
Doch müssen wir diesen Vitaminmangel wirklich fürchten, in einem Land und einer Zeit, in der wir alle Lebensmittel im Überfluss haben? An der Universität Hohenheim haben die Forscher den Vitaminstatus von Erwachsenen untersucht. Dazu haben die Forscher Blutproben entnommen, ausführliche Ernährungsprotokolle führen lassen und den Vitamingehalt der Körperzellen bestimmt. Den Probanden wurden mit einem Wattestäbchen Zellen der Wangenschleimhaut entnommen. Ein spezielles Untersuchungsverfahren zeigt, wie es in der Zelle mit den Vitaminen aussieht. Das Ergebnis: Die Wissenschaftler geben Entwarnung. Bei unseren Lebensmitteln besteht für einen gesunden Erwachsenen kaum ein Mangelrisiko.
Zitat:
Da die Vitamine so wichtig sind fürs Überleben, hat die Natur uns mit vielen Reserven ausgestattet. Beispielsweise haben wir für die meisten Vitamine die Möglichkeit zu speichern, das heißt Vorräte anzulegen für Zeiten, in denen wir vielleicht nicht so konsequent auf die Vitaminzufuhr achten. Also das Kind fällt nicht gleich in den Brunnen, wenn man mal vorübergehend etwas sündigt.
Prof. Stephan Bischoff, Ernährungsmediziner
Trotzdem: Die Essgewohnheiten könnten besser sein, sagt Prof. Dr. Bischoff: "Da könnte es natürlich schon ’mal sein, dass man in Phasen gerät, in denen die Zufuhr zu gering ist. Aber das heißt noch lange nicht, dass gleich ein Schaden entsteht.
Die Frage ist nur: Wie lange dürfen wir sündigen? Unser Körper hat zwar sehr effektive Überlebensstrategien, aber eine schlechte Vitaminversorgung schwächt auch die Abwehrkräfte. Wer lange Zeit mit seinem Ernährungsgewohnheiten Raubbau am Körper treibt, kann nicht gesund bleiben. Oder?
Prof. Stephan Bischoff versucht eine Antwort: "Das ist jetzt Hypothese, aber grundsätzlich gibts natürlich schon ein paar Hinweise, die einen vermuten lassen, dass - wenn Mangel über viele Jahre besteht - Alterserkrankungen, die uns alle ereilen, vielleicht ein bisschen häufiger und ein bisschen schneller auftreten können. Das wäre eine denkbare Sache, die muss man, ich will mal sagen: im Hinterkopf behalten."
Der Markt mit den Nahrungsergänzungsmitteln
Auch Hypothesen lassen sich gut vermarkten. Nahrungsergänzungsmittel gibt es im Überfluss. Ein Milliardengeschäft. Die Hersteller versprechen den Tagesbedarf an Vitaminen und Mineralien leicht und effektiv zu decken. Gesundheit hochkonzentriert? Bestimmt nicht, da ist Dr. Bernhard Watzl sicher: "Für den normalen Verbraucher ist es in keiner Weise so, dass eine unzureichende Ernährung allein über die Vitaminsupplemente zu einer gesunden Ernährung verändert werden könnte. Weil wir in Obst und Gemüse nicht nur viele Mineralstoffe haben, sondern wir kriegen da ein weiteres Spektrum an den sogenannten sekundären Pflanzenstoffen, die für die Gesundheit eine ganz entscheidende Rolle spielen."
Was aus der Natur kommt ist eben doch nicht so schlecht wie es oft dargestellt wird - selbst dann nicht, wenn die Landwirtschaft Massenware liefert.
Gesprächspartner
* Prof. Dr. med. Stephan Bischoff
Institut für Ernährungsmedizin
D-70593 Stuttgart
* Priv.doz. Dr. Bernhard Watzl
Max-Rubner-Institut
Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel
Haid-und-Neu-Str. 9
76131 Karlsruhe
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