Am 10.7.09, 8.15 Uhr mussten wir bei ET+12 zur Kontrolle in die Klinik. Der Muttermund war immer noch nur fingerdurchlässig mit noch stehendem Gebärmutterhals, wie schon wochenlang. Ultraschall ergibt auch nichts Neues. Unsere Maus ist ziemlich riesig, geschätzte 4.200g +/- 10% laut Ärztin, aber man ist noch optimistisch, dass die Geburt spontan klappt. Leider hat der Kopf noch keinen Kontakt zum Becken. Wir dürfen nicht mehr heim, da man die Kleine nicht noch größer werden lassen will.
Also wird mit der Einleitung begonnen, da der Muttermund noch zu ist, mit Tabletten vor den Muttermund, die diesen weicher machen sollen. ¼ Tablette morgens und eine ¼ Tablette mittags ca. 15 Uhr. Mein Schatz und ich laufen das Krankenhaus und den Garten ab, probieren x-Mal die Cafeteria aus und dürfen dazwischen alle 2 Stunden zum CTG schreiben. Ich habe alle 1-2 Minuten Wehen, aber habe nicht das Gefühl, dass sich was tut. Abends schicke ich meinen Mann mach Hause und gehe um 22 Uhr noch mal alleine zum CTG, das starke Wehen zeigt, die ich aber gut aushalte, so dass ich mich noch von der Hebamme verabschiede so nach dem Motto „bis morgen früh“. Aber so ca. 1 Stunde später fühl ich mich alleine in meinem Zimmer nicht mehr wohl, also rufe ich meinen Mann an, dass es wieder zurückkommt. Zwischen 0 und 1 Uhr melden wir uns dann im Kreissaal an. Der Muttermund ist auf 2cm auf, aber der Gebärmutterhals steht immer noch. Also laufen, laufen, laufen… An liegen ist nicht zu denken, finde ich furchtbar, da ich ständig eine Wehe nach der anderen habe und eh keine Zeit zum Ausruhen ist. Irgendwann lassen die Kräfte nach, es ist so ca. 4.30 Uhr und der Muttermund ist bei 2 cm mit etwas kürzerem Gebärmutterhals – dieses blöde, störrische Ding! Der Kopf ist immer noch über dem Becken. Ich entscheide mich für eine PDA, die ich eigentlich nie wollte, aber es tut sich so rein gar nichts und ich kann nicht mehr. Sie liegt so ca. 5.30 Uhr, nachdem mir der Anästhesist alles erklärt hat und mich über Risiken aufgeklärt hat. Das ist toll! Ich schlafe ein paar Stunden und kann etwas verschnaufen, da ich nicht jede Wehe mitkriege. Seit die PDA wirkt läuft der Wehentropf mit, dass die Wehen stärken werden. Mein Schatz kriegt mein Frühstück, dass ich eh nicht will. Ich soll wohl nüchtern bleiben, da die Hebamme nicht so sicher ist, ob nicht doch noch ein Kaiserschnitt notwendig wird. So um 11 Uhr kommt ein supernetter Arzt, der mir noch mal ganz toll Mut macht, dass ich noch ein bisschen Geduld brauche, dass die Einleitung natürlich nicht so gut funktioniert wie die Natur das hinkriegt. Und immerhin ist der Muttermund jetzt auf 4 cm und alles schön weich. Juhuuuu! Wir schicken meine Mann heim zum duschen und was essen und ich wehe alleine weiter. Ich kann wieder lachen über die Scherze der anderen. Das ist doch gut. Irgendwann nach dem Mittag bekomme ich starke Schmerzen trotz der PDA, vor allem auf der rechten Seite. Es ist so ca. 14/15 Uhr und ich darf nicht raus aus dem blöden Bett, das sie wohl Angst haben, dass meine Beine mich nicht tragen. Dann ist Schichtwechsel und meine „Geburtshebamme“ tritt auf den Plan. Sie ermuntert mich zum Aufstehen, Hocken und allen denkbaren tiefen Stellungen. Endlich darf ich mich wieder aktiv bewegen trotz PDA. Funktioniert auch ganz gut mit etwas Unterstützung durch meinen Schatz. Der Muttermund ist auf ca. 6-7 cm und der Kopf etwas tiefer. Eine Anästhesistin kommt um die PDA nachzubessern, was aber leider auch nichts hilft. Ich werde fast verrückt vor Schmerzen in der rechten Seite und bin bereit alles zu tun, dass es vorbei ist. Wir schaffen es auf 9 cm mit zurückschiebbarem Rand, aber der Kopf kommt nicht tiefer. Also nützt das auch nicht so viel. Ich bin absolut am Ende meiner Kräfte und es sieht nicht so toll aus. Das Wort „Kaiserschnitt“ fällt nicht, aber ich höre es gut zwischen den Zeilen. Es wäre mir egal gewesen. Lieber Sterben als noch endlos diese Schmerzen und das Gefühl es geht nicht vorwärts. Die Hebamme und der Arzt ermuntern mich, dass ich es noch schaffen kann und dass wir doch jetzt schon so weit gekommen wären. Es wäre schade, wenn sich der Kampf nicht lohnt.
Also verfrachten sie mich aufrecht aufs Kreisbett und bei jeder Presswehe arbeiten wir zu viert. Das rechte Bein hält die Hebamme und das linke Bein der Arzt, mein Mann drückt meinen Kopf nach vorn und der Arzt drückt mir gleichzeitig auf dem Bauch, da die Maus noch nicht richtig tief kommt, und ich schiebe aus purer Verzweiflung mit. Ich glaube gar nicht mehr, dass es klappt. Hebamme und Arzt unterhalten sich leise übers „Helfen“ (Glocke/Zange?) und ich schiebe einfach stur weiter. Der Arzt scherzt noch mit mir über „schwarze Locken“, die er schon sieht und ich kann irgendwie sogar noch darauf eingehen. Wir witzeln darüber, dass die Maus erst noch ihre Rasta-Zöpfe einflechten musste. ;-)
Der Arzt lässt mich den Kopf anfassen und ich bin tatsächlich schon weiter als gedacht. Jipihhh!
Der Kopf – so ein sturer Schädel ;-) – wird geboren ohne Verletzungen. Ein Wunder! Leider klappt das Entwickeln der Schultern nicht so ganz, so dass ich doch noch geschnitten werde. Das ist mir aber ziemlich egal in dem Moment. Ich sehe die Schere, aber es tut nicht weh. Und flopp! – Meine Maus ist draußen. Ich bekomme sie gleich auf dem Bauch, nachdem ich das blöde Krankenhaushemd los bin. Sie ist wunderschön glitschig und warm und weich und tatsächlich ist das Schlimmste sofort im Hintergrund. Ich denke nicht, dass ich diese Geburt je vergessen werde, aber das Nachdenken darüber wird mit der Zeit besser. Während der Arzt mich vernäht, genieße ich ganz unser Mäuschen. Sie wird am 11.7.09 um 19.55 Uhr geboren und hat die stolzen Maße von 4.540g, 60cm und 37,5cm Kopfumfang.
Irgendwann dazwischen schneidet mein Schatz die Nabelschnur durch und knipst natürlich fleißig seine zweite Tochter. Er darf sie baden – sie hat es nötig ;-) – und ich schaue zu, muss mich aber bald wieder setzen, da meine Beine doch noch etwas wackelig sind.
Wir genießen noch etwas die Zeit zu dritt bis der stolze Papa nach Hause fährt zu unserer „Großen“, die schon ungeduldig wartet.
Leider hat unsere Noemi eine Neugeborenen-Infektion. Sie wird über Nacht beobachtet und es zeigt sich sehr schnell, dass sich ihr Zustand verschlechtert. Sie ist sehr unruhig und schreckhaft und atmet viel zu schnell. Die Entzündungswerte und Leukozyten steigen über Nacht rasch an und nach einem Telefonat mit der Kinderklinik, die zum städtischen Krankenhaus gehört, wird sie ziemlich schnell mit dem Rettungsdienst abgeholt. Ich heule nur, weil ich mein Baby alleine lassen muss. Aber ich hab ja noch den Katheder von der PDA im Rücken stecken, da sich noch kein Anästhesist finden ließ, der ihn zieht. Der diensthabende Frauenarzt sagt mir sofort von sich aus, dass ich gehen kann. Der Anästhesist kommt und erlöst mich von der Nadel im Rücken und erklärt mir, dass ich eigentlich noch 24 Std. zur Beobachtung dableiben muss. Ich unterschreibe ihm, dass ich auf eigene Verantwortung gehe und weg bin ich.
Noemi liegt im Wärmebettchen und bekommt Infusionen mit Antibiotika für 1 Woche. Sie ist sehr schlapp und ich kann sie nicht stillen. Es ist grauenvoll anstrengend. Der Fahrtweg in die Klinik ist jeweils eine halbe Stunde und ich muss ja auch noch abpumpen alle 4 Stunden. Alles kommt nicht so richtig in Gang. Ich habe furchtbare Schmerzen beim Sitzen und beim Aufstehen…, kurz gesagt ich fühl mich wie durch den Fleischwolf gedreht. Die Naht vom Dammschnitt spüre ich kaum, aber ich habe starke Schwellungen innen in der Scheide, die mich ziemlich plagen. Ich überstehe die Fahrten im Auto nur in Liegeposition. Die Besuche in der Klinik sind die Hölle. Laufen, stehen und sitzen ist alles nur kurzfristig möglich. Dazu kommt das ständige Gebimmel der Alarme auf der Säuglingsintensivstation, das einen fast verrückt macht. Aber jeden Tag geht es etwas besser und die Behandlung von Noemi schlägt gut an. Am Donnerstag wird sie auf die normale Säuglingsstation verlegt und ich bleibe von Freitag bis Sonntag bei ihr und nutze das Rooming-in. Das Stillen klappt mal besser mal schlechter, manchmal schreit sie meine Brust nur an. Sie schläft auch ständig ein, da es ihr wohl zu anstrengend ist. Außerdem nervt der Schlauch von der Infusion. Man fühlt sich wie ein Hund an der Kette. Am Sonntag können wir endlich abends nach Hause.
In der ganzen Zeit werde ich von meiner Nachsorge-Hebamme sehr gut unterstützt. Sie versorgt mich mit allen Infos ums Abpumpen und kümmert sich auch um mich ganz toll. Gott sei Dank!
Noemi muss noch 3 Tage Antibiotika als Saft einnehmen, der ziemlich viel durcheinander bringt. Sie bekommt Durchfall und spuckt viel, aber Mittwoch ist das endlich vorbei und es kehrt langsam Ruhe ein. Sie trinkt leider nicht genug und ich hab wohl deshalb auch nicht genug Milch, da sie immer gleich wieder einschläft. Also pumpe ich jetzt wieder nach und füttere ihr den Rest mit der Flasche und versuche so die Milchmenge zu steigern. Ganz ohne Zufüttern kommen wir noch nicht aus, da sie gleich noch mal zuviel abgenommen hat, aber es wird langsam besser. Sie trinkt länger und ich brauche eben einfach mehr Geduld. Bin schlecht im Warten. ;-) Was das Schlafen betrifft ist sie dafür viel pflegeleichter als unsere erste Maus. Die wollte nie schlafen. Noemi schafft schon auch mal ein paar Stunden am Stück in der Nacht.
Heute ist sie 16 Tage alt und sie ist ein kleiner Sonnenschein! Alle Mühe lohnt sich, wenn man in dieses kleine Gesichtchen schaut!
Jetzt hab ich etwas mehr als nur die Geburt mit aufgeschrieben, aber irgendwie gehört die ganze Geschichte doch zusammen.
Kommentare
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Es kann, denke ich, nur besser werden, ziehe aber jetzt schonmal meinen Hut vor deiner Leistung!!!!
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Das war ja ein hartes Stück arbeit. Aber nun genießt gemeinsam die Zeit
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Es hat mich vieles, vieles an die Geburt meiner Tochter erinnert und ich sitze hier grade mit Tränchen in den Augen. Die Einleitung, der hartnäckige Muttermund, die PDA, die Schmerzen auf der linken Seite (bei mir), die mich wie ein Messer durchbohrten, der drohende KS, das "Bearbeiten" der Hebammen und der Ärzte meines Bauches und zwischen den Beinen, die anschliessende Zangengeburt... dann der Aufenthalt im KH als sie die Gelbsucht hatte usw.
Ich wünsche euch von ganzem Herzen, dass es ab jetzt ruhiger wird und ihr eine wunderschöne (Still)Beziehung aufbauen könnt!
So eine knuffelige kleine, große Maus.
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Und vom Geburtsmarathon mit eingeleiteten Wehe fühlte ich mich stark an Mareks Geburt erinnert. Dieses ewige Warten und laufen für ein paar läppische cm Muttermund, das kostet nicht nur Kraft sondern auch Nerven!
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danke für den schönen Bericht,mir liefen die Tränen runter,und hoffe das ihr schnell alles verarbeitet habt,und jetzt um so mehr die Zeit genießen könnt.
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Ich sitze gerade mit meiner Maus vor dem PC und sie beobachtet schon ganz genau was ich mache. :biggrin:
Es geht uns schon viel besser und die schlechten Startbedingungen rücken immer mehr in den Hintergrund. Mir geht es sehr gut. Ich muss mich eher bremsen, dass ich es nicht übertreibe. :shock:
Noemi ist fit und macht uns superviel Freude!