Familien-Hausgeburt

NukaNuka

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bearbeitet 16. 08. 2009, 02:19 in Geburtsberichte
Der kleine Herr in mir ließ sich mächtig Zeit, so wie seine Schwester auch schon. Ich hatte nichts anderes erwartet, trotzdem geriet ich unter Druck. Mit meiner Hebamme konnte ich aushandeln, erst ET+11 ins Krankenhaus zwecks Wehenbelastungstest zu gehen. ET+11 war der Ultraschalltermin, ich glaube aber, dass ich schon ET+14 war. Ich hatte für besagten Tag einen Termin im Kreisssaal gemacht und war kreuzunglücklich darüber. Der Wecker stand auf 6:30 h, ich wälzte mich voller Unmut hin und her, wollte gar nicht aufstehen. Um 6:37 h merkte ich eine Wehe, kaum spürbar, ganz sanft. Ich war ganz aufgeregt, eine Freudenträne lief mit die Wange hinunter. Und doch konnte ich es noch nicht fassen. Ich wartete also zwanzig Minuten um es glauben zu können: alle paar Minuten tat sich etwas. Ich war die Ruhe selbst, wusste ich doch von der ersten Geburt, alle paar Minuten heißt nichts, dauert trotzdem den ganzen Tag. Die Wehen waren auch wirklich noch ganz leicht.

Ich weiß es nicht mehr so genau, schätzungsweise gegen 7:30 h rief ich im Kreisssaal an, um mitzuteilen, dass ich nun selber Wehen habe und deshalb nicht käme. Die Hebamme am Telefon versuchte noch etwas „Konversation“ zu machen, von wegen, wenn die Wehen gingen, sollte ich trotzdem kommen, wg. Terminüberschreitung und wenn sie nicht gingen, müsste ich ja beim zweiten wissen, wann ich kommen müsse... Ich sagte nur, dass ich dann käme, wenn ich es für notwendig hielte. Das war ja keine Lüge, ich wollte aber immer noch nicht sagen, dass ich eine Hausgeburt geplant hatte. Ich konnte mir zu dem Zeitpunkt immer noch nicht wirklich vorstellen, echt zu Hause zu entbinden. Ich wollte schon, aber irgendwie war die Vorstellung befremdlich.

Natürlich rief ich auch meine Hebamme an, gegen 9:00 h, um sie nicht zu früh zu belästigen. Aber ich musste ihr ja schließlich sagen, dass ich zu Hause blieb und das Kind sich auf den Weg machte. So ganz glaubte sie mir das nicht, wohl weil ich so fröhlich am Telefon vor mich hinträllerte. Ich höre mich nicht an, als hätte ich Wehen. Sie wollte das genauer wissen, da sie einen Ausflug mit ihren Kindern geplant hatte. Ich sagte, wahrscheinlich dauerte das noch den ganzen Tag. Trotzdem disponierte sie in Punkto Kinderbelustigung irgendwie um.

Mädels, fragt mich nicht mehr nach den genaueren Begebenheiten an diesem Tag. Entsetzlich, dass ich soviel einfach nicht mehr weiß oder rekonstruieren kann. Obwohl ich doch versucht habe, alles ganz intensiv wahrzunehmen.
Fakt ist, mein Mann jubelte „Ich hab endlich Urlaub“ und buk einen Kuchen. Irgendeinen Apfelkuchen. Zu Mittag machte er Gulasch mit Nudeln, meine ich, irgendwas was irgendwie viel zu scharf geraten war.
Ich putzte. Wie schon die letzten Wochen. Wegen der geplanten Hausgeburt war ich ständig am Putzen und aufräumen. Wenn ich nicht gerade auf dem Sofa lag, weil es mir ja so schlecht ging. Wahrscheinlich lag der Kleine auf irgendwelchen Nerven und verpasste mit ständig Schmerzen, die sich wie Stromschläge anfühlten, in den Beinen. Jetzt war das wie weggeblasen, mir ging es gut. Ich war die Ruhe selbst und sehr mit mir im Reinen. Ich schrubbte also das Bad, ich erinnere mich, wie ich in der Wehe beckenkreisenderweise das Waschbecken schrubbte. Die Wehen waren spürbar, aber nichts, was mich hätte stören können.
Um genau 12:00 h starteten wir einen Spaziergang. Außer Haus störten die Wehen mich auf einmal. Ich guckte auf meine Handyuhr, alle drei Minuten kamen sie. Ich musste auch immer stehen bleiben, weil sie doch etwas weh taten. Ich denke aber, das Hauptproblem war, dass ich nicht zu Hause war. Meine Gedanken kreisten ständig darum, ob es sein könnte, dass die Wehen so stark würden, dass ich nicht mehr laufen könnte. Mein Mann müsste mich alleine zurücklassen um das Auto zu holen, oder den Krankenwagen rufen, der mich dann sicher nicht einfach nach Hause fahren würde. Taxi? Was, wenn das Kind hier einfach aus mir herausflutscht? Spazieren war also nichts, da war ich echt unentspannt.
Zu Hause angekommen erstattete ich meiner Hebamme Bericht. Was konnte ich ihr sagen? Beim Spazieren alle drei Minuten unangenehme Wehen, hier zu Hause, habe ich wieder völlig nebenher geweht. Ich konnte ihr keine genauen Anhaltspunkte für ihre Tagesplanung geben. Sie meinte, ich solle doch mal in die Wanne gehen.
Ich hatte sowieso eine Wassergeburt im Hinterkopf, also ab in die Wanne. Schön. Keine Wehen mehr. Tja. Meine Tochter wollte auch mal kurz mit rein. Jo. Nett, aber der Geburt irgendwie nicht förderlich, wieder raus.
Meine Tochter. (27 Monate alt). Die fand es super, sie war aufgedreht, Papa war zu Hause, die Stimmung war entspannt und gleichzeitig war Leben in der Bude. Man, also auch sie, merkte, dass etwas Besonderes geschah.
Meine Hebamme war an dem Tag auch mehrmals da (grübel.... morgens, mittags, nachmittags ist sie geblieben), sie wohnt nebenan, deshalb war das möglich. Wenn die Hebamme da war, war meine Tochter sowieso immer ganz aufmerksam und interessiert.
Generell muss ich noch mal betonen, dass ich die Ruhe selbst war. Hätte ich nie gedacht, so sehr wie ich mir vor der Geburt vor selbiger in die Hose gemacht habe. Mir ging es auch gut und es war einfach alles total natürlich. Nach meinem Bad habe ich mich gar nicht mehr angezogen und bin nackig rumgelaufen. Abgesehen davon, dass es heiß war, war mir irgendwie danach. Inzwischen musste ich in den Wehen doch mal Pause von der Hausarbeit machen (der Vollständigkeit halber muss ich erwähnen, dass ich in Gedanken voll bei dem Baby war, nicht bei den Socken), ich erinnere mich, wie ich (nackig) am Wäscheständer stand und meine Hebamme neben dem Kuchen saß und die Länge meiner Wehen maß. Sie wollte wissen, ob sie länger als eine Minute waren, sie glaubte mir wohl immer noch nicht so recht. Sie sah mir die Wehe auch immer noch nicht so an, ich musste sagen, wann sie begann und wann sie endete ;-)
So gegen 16:00 h ging ich mal wieder in die Wanne. Schade, keine Wehen. Doch, es kam mal eine, aber da wusste ich gar nicht, wie ich mich in der Wann halten/verhalten soll. Ich fand keine gute Position, die Wehe war fieser als an Land und ich fühlte mich einfach nicht wohl. Das Thema Wassergeburt hatte ich damit abgehakt.
Ganz unterschwellig kam eine gewisse Unruhe in mir auf. Ich merkte, dass es auf den Endspurt zu ging. Ich rief meine Hebamme an, sie solle doch noch mal kommen und dann bitte bleiben. Jetzt wollte ich doch so langsam nicht mehr alleine sein.
Nun habe ich den Luxus, die Aufzeichnungen meiner Hebamme als Gedankenstütze zur Hand zu haben. Somit kann ich im folgenden genaue Zeitangaben machen ;-)
Die Aufzeichnungen (kursiv) beginnen bei
17:40 h: Befund 7 cm, Kopf abschiebbar, Fruchtblase steht, Herztöne 143, sie spaziert, mäßige Wehen, sie hatte mehrmals Durchfall , ist unschlüssig.
Ich wandere unseren 13 m langen Flur auf und ab, an der einen Hand meinen Mann, an der anderen Hand meine (inzwischen auch nackte) Tochter. Ich renne oft auf Toilette, weil ich einfach Druck auf dem Darm habe. Inzwischen finde ich die Wehen ätzend, komme damit aber sehr gut klar. In der Wehenpause ist alles gut.
18:10 h Toilette
18:00 h HT 140, Hebammenschülerin anwesend, sie läuft

Ich verbringe meine Zeit also mit sinnlosen Toilettengängen und wandern. Die Hebammenschülerin, die bei meiner Hebamme Praktikum macht, kommt dazu, während ich nackig im Flur hin und her laufe. Ich finde die Wehen immer noch nicht so wild, lästig, ätzend, aber nicht schlimm. Ich arbeite auch ganz konzentriert und ruhig in den Wehen mit meinem Kind. Meine Hebamme und die Hebammenschülerin fragen verwundert, ob ich bei der ersten Geburt auch so ruhig war und so „nebenbei“ zu wehen geschienen habe. Nein, da war es anders. Da bin ich in Selbstmitleid ertrunken, obwohl der Schmerz sicher nicht stärker war als nun.
Warum meine Hebamme sich umzieht ist mir noch schleierhaft. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich in Kürze ein Kind zur Welt bringe, das dauert doch noch ein paar Stunden.
18:45 h. HT 148
19:05 h HT 132, Wehen nicht so richtig , Globuli xxx

Meine Hebamme, die bis jetzt einfach nur irgendwie anwesend war (ich dachte zwischenzeitlich, wofür habe ich eigentlich eine Hebamme, wenn die nichts macht ;-) ) fängt an mich in bestimmten Zeitabständen mit Globuli zu füttern. Einige hat sie in der Wasserflasche aufgelöst, jedes Mal bevor ich daraus trinke, muss ich sie 10 mal, oder so, schütteln. Für meinen Mann ist das ja nix, der verdreht bei so einem Hokuspokus die Augen. Ich finde es auch, na ja, wenn es meine Hebamme glücklich macht...
Meine Hebamme massiert mir den Rücken mit einem Öl. Natürlich will meine Tochter mitmachen und so massiert schnell sie mir in den Wehenpausen den Rücken.
19:15 h : HT 140, Wehen werden immer kräftiger
19:20 h : Ball
19:35 h : HT 140
19:40 h : Toilette, es geht ihr gut, sie trinkt, ist genervt, es geht alles sehr zögerlich, „gemütlich“

Inzwischen finde ich Wehen echt doof, ich habe auch wieder diese penetranten Rückenschmerzen und weiß nicht so recht welche Position ich einnehmen soll. Ich teste mal den Ball an. Ich hatte mal Übungswehen mit Rückenschmerzen, da hat mir der Pezziball sehr gut getan. Unter der Geburt bringt er irgendwie nichts. Vorallem habe ich das Gefühl auf dem „Ausgang“ zu sitzen und das Kind wieder zurückzuschieben. Irgendwie stört da auch was beim Sitzen. Und dieses elende Klumpgefühl im Enddarm, ich muss doch bestimmt noch mal groß aufs Klo, warum kommt da nichts? Ich schnall zu dem Zeitpunkt einfach noch nicht, wie weit die Geburt schon ist. Ich „halte noch fest“. Ich sage, ich schaffe es bestimmt noch bis nach Mitternacht. Nein, nein, sagt die Hebamme, ich müsse nur loslassen. Sie will die Fruchtblase öffnen, ich will das nicht. Ich will keinen Eingriff, außerdem habe ich doch Schiss, dass der Schmerz dann auf einmal schlimmer in der Wehe wird. Ok, ok, ich klemme, habe Angst vorm letzten Schritt. Ich fühle mich auch nicht mehr wohl, ich bin wie benebelt, ich beginne zu frieren. Hebamme und Hebammenschülerin ziehen mir meine Socken an, während ich (natürlich immer noch nackig) auf dem Ball sitze.
20:00 h : sie sitzt noch auf Toilette, Stuhlgang, HT 132
Stuhlgang kann man das nicht nennen, eine vernachlässigbare Größe, mir unverständlich, es drückt doch so. Ich soll mich mal richtig tief ins Klo hineinfallen lassen, das Kind soll runterkommen. Mir ist das aber doof, irgendwo im Hinterkopf denke ich ja schon, Kind könnte ins Klo fallen.
20:03 h : HT 140, 4-Füßlerstand, Blasensprung*, Fruchtwasser läuft klar* (*hinterher durchgestrichen)
Ich knie mich an das Fußende des Bettes. Mein Mann hat die Gartenstuhlauflagen geholt, damit ich mich darauf knien kann. Meine Tochter lümmelt sich auf den restliche Unterlagen herum, wild auf dem Bett tobend und zwischendurch mit der Hebammenschülerin oder meinem Mann spielend. Sie hat einen Heidenspaß.
Irgendwie tröpfelt es, ich hole die Klopapierrolle, weil ich ständig das Bedürfnis habe, es wegzuwischen. Meine Hebamme fragt, ob es Urin oder Fruchtwasser ist. Ich rieche, riecht nicht nach Pipi, ich probiere, nein. Meine Hebamme findet meine Wischerei nicht so ideal und beginnt unter mir alles mit Wickelunterlagen und Hygienevorlagen auszustatten. Damit ich einfach alles laufen lassen kann. Das mache ich auch, ich drücke und ein Rinnsal kommt heraus. Fragt mich nicht, ob ich in mein Schlafzimmer gepinkelt habe, oder ob es doch Fruchtwasser war.
20:08 h : HT 130
20:14 h : MM 8-9 cm
20:18 h : Frau sitzt auf Hocker, Amniotemie, HAT 130, FW läuft klar

Meine Hebamme legt mir den Gebärhocker nahe. Schrecklich! Ich verstehe gar nicht, dass es Frauen gibt, die ihn mögen! Ich kann überhaupt nicht darauf sitzen, wohin mit meinen Beinen? Meine Beine schlafen ein, ich fühle mich extrem unwohl, ich fange an zu hyperventilieren (leider eine kleine Macke meinerseits bei Unwohlsein). Ich will nicht mehr, im KH würde ich sagen „Ich will nach Hause“, hier kann ich nur sagen „Ich will ins Bett“ Ich bin müde, ich will nicht mehr. Ich habe einen Durchhänger. Meine Hebamme sagt, sie würde doch jetzt aber gerne die FB öffnen, sie wisse das ich das nicht wolle. Widerwillig maule ich eine Zustimmung, jetzt ist meine Stimmung im Keller. Es wird was gemacht was ich nicht will und der Hocker ist scheiße. Das FB-Öffnen ist unangenehm. Ich soll schieben, ich find es unsinnig, ich sage, das Kind ist noch total weit oben, das hat keinen Sinn. Ich verstehe nicht, das das Kind so runterkommt. Ich bin überzeugt, es dauert noch Stunden und deshalb voll entnervt, weil die Geburt nun doch schon anstrengend ist.
Meine Tochter liegt vor mir bäuchlings auf einer Gartenstuhlauflage, den Kopf in die Hände gestützt. Sie schaut meinen Aktivitäten auf dem Hocker zu und sagt belustigt „Mama macht Kaka aus dem Popo“... Ich korrigiere, dass da ein Baby rauskommt. Erst später korrigiere ich auch noch, dass das Baby aus der Scheide kommt. ;-)
20:24 h : Wehen werden zunehmend stärker, HT 126, 4-Füßlerstand.
Wieder vors Bett. Mein Mann sitzt oben, meine Tochter auf dem Schoß, ich halte mich an seinen Armen fest.
20:28 h : HT 130
20:35 h : HT 134, MM bis auf Saum vollständig, Kopf in Beckenmitte, PN (Y), Wehentakt ~2 min, Frau schiebt in jeder Wehe mit
20:41 h : HT: 130

Jetzt geht es doch ans Eingemachte, das wird mir nun auch klar. Die Wehen entwickeln sich zu Schmerzen, die ich mir in ihrem Ausmaß nie hätte vorstellen können. Ich war total entsetzt. Das tut ja soo weh. Aber es war ein seltsamer Schmerz, er war nicht schlimm. Aber einfach nur gigantisch. So ganz glauben, dass die Geburt kurz bevor steht, kann ich immer noch nicht. Ich warte auf den vielbesagten Pressdrang. Wie oft habe ich von Frauen gehört, sie hätten einfach nicht mehr anders gekonnt als zu pressen. Ich habe das nicht. Nicht so, wie ich es immer den Beschreibungen entnommen habe. Immer wenn so langsam eine Wehe kommt, fange ich an zu drücken, schieben, was auch immer – im Zweifelsfall einfach so, wie auf Toilette. Dann mitten in der Wehe, während ich so drücke, ist es auf einmal, als würde ein Schalter umgelegt – und mein Körper übernimmt die Führung, ich kann nicht mehr anders, es überwältigt mich, ich bin nicht mehr Herrin der Lage, das Kind schiebt sich einfach durch den Geburtskanal. Ich höre sogar auf zu schieben, und trotzdem macht mein Körper einfach weiter. Ja, ich höre auf, ich klemme noch, das letzte Stück ängstigt mich doch immer noch. Die Schmerzen sind so arg, wenn das Kind durchtritt, wird es doch bestimmt noch arger.
Das einzige Mal „Aua“ gesagt habe ich übrigens, als meine Hebamme mir die heiße Kaffeekompresse unten dranhielt. Ich weiß nicht, ob es an der Temperatur lag, oder weil vielleicht schon der Damm angeratscht war oder gar dem Überraschungseffekt. Das tat richtig fies weh, schon seltsam, bei den Wehenschmerzen wäre ich nie auf die Idee gekommen „Aua“ zu sagen.
Dann passiert etwas, das ich nie gedacht hätte, ich werde laut. Hauptgrund dafür ist, dass ich immer noch klemme und nun versuche mich zu entspannen. So seltsam es klingen mag, wenn ich schreie, lass ich locker. Ich schreie unglaublich laut (war hinterher heiser), das Gesicht in die Matratze versenkt.
Meine Hebamme fragt, ob ich nicht mal den Kopf anfassen will. Eigentlich will ich nicht, widerwillig lasse ich kurz meinen Mann los, an dessen Armen ich mich immer noch festkralle. Aber das geht gar nicht, ich japse, dass ich meinen Mann nicht loslassen kann. Ich brauch den Halt, psychisch und physisch.
Auch fragt meine Hebamme, ob mich meine auf dem Bett hopsende Tochter nicht stört. Nein. Sie ist total wichtig bei der Geburt. Sie gibt mir total viel Kraft und ich will auch, dass sie es sieht, damit sie weiß, dass das Baby zu uns gehört.
Das Ganze ist ein hartes Stück Arbeit. Ich fange an zu schwitzen, ich bin außer Atem, mein Herz rast. Da denke ich plötzlich, „wenn das jetzt noch anstrengender wird, dann schaffst Du das nicht“ Mir wird klar, ich darf keine mehr Zeit verlieren, ich darf nicht mehr klemmen und Energie vergeuden, das Kind muss jetzt raus.
Was soll ich sagen, ein oder höchstens zwei Wehen später war der Kopf draußen. Ich persönlich kann die Aussage meiner Hebamme „Fühlt sich an, als würde man einen Kürbis kacken“ nicht unterstreichen, dennoch muss ich sagen, ich dachte, meine Beckenknochen werden auseinandergesprengt. Ich war mir sicher, einen riesigen Krater in mir zu haben.
Als der Kopf draußen war, war unglaublich viel Druck weg. Es spannte nicht mehr so.
Die Hebammen hörten Herztöne und sagten „Der lässt sich durch nichts beirren“ Sie zwitscherten fröhlich, wie süß er blubbere, habe er doch Blässchen vor dem Mund. Ich wage eine Blick hinter mir in den Schlafzimmerspiegel. Das Licht ist sehr dämmerig, deshalb sehe ich nicht gut. Aus meiner Scheide guckt ein riiiiesiges etwas. Das soll der Kopf meines Babys sein? Ein knubbeliges Ding, ja was sind denn das für Knubbel am Hinterkopf? Das frage ich auch und mein Mann sagt „Das ist das Gesicht“ Ach ich sehe im Spiegel das Gesicht des Kindes? Ich schnall das nicht so recht und denke, er sei ein Sternengucker. Und ein verdammt hässlicher dazu. So knubbelig. Und wie er da kopfüber hängt, die Scheide um den Hals, ich habe ja Angst ihn zu würgen. Das riesige Ding ist da aus mir rausgekommen? Auch die Hebammen wetten um den Kopfumfang.
Ich bin der Meinung, er müsse da jetzt ganz raus, so kann er ja nicht bleiben. Mir geht es auch total gut, ich bin ganz klar im Kopf und völlig schmerzfrei. Fühlt sich vielleicht etwas seltsam im Schritt an. Tja, schmerzfrei, ich habe keine Wehen mehr! Eben noch kamen sie ständig und nun? Wir warten. Ich lasse meinen Mann los, stütze meinen Kopf in die Hand und scherze etwas rum. Mir kommt die Warterei lang vor. Endlich kommt eine Wehe, aber sie erscheint mir zu schwach. Ich merke das Rumgeporkel der Schultern, denke, was macht die Hebamme denn da? Wieder kommt der blöde Spruch der Hebamme aus dem GVK bei meiner Tochter hoch „Die Schultern sind noch mal richtig schwer“ Der Spruch hat mich schon unter der ersten Geburt in Angst und Schrecken versetzt. Nun denke ich wieder, die Schultern passen nicht, die Hebamme versucht sie bestimmt rauszuporkeln. Natürlich hat meine Hebamme nichts gemacht, sondern das Kind hat einfach seine Schultern lehrbuchmäßig gedreht um rauszukommen. Hinterher ist man immer schlauer...;-) Nun ja, ich denke also, Kind passt nicht raus und fange ganz praktisch an zu überlegen, wie ich wohl am besten im Krankenwagen fahre, wenn ein Kopf aus mir rausguckt, was die im KH denn überhaupt tun können, KS ist doch zu spät.. dabei bin ich ganz ruhig und entspannt, nicht panisch oder so. Das ganz muss sich in Sekundenschnelle abgespielt haben, denn dann war das Kind auch schon da ;-)
20:47 h : Spontangeburt.
Er liegt zwischen meinen Beinen auf dem Boden. Es ist dunkel. Ich sehe nicht viel. Er liegt da, fremd, bei weitem nicht so schön, wie seine Schwester von Anfang an war. Er schaut mich an, aber ich sehe seine Augen nicht, weil es so dunkel ist da unten ist. Wie ein Roboter erfülle ich meine Pflicht und beuge mich hinab um ihm den doch so wichtigen ersten Körperkontakt zu geben, Wange an Wange. Das ist unbequem, ich nehme ihn also einfach hoch (mensch, ist ein Neugeborenes wackelig), stehe auf und steige mit ihm aufs Bett. Hebammenschülerin. „Unglaublich wie fit sie ist“
Laut den Aufzeichnungen meiner Hebamme kam um 21:10 h die Plazenta und ab 21:15 h haben wir gestillt.
Unser Sohn wog 4160 g auf 54 cm und hatte einen KU von 36,5 cm.
(Mein Sohn hat sich übrigens recht schnell zu einem unglaublich hübschen Kerl entfaltet.)
Ich hatte einen Dammriss 2.Grades, den meine Hebamme genäht hat. Geschockt hat sie mich mit "Mal sehen wie schlimm der Riss ist, nicht, daß wir noch ins KH mussen zum Nähen" Das ist fantastisch verheilt, schon nach kürzester Zeit war ich wieder wie neu, bzw. früher.

Während wir uns gegenseitig etwas kennengelernt haben, aßen die Hebammen Kuchen. Zwei Stunden nach der Geburt sind sie gegangen und nur noch zwei volle Müllsäcke zeugten vom Geburtsgeschehen.

Unsere Tochter, war von Anfang an völlig fasziniert von ihrem Bruder. Sie hat auch alles mitbekommen, saß beim Papa auf dem Schoß. Nur ganz zuletzt muss sie sich wohl unter der Decke versteckt haben mit der Begründung, sie wolle schlafen. Ich bin mir aber sicher, das Erlebnis hat ihr nicht geschadet, sondern war der Bindung zu ihrem Bruder sogar sehr zuträglich. Zumindest hat sie bis heute noch nicht gefragt, wann der Kurze endlich wieder geht.
Auch meine Katze hat in der Austreibungsphase mal kurz vorbeigeschaut und sie mag den Kurzen beinahe. Von Anfang an war seine Nähe ok. Als ich mit meiner Tochter aus dem KH kam, habe ich die Katze monatelang nicht mehr gesehen. Heute noch läuft sie vor meiner Tochter weg.
Mein Mann fand die Geburt besser als die KH-Geburt, weil er nicht so untätig und viel besser involviert war. O-Ton „Ich fand´s super“
Ich habe die Hebammenschülerin gefragt, wie ihre erste Hausgeburt war, ob es sehr anders als im KH sei und sie antwortete „Ja total anders, viiiiel schöner, die Atmosphäre und einfach alles“

Ich hatte Angst vor einer Hausgeburt – ich hatte aber viel mehr Angst vor dem KH. Wenn ich nur an die ganzen Routinemaßnahmen und Interventionen denke... hiiiiilfe!
Nicht eine Sekunde habe ich zu Hause gedacht, im KH besser aufgehoben zu sein. Ein Umzug war für mich gar keine Option, ach, ich habe noch nicht mal ans KH gedacht. Erst in den paar Sekunden, als die Schulter auf sich warten ließ, und selbst da war ich ja ganz abgeklärt, wenn auch etwas wirr, in meinen Gedanken.
Ich habe nun die Erfahrung gemacht, dass Kinder kriegen einfach ist, das geht von ganz alleine. Das ich es zum Schluß irgendwie ätzend fand, liegt in meiner Natur, maule gerne rum.

Ich kann eine Hausgeburt nur jeder Familie ans Herz legen.

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