Ich finde, Laya hatte völlig Recht mit ihrem Einwand, dass wir den Mauerfall-Thread mit unserer Obdachlosen-Diskussion kaputt machen. Deswegen möchte ich hier auf Franziskas Einwände antworten. Kurz dazu, was geschrieben wurde:
Gretchen:
"Andersherum ist es in der BRD nicht so, dass jemand obdachlos sein und seinen Lebensunterhalt mit betteln bestreiten MUSS. Das ist immer und in jedem Fall die freie Wahl des jeweiligen Menschen. Auch wenn man z. B. bedingt durch Alkoholismus und Drogenkonsum natürlich nicht immer von einer freien Wahl sprechen kann. Letztendlich liegt es aber trotzdem an dem Obdachlosen selbst, ob er auf der Straße lebt oder nicht. Er hat die Wahl, ohne dass ihn jemand weg sperrt."
Franziska:
"hmm, ich finde, das hat jetzt nicht mehr so sehr viel mit dem eigentlich mauerfall zu tun und ist ja wohl eher ein gesellschaftliches problem, vor dem gern die augen verschlossen wird.
das sehen die betroffenen sicherlich anders. ich im ürbigen auch, selbst mit der von dir getätigten einschränkung bei vorliegendem suchtverhalten.
Letztendlich liegt es aber trotzdem an dem Obdachlosen selbst, ob er auf der Straße lebt oder nicht. Er hat die Wahl, ohne dass ihn jemand weg sperrt.
*sarkasmus-modus-on*
stattdessen wird er lieber weggescheucht von örtlichen plätzen/einrichtungen, damit die gesellschaft ihn nicht wahrnimmt und sich ihres überflusses auch bloß nicht bewusst werden muss.
*sarkasmus-modus-off*"
Gretchen:
"Viele Betroffene sehen das eben nicht anders, auch wenn uns das schwer fällt zu glauben. Viele haben sich dieses Leben auf der Straße wirklich ausgesucht. Es gibt nämlich immer noch Obdachlosenheime für den Übergang, Sozialhelfer, Ärzte, Kirche, Verbände, die sich danach um Unterbringungen in Wohngemeinschaften kümmern, die genau zu dieser Problematik des Suchtverhaltens helfen, wenn es funktioniert werden auch Wohnungen gestellt. Sie haben Anspruch auf Unterhalt im Monat, wenn es ihnen nicht möglich ist, die Formulare etc. auszufüllen, gibt es dafür Helfer, die das übernehmen. Es gibt ein dichtes, soziales Netz. Um diese Menschen wird sich gekümmert, wirklich. Sie hauen (zum größten Teil, um Gottes Willen - ich will nicht alle über einen Kamm scheren!) aber immer wieder ab, die holen sich noch nicht einmal das Geld ab, was ihnen zusteht und gehen lieber betteln. Sie WOLLEN einfach NICHT und das sage ich jetzt ohne Wertung, weil es deren Leben ist und es ihr GUTES RECHT, sich dieser Gesellschaft zu verschließen und nicht zu wollen.
Aber aus diesem Grund bin ich dann auch der Meinung, dass man Obdachlose auch nicht überall dulden muss. Ich möchte z. B. keinen betrunkenen Menschen mit eingenässter Hose vor meiner Haustür liegen haben. Und dass, obwohl ich eindeutig kein schlechtes Gewissen gegenüber diesem Menschen empfinde. Warum auch. Er hat die Wahl. Immer noch. Und wenn ER nicht was ändern will an seiner Situation, wer soll es dann für ihn übernehmen?
Ich finde oft, dass die Vorstellung von Obdachlosen bei den meisten ein wenig einseitig ist, wenn nicht sogar ein wenig romantisch. Da wird gern der Gesellschaft die Schuld gegeben. Und das stimmt definitiv so nicht."
Franziska:
"Ich finde oft, dass die Vorstellung von Obdachlosen bei den meisten ein wenig einseitig ist, wenn nicht sogar ein wenig romantisch.
ich kan an der lebensweise nichts romantisches finden und idealisiere diesen zustand auch nicht. ich persönlich denke, dass viele der betroffenen einfach zu stolz und zu schambehaftet sind, die hilfen, die es gäbe, anzunehmen. sicherlich wird es auch einen teil von obachlosen geben, die sich bewusst für das leben am rande der gesellschaft entschieden haben, wenngleich ich der meinung bin, dass dies der weitaus geringe teil ist.
ich finde es äußerst problematisch, wenn genau das (soziale Netz) erst zum tragen kommt, wenn bereits (fast) alles nzu spät ist."
Kommentare
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Sprich nichts zu vermischen.
So geht das nicht, und wir, bzw. ich, habe leider auch keine Zeit das Ganze hin und her zu räumen.
Die Forenfunktionen wie z.B. Zitate richtig zu nutzen, können und wollen wir auch nicht für Euch erledigen.
Da Einzige was ginge, wäre, das Obdachlsoenthema komplett neu zu beginnen, und das hier abschließen.
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Das jetzt aufzudröseln, hab ich auch keinen Bock. Ich hätte halt den letzten Beitrag von Franziska zitiert und darauf geantwortet. Das hätte ja auch gereicht für eine Weiterführung der Diskussion.
Aber mach das halt, wer will...ansonsten kann der Thread hier geschlossen werden.
Ich fand das Thema sehr spannend. Gleich immer rum zu meckern, weil ein Thread entgleist, finde ich auch etwas doof. Das ist der Lauf einer lebendigen Diskussion. Ich find das an sich schön, konstruktiv und spannend und wir haben es ja gemerkt. :roll:
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Ich will ja nicht dieses hier insgesamt kritisieren. Das ist sicher spannend. Aber wenn dann bitte auch einigernaßen nachvollziehbar aufmachen.
Die Aussage "keinen Bock" zu haben, finde ich schon etwas heftig, aber ich soll das Chaos aufdröseln?
Neu beginnen, ohne Zitate aus dem anderen Thread wäre wohl wirklich besser.
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Ich hab nicht gesagt, dass Du das aufdröseln sollst!
Das brauchte ja an sich niemand machen, aber anscheinend stört es wohl, dass es nicht aufgedröselt ist. Ich finde das ja auch anstrengend. Deswegen hab ich halt nur grob die Copy-Taste bemüht, damit die Leute ungefähr wissen, um was es geht und dann hätte ich die LETZTE Antwort von Franziska komplett zitiert, um dann darauf zu antworten. Das hätte in meinen Augen völlig gereicht.
Und ja, auf so etwas hab ich nunmal keinen Bock, sprich keine Lust...was ist denn an dieser Aussage jetzt heftig?
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Ich kann doch nicht wissen was sie als ein Mod kann oder nicht.
Mir ists ja egal wie und ob es hier weiter geht, ich wollte nur helfen... :sad:
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Ich hab mich missverständlich ausgedrückt. Mein Fehler. Ich meinte mit romantischer Vorstellung nicht, dass bei einem sternenklaren Vollmondhimmel Obdachlose um ein Lagerfeuer sitzen. Ich meinte mit romantischer Vorstellung, das Bild vom "armen Entrechteten", der von der "reichen Gesellschaftsschicht, die im Überfluss lebt“ nicht gesehen werden will. Das empfinde ich als romantisch, im Revoluzzer-Sinne.
Du sprichst von einem geringen Teil, der sich bewusst für das Leben am Rande entschieden hat. Ich kann aus meiner Erfahrung sagen, dass dies kein geringer, sondern der überwiegende Teil der Obdachlosen ist. Ich hab bis vor meiner Schwangerschaft ehrenamtlich mit Obdachlosen gearbeitet und deswegen kann ich auch nur für die Obdachlosen sprechen, die ich dort kennen gelernt habe. In anderen Städten mag das anders sein, ich kann es aber kaum glauben. Wir hatten viele Obdachlose, die in von Suchtexperten und Sozialhelfern betreuten Wohngemeinschaften untergebracht wurden. Die Leute haben nach 3 Tagen ihren Schlafsack gepackt und wurden nie wieder gesehen. Dies haben sie nicht gemacht, weil sie sich schämen, sondern ganz einfach weil sie sich den Regeln und der Verantwortung nicht aussetzen wollten, die damit einherging.
Auch wird es von ihnen nicht gern gesehen, wenn man ihr Leben als unwürdig oder veränderungswert bezeichnet. Denn es ist ihr Leben und sie wollen dieses so leben und über dieses Leben als Außenstehender so zu urteilen, macht viele wütend und das berechtigt. Wenn es nicht so wäre, würden sie was ändern - und einige ändern ja auch was, der Prozentsatz ist jedoch niedrig. Wenn sie sich schämen sollten, was durchaus auch oft ein zusätzliches Problem darstellt, dann ist das auch nicht mein Problem oder meine Schuld oder die der Gesellschaft. Viele Harz4-Empfänger schämen sich. Leute, die trotz Arbeit zur Tafel gehe müssen, schämen sich. Und Obdachlose schämen sich, weil sie ein Formular unterschreiben müssen, dass sie noch nicht einmal selbst ausfüllen mussten. Das ist dann halt so. Aber wessen Schuld ist das?
Es sind (mitunter) private Tragödien, die dahinter stehen. Wie soll die Gesellschaft in die Privatsphäre eingreifen, um so etwas zu verhindern? Private Tragödien kann man nicht verhindern, sie treffen auch andere Menschen und wenn der Betroffene dann anfängt, heimlich zu trinken geht die Spirale los. Es gibt bestimmt einige hier, die Suchtkranke in der Familie haben. Man kann ihnen Hilfe anbieten, wenn sie sie nicht annehmen, hat man keine Möglichkeit zu helfen. Und irgendwann muss man sie gehen lassen, weil nur sie allein erkennen können, dass sie was ändern müssen. Diese Erkenntnis kann ihnen niemand anderes abnehmen. Und irgendwann kommt es dazu, dass man sie fallen lassen muss. Und nun? Ist das die Schuld der Gesellschaft? Soll man ihn mit Gewalt zu einer Entziehung zwingen? Davon abgesehen, dass es sich um einen freien Menschen handelt, funktioniert das nicht, weil er eine Woche nach der Entziehung wieder anfängt zu trinken.
Wann soll denn Deiner Meinung nach das soziale Netz zum Tragen kommen? Wann ist der optimale Zeitpunkt?
Was soll die Gesellschaft noch alles tun, um einen erwachsenen Menschen wieder zu integrieren?
Wenn der Mensch nicht clean werden WILL, was ist dann mein Part als Teil dieser Gesellschaft?
Ich frage das ernsthaft und auch in die Runde hier....weil mich das Thema ratlos stehen lässt. Ich aber nicht an eine Schuld der Gesellschaft glaube, diesen Aspekt aber immer wieder zu hören bekomme.
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@gretchen: es fällt mir schwer vorzustellen, dass sich die mehrzahl der betroffenen von beginn an bewusst für diesen weg und diese lebensweise entschieden hat. ich denke eher, dass sich viele von ihnen mit der zeit mit ihrem leben arangiert haben bzw. arangieren mussten und versuchen, das beste daraus zu machen. möglicherweise ist da bei einem gewissen teil auch eine verachtende und trotzige haltung gegenüber der restlichen gesellschaft zu beobachten, aus der sie sich verstoßen fühlen. ich kann es ihnen auch nicht ganz verdenken, trotz der hilfen und möglichkeiten, die existieren. aber genau das scheint doch eines der problem zu sein. sie fühlen sich selbst zu solchen einfachen dingen nicht mehr in der lage, weil sie kein vertrauen mehr in sich, ihre fähigkeiten und die der gesellschaft haben. vermutlich sind sie gelähmt und überfordert mit der situation. das habe ich auch nicht getan und es mag auf deine persönlichen erfahrungen hier in deutschland sicherlich auch für einen teil der betroffenen zutreffen. die frage ist nur, was kann der einzelne tatsächlich ändern, wenn sein leben erst einmal entgleist ist. welche kräfte hat er unabhängig von den hilfen, die er bekommt ? wenn das ganz thema aber mal globaler betrachtet wird, finde ich es äußerst fragwürdig, über menschen in latainamerika oder der dritten welt so zu urteilen. ich gehe jetzt mal davon aus, dass sich deine gedanken auf diese konstellationen nicht beziehen. wenn durch private tragödien ein entsprechender lebenswandel vorliegt, der durch gesellschaftliche problem (mit-)entstanden ist, dann finde ich schon, dass die gesellschaft auch eine mitverantwortung trägt und sich diesen spiegel auch mal vorhalten lassen muss. aber ändert denn das was für den einzelnen ? es sieht doch eher nicht danach aus, oder täusche ich mich ?
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das sollte auch kein vorwurf meinerseits sein, sondern nur eine richtigstellung.
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Ich sehe es ein ganzes Stück weit wie Gretchen. Zu den Obdachlosenheimen ist mir noch eingefallen das viele die wohl deshalb nicht aufsuchen weil dort selbst das bischen was sie noch haben oft entwendet wird..und die Leute dürfen ihre Hunde nicht mitbringen die oft ihre Begleiter sind. Aber es stimmt schon das sie meistens die Regelen einfach nicht einhalten wollen oder können die dort herrschen.
Wir haben von der Kirchengemeinde z.T das Gemeindehaus zum übernachten geöffnet und das wurde gut angenommen. ;-)
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Du hast völlig Recht! Die Leute hatten ja alle vorher ein "bürgerliches" Leben, was auch immer das in den speziellen Fällen bedeutet hat und niemand von ihnen hätte sich bestimmt vorstellen können, jemals auf der Straße zu landen. Aber da sind sie jetzt nunmal. Das ist der Ausgangspunkt. Es stellt sich jetzt die Frage, wie man sie da wieder weg bekommt. Und das geht nunmal nicht, ohne deren Mithilfe. So viel Verständnis ich auch für eine verachtende und trotzige Einstellung habe, die sehr viele von ihnen sicherlich haben, ändert diese ja nun nix. Es sind erwachsene und freie Menschen. Ein klein wenig Eigeninitiative gehört dazu, wenn sie von der Straße weg wollen. Und wenn von ihnen einfach gar kein Entgegenkommen vorhanden ist, was soll man denn dann tun? Ich wehre mich einfach nur gegen die Pauschal-Aussage, dass die Gesellschaft schuldig ist. Wer ist "die Gesellschaft"? Das sind wir alle - und natürlich auch ich. Und ICH habe keine Schuld und keinen Anteil an diesen zum Teil tragischen Geschichten.
Überfordert man einen Menschen, wenn man von ihm EINE Unterschrift erwartet? Nichts anderes! Nur EINE Unterschrift!
:shock:
Hier in dieser Diskussion geht es um Obdachlose in Deutschland. Auch hab ich nicht gemeint, dass Du irgendetwas in dieser Richtung geschrieben hast. Ich wollte es nur sagen, weil ich es als wichtig empfand. Selbstverständlich kann man das nicht auf die Dritte Welt übertragen! Diese Menschen dort haben keine Wahl. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Aber auch dort ist es nicht angebracht, das Leben dieser Menschen als unwürdig zu bezeichnen. Was sollen denn die Menschen in den Townships in Südafrika denken, wenn reiche Deutsche zu Besuch kommen und dann anfangen zu kreischen, ja um Gottes Willen! Wie kann man denn so leben? Das ist ja furchtbar! Natürlich ist es furchtbar. Aber es ist ihr Leben und sie haben es sich eingerichtet und bestimmt niemand möchte hören, dass sein Leben Scheiße ist. Solche Aussagen verletzen die Menschen einfach nur.
Ich weiß nicht - Es gibt z. B. einige, die sind von Frau und Kindern verlassen worden und haben dann angefangen zu trinken. Oft sind sie auch verlassen worden, weil sie getrunken haben und die Familien alles menschenmögliche getan haben, um das zu verhindern. Und da sind wir wieder beim Thema: Wenn nicht ein wenig Engagement von ihnen selbst kommt, hat man keine Chance, aber auch keine Schuld.
Und da sind wir jetzt hier:
Für den Betroffenen ändert sich alles. Entweder er wacht auf. Was in einigen Fällen passiert oder nicht. Und wenn selbst dieser "Schock" ihn nicht aufweckt, dann kann man davon ausgehen bzw. gehe ich davon aus, dass dieser Mensch nie mehr aufwachen wird. Das ist tragisch. Aber nicht zu ändern. Zumindest nicht mehr von der Gesellschaft...die keine Schuld trifft. Denn sie hat schon vorher versucht, zu helfen.
@Anja
Ja, das mit den Diebstählen ist eine Plage. Zumindest in den Übernachtungshäusern.
In den Wohngemeinschaften passiert das aber eher nicht, da wohnt man miteinander und ein Diebstahl fällt einem da eher auf die Füße.
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es geht mir nicht um pauschale schuldzuweisungen und einem absprechen der verantwortlickeit der betroffenen, dennoch denke ich, dass gerade gesellschaftliche bzw. soziale probleme (arbeitslosigkeit, armut, geringe bildungschancen) eine ursache von vielen sein können für eine solche entwicklung der lebenswege. ich würde mir wünschen, dass dies veränderbar wäre und es idealistischer weise eine entsprechende chancengleicheit gäbe. aus unserer sicht heraus sicherlich nicht, da es einen selbstverständlichkeit ist. scheinbar ist es für die betroffenen aber viel mehr. möglicherweise symbolisiert sie für sie hilflosigkeit, scheitern, scham und unfähigkeit, so dass sie aus gründen des stolzes sich möglicherweise dagegen entscheiden und es vorziehen, weiter so zu leben, anstatt hilfe anzunehmen. das klang etwas überspitzt in meiner formulierung, da hast du recht. die frage ist nur, ob das grundproblem - die wahl der gesellschaftsform bzw. -ordnung und die damit verbundenen probleme zwischen arm und reich - nicht vllt. sogar das selbe ist und sich nur viel krasser in der ausprägung zeigt als bei uns. das ist sicherlich sehr spekulativ und hypothetisch, aber aus meiner sicht leider denkbar. genau diese endgültigkeit und das aufgeben des einzelnen ist das, was mich betroffen macht und nachdenklich stimmt, auch wenn ich es vermutlich nicht ändern kann, würde ich mir wünschen, dass es soweit nicht kommen darf. klar weiß ich, dass ich keine lösung für die probleme anderer präsentieren kann, möchte mich aber dennoch bemühen, einen perspektivwechsel zu betreiben und auch zu versuchen zu verstehen, warum derjenige evtl. so handelt, wie er denn handelt.