"Tatort Internet" - Was haltet ihr davon???

sopie74

Huhu,

wollte mal in die Runde fragen, was ihr von dieser RTL2-Sendung 'Tatort Internet' haltet. Ich habs noch nicht ganz gesehen, hab mir aber gerade auf youtube einen Fall angeschaut... ein Bekannter einer Bekannten wurde da 'entlarvt' und ich bin total geschockt. Über den Typen, sein abartiges Verhalten UND über diese Art der medialen 'Hinrichtung'. Alles sehr krass...
Was denkt ihr darüber, schaut ihr das an?

Anonymous

Ich hab's noch nie gesehen, nur drüber gelesen und so wie ich das verstehe, sind ja die jeweiligen Kontaktsuchenden nicht nur zu den Treffen erschienen, sondern waren z.T. sehr eindeutig in ihrem Auftreten (z.B. schon nackt bei Ankunft des potentiellen Opfers etc.). Deshalb fällt es mir äusserst schwer, hier von "medialer Hinrichtung" zu sprechen, sondern glaube schon, dass die "Täter" in einer eindeutigen Absicht unterwegs waren. Mich hat v.a. geschockt, wie viele Männer das aus dem Umfeld von Kindern waren..!

tinat

Mangels Fernsehen kann ich das natürlich nicht gucken. Ich frage mich nur, welchen Sinn hat diese Sendung? Es gibt sicher Gründe, warum das Format jahrelang von keinem Sender akzeptiert wurde. Hier werden Männer mit zweifellos geschmacklosen Interessen gezeigt (mich würde in dem Zusammenhang auch interessieren, wie viel man von den Chatprotokollen zu sehen bekommt?). Wenn diese Männer dann konfrontiert werden, ist die Story aber auch schon aus, denn tatsächlich strafbares Handeln liegt nicht vor. Und, was soll die Geschichte dann? Ich meine mich zu erinnern, gelesen zu haben, Intention sei den Eltern zu zeigen was da für Gesindel im Internet herumläuft. Und der Tipp war, der Computer solle halt an einem Ort stehen, wo man jederzeit einen Blick drauf werfen kann. Und natürlich mit den Kindern drüber reden soll man. Schön, aber dafür braucht man nicht so ein reißerisches Format, oder? Wen will die Sendung erreichen? Bild-Leser, die sich an Schlagzeilen wie "Sex-Monster" ergötzen? Die Klientel erklärt ihren Kindern ohnehin nicht, wie das Internet funktioniert, die kauft halt nen Gerät und stellts hin und dann guckt mal schön wie's geht.

sopie74

mmh, ja, also ich empfinde kein Mitleid für den Typen. Aber das Vorgehen ist schon krass irgendwie. In dem Fall war es so, dass er wirklich sehr eindeutig gechattet hat, welche Absichten er hat. Aber auf der anderen Seite saß eben ein Lockvogel. Nicht dass er zu irgend etwas verleitet wurde, aber es ist eben nicht klar, ob so eine Situation im 'echten' Leben zustande gekommen wäre, ob es wirklich Dreizehnjährige gibt, die Vierzigjährige zu sich nach Hause einladen...
Wenn das Ganze nun der Staatsanwaltschaft übergeben wird, gibt es möglicherweise gar keinen Tatbestand, wenn in der Vergangenheit noch nichts vorgefallen ist.
Er war halt auch für jeden der ihn kennt klar zu erkennen. Es gab keinen ernsthaften Versuch seine Identität zu verschleiern...Diese Katastrophe betrifft vor allem seine Frau und seine Kinder. Von heute auf morgen ist die Firma pleite, die Familie zerrüttet, was das für seine Kinder bedeutet will ich gar nicht wissen.
Wie gesagt, das hat nichts mit Mitleid zu tun, vielleicht wäre er ohne diese Sendung nie aufgeflogen. Vielleicht hätte er es ohne die Sendung aber auch nie getan... mmh...

tinat schrieb:

(mich würde in dem Zusammenhang auch interessieren, wie viel man von den Chatprotokollen zu sehen bekommt?)

in dem Fall den ich gesehen habe schon einiges... eindeutiges...

tinat schrieb:

Und, was soll die Geschichte dann? Ich meine mich zu erinnern, gelesen zu haben, Intention sei den Eltern zu zeigen was da für Gesindel im Internet herumläuft. Und der Tipp war, der Computer solle halt an einem Ort stehen, wo man jederzeit einen Blick drauf werfen kann. Und natürlich mit den Kindern drüber reden soll man. Schön, aber dafür braucht man nicht so ein reißerisches Format, oder? Wen will die Sendung erreichen? Bild-Leser, die sich an Schlagzeilen wie "Sex-Monster" ergötzen? Die Klientel erklärt ihren Kindern ohnehin nicht, wie das Internet funktioniert, die kauft halt nen Gerät und stellts hin und dann guckt mal schön wie's geht.

Ja, an die Präventions-Funktion glaube ich eben auch nicht. Gut, der Typ erhält halt eine echte Strafe... in dem Fall kann der sich am besten gleich erschießen, den in seinem Umfeld weiß es jeder. Und das unabhängig von jeglicher Rechtsprechung... mmmhh... ich finde das schon ein wenig gruslig... über die Motive von RTL2 braucht man glaube ich nicht zu spekulieren....

Anonymous

Ich kann das Unbehagen schon verstehen und auch mir erschliesst sich der Sinn der Sendung nicht wirklich, aber so wie ich das gelesen habe, sind die Männer eben schon sehr eindeutig in ihren Aussagen und Handlungen und deshalb würde da für mich wenig Spielraum für Missinterpretationen bleiben..! Und natürlich sieht man solche Dinge ein bisschen anders, wenn man - wenn auch nur entfernt wie bei Dir - persönlich betroffen ist. Aber dennoch hält sich mein Mitleid für die "Täter" sehr in Grenzen. Ich meine, die werden das alle nicht das erste Mal probiert haben. Ich nehme an, dass man dafür schon ungefähr wissen muss, wo und wie man sich im Netz bewegt, damit man potentielle Kandidaten dazu bekommt, sich mit ihnen zu treffen..!

tinat

Trotzdem - ist das nötig, dass man das im Fernsehen zeigt? Die eigentliche Frage ist doch, wie soll man mit denen umgehen? Will man, dass auch hier an Häusern Schilder kleben "Hier wohnt ein Sexualstraftäter"? Man muss auch immer bedenken, dass solche Sendungen ein verzerrtes Bild der Realität zeigen. Die Reporterin beschäftigt sich seit den 90er Jahren mit dem Thema. Da kann man leicht glauben, es gäbe Millionen solcher Kerle, das Netz sei voll davon und wann immer ein Kind chattet, gehts rund. Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Eltern haben einfach Angst, weil sie nicht wissen, was ihre Kinder den ganzen Tag treiben, ja. Aber was bewirkt so eine Sendung? Sprechen dann wirklich mehr Eltern mit ihren Kindern? Wird der Computer abgeschafft? Wird endlich mal übers Internet gesprochen statt nur konsumiert? Tja, wenn man das wüsste...

Marlies/Hebamme

Ich würde gene nur ein paar Zahlen beisteuern

Da viele Fälle nicht angezeigt werden, kann man nur schätzen. Jungen werden eher in "Institutitionen", Mädchen mehheitlich im nahen Umfeld missbraucht.

Gerade weil die Tat zumeist im Nahbereich des Opfers verübt wird, ist die Anzeigebereitschaft hier besonders gering. Insofern bietet die polizeiliche Statistik keine ausreichende Datenbasis zur Erfassung des Mißbrauchs an Kindern. Schätzungen des Bundesfamilienministeriums gehen von einer Dunkelziffer zwischen 50.000 und 300.000 Fällen im Jahr aus. Täter: 99,6% der Täter sind Männer
34,1% der Täter sind nähere Bekannte und Erzieher der Opfer
25% sind Väter, Stiefväter oder Freunde der Mutter
23,1% sind Nachbarn, Bekannte oder Ärzte
in 6% der Fälle sind die Täter völlig Fremde
1,4% der Täter sind enge Verwandte (Opa, Onkel o.ä.)

Zahlen stammen aus dem BFM

Wunschkind2

Für mich ist auch noch ein Aspekt, wo diese Kampagne propagiert wurde: In der Bild-Zeitung, mit den schon erwähnten "Sex-Monster"-Schlagzeilen und dem leicht bekleideten Mädchen in jeder Ausgabe. Und auf RTL-II mit der nächtlichen Stöhn-Reklame für windige Telefonsexhotlines. Finde ich nicht so ganz das richtige Umfeld.

Viele Grüße
Katrin