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Das will ich nicht hören!
Wenn Kinder hässliche Sätze sagen - 19.06. 18:47 Uhr
Nürnberg - Schwangerschaft, Geburt, Glückauf? Hach, wenn’s so einfach wär... Als Eltern wird man nicht geboren. Jede neue Sprosse auf der Entwicklungsleiter ist auch für Mamas und Papas eine Prüfung, eine Herausforderung, eine Lehre. NZ-Redakteurin Kathrin Walther erzählt in unserer „Mama!!!“-Kolumne: Kindermachen ist nicht schwer, Kinderkriegen dann schon eher – Kinderhaben dagegen sehr.
Irgend ein schlauer Mensch hat mal gesagt: Es ist normal, ab und an die Lust zu verspüren, sein Kind aus dem Fenster werfen zu wollen – es ist nicht normal, es zu tun. Das erschreckt Sie? Dann haben Sie entweder keine Kinder. Oder Ihre sind noch im schnuckeligen Dudsidudsidei-Alter. Oder Sie haben es verdrängt, wie AAAAAHHHH!!! ein Dreijähriges sein kann. Oder ich will auch die Drogen, die Sie nehmen.
Grad ist sie drei geworden, meine liebe Kleine. Und sagt zu mir: „Halt die Klappe.“ Dabei lächelt sie mir sowas von unschuldig ins Gesicht, als hätte sie mir eine bezaubernde Liebeserklärung gemacht. Tja, da stehste da, als Mama. Ich versuche, ganz und gar Ratio zu sein. Woher hat sie das? Wie reagier’ ich: Schimpfen, erklären, bestrafen, und wenn ja: wie (Schlagen ist verboten!)?
Erst mal: nachfragen. Mit seeehr strengem Unterton, entsprechendem Blick und dem Zusatz: „Das ist ein hässlicher Satz, den will ich nicht mehr hören, verstanden!?“ Antwort: „Aba bei der Lotta sagen die das auch.“ Das Lächeln bleibt. Mein Hirn arbeitet auf Hochtouren. Lotta. Ach ja, Hörbuch von Astrid Lindgren. Lottas älterer Bruder Jonas sagt das. „Wir sagen das nicht, ist das jetzt klar!?“ „Ja, Mama.“ Lächeln.
Sie weiß es. Obwohl sie diesen Satz außerhalb des Hörbuches noch nie vernommen hat, weiß sie, dass es sich um einen Verboten!-Ausdruck handelt. Woher, pfui Teufel, weiß sie das, will ich wissen?! Woher wissen diese kleinen Monster immer intuitiv, was uns Große in diese Raserei treibt? Und was haben solche pädagogischen Stolperfallen überhaupt in Astrid Lindgrens heiler Welt zu suchen, verdammt?
Seit meine liebe Kleine da ist, habe ich ein ambivalentes Verhältnis zu den Helden meiner Kindheit. Betrachten Sie mal Lotta mit den Augen einer Mutter / eines Vaters. Der blonde Engel ist ein störrischer Esel und gibt perfekte Anleitungen für einen Zwergenaufstand par excellance. Und erst dieser Pumuckl – was hab ich ihn geliebt! Ich sag’s Ihnen: An Meister Eders Stelle hätte ich den Leimtopf noch mal nach ihm geschmissen, nur, damit ich ihn diesmal richtig treffe!
Augen zu und tiiieeef ein- und ausatmen. Das ist das A und O und das einzige, womit alle irgendwie überleben können. Ihr süßes Mädchen sagt zum fünften Mal: „Nein, ich will keine Turnschuhe! Ich will Winterstiefel!“ – bei 15 Grad und zehn Minuten, bevor der Kindergarten Sie und den Querulanten aussperrt? Augen zu und tiiieeef ein- und ausatmen. Sie stehen im Supermarkt – der Klassiker – und Ihr Kind tickt total aus, weil Sie die Milch aus dem Regal geholt haben, was der niedliche Frechdachs doch für sich beansprucht hat? Augen zu und tiiieeef ein- und ausatmen. Ihr Liebling spuckt die Karotten, die er sonst gerne isst, mit einem Ausdruck des Ekels und in entsprechend angekauter Konsistenz wieder auf den Teller? Und zu allem Überfluss sagt die daneben sitzende und pikiert dreinblickende Oma noch „Also, bei uns macht er das niiieee!“. Augen zu und tiiieeef ein- und ausatmen.
Mein Freundin erzählte kürzlich auch eine nette Supermarktanekdote: Ihrer großen Kleinen, zweieinhalb, ist es gestattet, sich im Supermarkt frei zu bewegen. Doch vom Geschäft zurück zum Auto über den Parkplatz muss sie im Einkaufswagen sitzen – aus Sicherheitsgründen. Das allerdings sieht die kleine Große gar nicht ein – und haut einen Oscar-reifen Brüller in aller Öffentlichkeit raus.
Meine Freundin, nachdem sie tiiieeef...und so weiter die Augen wieder öffnet, geht vor ihrer Tochter auf die Knie und redet, so ruhig es ihr innerlich brodelnder Zustand zulässt, auf sie ein. Sie tut das in der Nähe des Eingangsbereiches, ohne ihn jedoch zu blockieren. Eine Kundin kommt mit Einkaufswagen angerauscht und ruft ihrerseits inmitten des Geschreis „Achtung!“. Da bricht der Vulkan in meiner Freundin aus und sie brüllt noch lauter als ihre Tochter „Achtung, BITTE!!!!!!“.
Die Kleine wiederum verstummt abrupt. Und sagt dann, die Tränen trocknen bereits: „Gell, die Frau hat nicht bitte gesagt.“ Das mit dem Wunsch, jemanden aus dem Fenster zu werfen, beschränkt sich nicht nur auf kleine Menschen.
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Kommentare
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Klar gibt es auch Tage, an denen alles ruhig bleibt. Aber es gibt auch Tage, an denen sich die beiden Rabauken hier scheinbar absprechen und sich wohl vorgenommen haben, alles dafür zu geben, dass ich absolut aus der Haut fahre. Ich seh mich dann schon mit rauchendem Kopf und voller Wut und versuche trotzdem ruhig zu bleiben. Ich muss gestehen, das klappt nicht immer. Und meistens setzen die beiden dann noch einen drauf!
Gruß Steffi
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