Hallo an alle, die sich für eine lange Stillzeit entschieden haben.
Da ich weiß, wie anstrengende Phasen es innerhalb dieser Zeit geben kann, mit welchen Ansichten man unter Umständen konfrontiert wird und welche Theorien es über das freiwillige Abstillen seitens des Kindes gibt, möchte ich euch unsere Geschichte erzählen. Jonas und meine.
Jona wurde Anfang Juli 2003 geboren. Seine Geschwister waren zu diesem Zeitpunkt 15 und zehn Jahre. Meinen ältesten Sohn hatte ich im Krankenhaus entbunden. Ein Leichtgewicht von 2700g und 49cm. Das Thema Stillen wurde von den Krankenschwestern sehr ruppig angegangen. Wenn die Waage zu festgesetzten Uhrzeit das erforderliche Gewicht anzeigte, war alles in Ordnung. Wenn nicht, wurde damit begonnen zuzufüttern. Zu dieser Zeit bekam man sein Baby tagsüber zu bestimmten Zeiten für eine Weile zum Stillen, dann wurden sie wieder abgeholt. Hätte ich meinen Sohn die ganze Zeit bei mir gehabt – wahrscheinlich wäre es auch anders gelaufen. Aber da er so zierlich war, wurde bei ihm sofort mit dem Zufüttern begonnen und mir wurde gesagt, dass ich zu wenig Milch hätte. Weil er so wenig trinkt. Diese Logik überzeugt eine Zwanzigjährige natürlich. Und damit war das Thema Stillen für dieses Kind beendet.
Bei meiner Tochter war ich schon standhafter gegenüber äußerer Beeinflussung. So dass sie in den Genuss einer halbjährigen Vollstillzeit kam.
Bei Jona, meinem Jüngsten, lief alles ganz anders. Aufgrund wirklich negativer Erfahrungen mit Krankenhäusern, kam für mich bei ihm nur das Geburtshaus in Frage. Jona wurde an einem Sonntag Vormittag geboren. Und wenige Stunden später war ich mit ihm wieder zu Hause. Und niemand redete mir rein.
Ich hatte mich schon in der Schwangerschaft dazu entschieden, dass ich ihn so lange stillen werde, wie er es wollte. Wenn man von Naturvölkern liest, ist da meist die Rede von bis zu 5 Stilljahren. So lange wird das bestimmt nicht gehen, dachte ich mir, war aber bereit, es auch bis zu diesem Zeitraum zuzulassen, sollte der kleine Mann dieses als Bedürfnis anmelden.
Bei Jona hatte ich nicht einmal „vorsorglich“ Milchpulver im Haus, wie mir im Nachhinein erst auffiel. Es war von Innen heraus so völlig klar gewesen, dass ich ihn voll stille. Was auch ohne Problem klappte. Bei seiner Geburt war mein Steißbein etwas angeknackst worden, so dass ich die ersten zwei Wochen nicht hochkam und die meiste Arbeit an meiner Tochter hängenblieb, da ich ohne Partner lebte. Aber dann spielte sich alles ein.
Natürlich gab es auch bei uns die Phasen, wo der Appetit größer wurde und die Milchproduktion erstmal nachziehen musste. Aber ich lag dann zwei, drei Tage im Bett und Jona bediente sich, wann immer er es brauchte. Es war auch sehr gut zu unterscheiden, wann es Hunger war und wann es einfach nur um Nähe ging. Er nahm auch nie einen Nuckel, weil er sich der Brust immer sicher sein konnte und keinen Ersatz benötigte.
Die ersten zehn Monate waren vergangen und er nahm nur Milch zu sich. Als ich ihm anderes Essen anbot, lehnte er dieses kategorisch ab. Das erste Mal nahm er etwas Festes mit ca. 13 Monaten zu sich. Brei hatte er bis dahin abgelehnt und diese Phase übersprungen. Er stieg von der Milch gleich auf feste Nahrung um, ohne die Milch aus den Augen zu lassen.
Als er ungefähr 4 Jahre alt war, gab es noch mal einen richtigen Stillschub bei ihm. Zu dieser Zeit dockte er morgens, abends zum Einschlafen und am Nachmittag 1-2 mal kurz an. Doch plötzlich hing er nur noch an der Brust. Da ich zu Hause war, war das für mich nicht weiter problematisch. Ich hatte mich dazu entschieden, gab keinen Zeitplan vor und beobachtete einfach seine Entwicklung. Weil er das Stillen irgendwann nicht mehr brauchen würde, das hatte ich ganz sicher im Gefühl. Es war ein ungefährer Zeitraum von 2-3 Wochen, in denen wir wieder sehr viele Stillzeiten am Tag hatten. Meist ging es nicht um die Milch, sondern er holte sich seine Nähe ab. Seine Sicherheit. In dieser Zeit hatte er einen enormen psychischen Reifeschub und diese inneren Veränderungen bewirkten, dass er sich im Außen immer wieder rückversicherte.
Nach seinem 4. Geburtstag hatte ich das Gefühl, dass seine Stillzeit sich bis zu seinem 6. Geburtstag ausdehnen würde. Und ich fragte mich, ob das für mich in Ordnung war. Es gab zwischendurch immer wieder Momente, in denen ich das Gefühl hatte, nicht mehr zu wollen. Dann nahm ich mir eine Auszeit und fragte mich, was ich wirklich will. Und dann fiel die Entscheidung immer zu Jonas Gunsten aus. Ich wollte einfach diese Erfahrung, dass er sich von selbst abstillt. Was von so vielen angezweifelt wird. Weil man sich dann auf einen langen Prozess einlassen müsste, der viel Zurücknahme des eigenen Egos fordert. Aber ich wollte das für uns.
Es war nicht immer rosarot. Und ich kam auch an meine Grenzen, wenn er in der Öffentlichkeit an meinem Pullover zerrte. Aber ich stellte mich in Frage und nicht sein Bedürfnis. So konnte ich mich mit meinem Gefühl von Peinlichkeit auseinandersetzen und mich von diesem befreien. Und von vielen anderen Grenzen ebenfalls, die durch seine Bedürfnisse in mir berührt wurden.
Es war dann kurz nach seinem 6. Geburtstag. Jona wachte morgens auf und sprang sofort aus dem Bett und flitzte aus dem Zimmer. Ohne sein morgendliches Andocken.
Ich hielt mich zurück und sagte nichts. Am Abend schlief er neben mir ein, ohne die Brust einzufordern. Ich sagte wieder nichts. Am nächsten Morgen schaute er mich mit großen Augen an und stellte erstaunt fest:
„Ich hab gestern meine Milch gar nicht getrunken!“
Stille. Ich sah ihn an und wartete.
„Na, dann brauch ich sie wohl auch nicht mehr!“
Sprach er, hüpfte vergnügt aus dem Zimmer und das war es.
Von diesem Tag an hat er nie wieder nach der Brust verlangt.
Es kam dann ungefähr ein Jahr später mal eine Phase, wo er meinte, er möchte noch mal Milch bei der Mama trinken. Als ich ihm darauf sagte, dass diese nicht mehr in der Brust wäre, nahm er das zur Kenntnis und es war in Ordnung. Ab und an rieb er seinen Kopf noch an meiner Brust oder legt kurz eine Hand auf, und das war es auch schon.
Ein fertig gestilltes Kind. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es geht, wenn man dem Kind seine eigene Zeit lässt. Auch wenn das nicht leicht ist und jedes Kind seinen eigenen Zeitplan hat. Aber – Kinder stillen von sich aus ab. Wenn sie aus sich selbst heraus so weit sind.
Liebe Grüße,
Ev
Kommentare
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Einfach klasse!
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@ Lamere: Wir stillen auch noch, aber wir reden nicht mehr drüber. Nicht weil es mir peinlich wäre, meine Familie weiß es, nimmt es zur Kenntnis - aber sie wissen, dass ich nicht bereit bin mit ihnen darüber zu diskutieren. Das ist eine Sache zwischen meiner Tochter und mir. Mein Mann redet mir da sowieso nicht rein und steht dahinter. Ich habe auch nicht vor sie bis November abzustillen. Wenn sie das von selbst tut, was ich kaum glaube, ist es in Ordnung, wenn nicht dann schauen wir einfach mal, wie es weiter läuft, wir werden unseren Weg finden
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Ich finde es auch total mutig von Dir, dass Du mit soviel Energie und Konsequenz diesen Weg gegangen bist. Wir stillen ja nun "erst" 1,5 Jahre und das Thema abstillen gibt es hier aktuell noch nicht. Da bin ich noch ziemlich entspannt. Aber ich kann mir bisher noch nicht vorstellen, ob es ein Stillen jenseits der 3 bei uns geben wird.
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Ich kann da nur von mir sprechen, das ist sicherlich wirklich bei jedem verschieden... aber ich konnte mir nie vorstellen ein Kind zu stillen, das über ein Jahr alt ist. Als sie ein Jahr wurde, war es einfach so und sie kam mir noch sooooo klein vor. ;-) Als sie dann zwei wurde stillten wir immer noch und ich war immer noch entspannt und konnte nichts mehr falsches dran finden, obwohl ich ab dem ersten Geburtstag gesagt habe, dass ich mir nicht vorstellen kann, sie bis über zwei zu stillen. ;-)
... und nun habe ich aufgehört ein zeitliches Limit zu setzen. *lach* Das stillen hat sich sowieso total verändert. Es gibt Tage da stillt sie gar nicht mehr, es gibt Tage da fordert sie es massiv ein. Aber es ist und bleibt völlig entspannt bei uns. Wenn ich sage, dass ich jetzt nicht möchte, dann akzeptiert sie das ohne Gebrüll. Ich denke, im November kommt nochmal eine Hürde auf uns zu, aber darüber versuche ich mir so wenig Gedanken wie möglich zu machen.
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Das wollte ich jetzt einfach mal gesagt haben. ;-)
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(Ich weiß um das "natürliche" und das "gesellschaftliche" Abstillalter und um diese ganzen Dinge. Ich habe selbst 16 Monate gestillt!)
Nee, ich finde das nicht bewundernswert, sondern bestenfalls ein bisschen merkwürdig. :scratch.:
Ab einem gewissen Alter kann man das in unserer Gesellschaft eben nur heimlich machen, ich meine, welches Kind würde von seinen Kindergartenkumpels nicht schräg angesehn werden, wenn er das erzählen würde?
Das geht ja nur, wenn man dem Kind immer wieder eintrichtert, dass er das keinem erzählen darf, so nach dem Motto "unser kleines Geheimnis", wenn man halberwege in Ruhe gelassen werden will.
Und das geht irgendwie auch gar nicht, das Kind von Anfang an zur Heimlichtuerei zu erziehen?
Wie habt ihr das gelöst?
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Ich für meinen Teil stille nicht heimlich und ich trichtere meiner Tochter auch nicht ein, dass sie das niemandem erzählen dürfte. Auch mein Sohn weiß Bescheid und das obwohl er nicht gestillt wurde. Aber wie das so ist... wenn ein Thema als normal angesehen wird, weil es halt so ist, dann besteht das nicht wirklich viel Rede-und Erzählbedarf darüber. Will heißen, ich habe noch nie mitbekommen, wie es thematisiert wurde unter den Kindern.
Ich persönlich wurde auch noch nie angefeindet aus meinem persönlichen Umfeld (Ärzte lasse ich jetzt mal dahin gestellt ;-)). Lediglich Kommentare wie: "Für mich wär das nichts!", kamen von Nachbarn oder so. Die lasse ich aber gelten, denn denken dürfen sie, was sie wollen. ;-) Mir gefällt auch nicht alles, was die Nachbarn oder manche Freunde tun. So lange es aber keinem schadet ist das für mich in Ordnung.
Ich finde es schade, dass das Thema immer noch so ein Tabu zu sein scheint. Aber grade, wenn man dann in Heimlichkeiten verfällt, wird es nie ein alltäglicher Anblick werden. Das finde ich schade. Wer letztlich wie lange stillt, das ist ja auch jedem selbst überlassen und keiner muss sich schlecht fühlen weil er 2, 15 oder 40 Monate gestillt hat.
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Ich stille erst seit knapp 6 Monaten und mache mir noch keine Gedanken über Abstillen oder Langzeitstillen. Was mich aber interessieren würde ist ob die Langestillen-Mamis irgendwann wieder Lust auf Sex haben/hatten. Das ist bei mir nämlich absolut nicht der Fall. Bisher vermisse ich es auch nicht, die Nähe zu meinem Kind reicht mir völlig, abgesehen von Müdigkeit und Zeitmangel, aber irgendwann möchte ich schon mal wieder "ganz normal ticken" was das betrifft. Bleibt das so solange frau stillt oder ist das sowieso nur bei mir so? Was sind eure Erfahrungen?
Viele Grüße
Manna
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die Vollstillzeit kann man eigentlich nicht mit dem Stillen eines Kleinkindes vergleichen. Ein LZStillkind stillt ja nicht mehr ständig, manche stillen tagsüber nicht mehr, manche sind nachts abgestillt, manche stillen nur noch ein oder zweimal am Tag. Und man kann auch ggf. mal eine Nacht weg sein. Die Kinder sind unabhängiger. D.h. die körperliche Nähe wird auch langsam weniger.
Oft kommen auch die Tage wieder, wenn man nicht mehr "ständig" stillt. Dann regelt sich auch der Hormonhaushalt wieder anders (ich hab um die fruchtbaren Tage mehr Lust).
Bei manchen Frauen wirkt sich die Stillzeit ja auch gar nicht auf das Herzeln aus. *Neid* ;-)
Ich glaube aber, Müdigkeit und Zeitmangel sind der größte Killer. :thumbdown: Beides ist nicht unbedingt vom Stillen abhängig. Eine Freundin hat z.B. ihr erstes Kind mit 8,9 Monaten abgestillt, damit er durchschläft und im Endeffekt saß sie dann nachts mit dem Fläschchen neben seinem Bett. :shock: