Falls Ihr eine Hebamme sucht...Pech gehabt

bearbeitet 5. 12. 2011, 13:44 in Plauderecke
Dazu möchte ich anmerken: gerade in Köln gab es man ein großes Angebot für Beleggeburten. Aber es handelt sich inzwischen um nur ein Beispiel.

237 Euro für eine Geburt

Von Michael Aust, 01.12.11, 15:30h, aktualisiert 01.12.11, 15:38h

Steigende Versicherungskosten bei stagnierenden Honoraren - die Situation von selbständigen Hebammen wird immer schwieriger. Und mit ihr die der werdenden Eltern. Nie war es in Köln so schwer, eine Beleg-Hebamme zu finden.

Hebammen müssen bis zu 30 Jahre für Fehler haften, wenn sie zu einer Erkrankung führen.

Alles richtig gemacht, dachte sich Ruth Beecker. Die heiklen ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft abgewartet, in denen noch so viel passieren kann. Dann, am Anfang der 13. Woche, die Nummer des Kölner Hebammennetzwerks gewählt. „Sie sind spät dran“, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung. Es gebe nur noch zwei Geburtshelferinnen, die im Februar 2012 einen Termin frei haben könnten. Eventuell. Man werde zurückrufen. „Ich wusste schon vor meiner Schwangerschaft, dass ich eine Beleghebamme will“, erinnert sich Beecker, die in Köln-Ehrenfeld wohnt und inzwischen im sechsten Monat ist. Zu wissen, „wie die andere so tickt“, das gebe Sicherheit. „Vor allem bei der ersten Geburt, bei der man nicht weiß, was auf einen zukommt.“

Zwei Tage später wird klar: Auch die zwei letzten Kandidatinnen sind bereits ausgebucht. „Von der einen bekam ich den Tipp, noch ein paar Kliniken durchzutelefonieren und nach Geburtshelferinnen zu fragen, die nicht im Hebammennetzwerk organisiert sind“, erzählt Beecker. Als auch diese Recherche erfolglos blieb, war für die 38-Jährige klar: Mein Kind wird von der Hebamme geholt, die am Geburtstermin zufällig im Kreißsaal Dienst schiebt. „Ich habe mich damit arrangiert, meine Geburtshelferin erst am Tag X kennenzulernen.“

Ungelöstes Problem

Ruth Beeckers Fall ist einer von vielen. Im Kölner Hebammennetzwerk rufen jeden Tag Schwangere an, denen keine Geburtshelferin vermittelt werden kann. Die Situation ist ziemlich verzwickt: Zwar werden in Deutschland immer weniger Kinder geboren, gleichzeitig geben aber auch immer mehr freiberufliche Hebammen ihren Job auf. Nicht, weil sie keine Lust mehr auf die nervenzehrende Arbeit haben. Sondern, weil sich Geburtshilfe für sie schlicht nicht mehr rechnet.

„Wie unsere Situation ist? Man kann es Depression nennen“, sagt Renate Egelkraut, die Sprecherin des Kölner Hebammenverbands. Eine Kollegin habe erst kürzlich, nach 20 Jahren als Geburtshelferin, ihre Praxis aufgegeben. Seither arbeite sie in einem Sportstudio hinterm Tresen. In Köln hätten selbst schwangere Hebammen mitunter Probleme, eine Kollegin zur Geburtshilfe zu bekommen, erzählt Egelkraut: „Eine Bekannte hat 20 Kolleginnen durchtelefoniert und keine gefunden.“ Unhaltbare Zustände seien das, findet die Hebamme.

Fehler kann Millionen kosten

Dass Geburtshelferinnen immer rarer werden, ist ein ungelöstes Problem des deutschen Gesundheitssystems. Hebammen haften 30 Jahre lang für Fehler, wenn diese zu einer Erkrankung führen; ein Hebammenfehler kann Millionen kosten, wie viele Regress-Urteile zeigen. Wer Geburtshilfe anbietet, muss deshalb für seine Haftpflichtversicherung Jahr für Jahr tiefer in die Tasche greifen.

Reichten 1991 noch 200 Mark im Jahr, um sich gegen Regressforderungen zu versichern, waren 2007 für dieselbe Versicherungsleistung schon mehr als 1200 Euro fällig. Heute müssen freiberufliche Hebammen, die Geburtshilfe anbieten, 3700 Euro jährlich an ihre Berufshaftpflicht überweisen. Gleichzeitig sind die Honorare seit Jahren kaum gestiegen: 237 Euro bekommt eine Beleghebamme für eine Geburt, 27 Euro für einen Hausbesuch. Bei einem Elf-Stunden-Tag bleibt da oft nur ein Stundenlohn von 7,50 Euro, wie der Deutsche Hebammenverband errechnet hat.

Bundesweit 15000 Hebammen

Die Situation ist seit Jahren bekannt. Seit Sommer 2010 gab es immer irgendwo in der Republik einen Hebammen-Streik, zuletzt legten im Oktober die Hamburger Geburtshelferinnen ihre Arbeit nieder. Immer noch läuft eine Petition, die den Deutschen Bundestag zu „Sofortmaßnahmen für eine wohnortnahe Versorgung von Frauen mit Hebammenhilfe“ verpflichten will. Einen kleinen Erfolg hatten die Unterzeichner bereits: Das Bundesgesundheitsministerium hat das Berliner IGES-Institut beauftragt zu untersuchen, wie es tatsächlich um die Versorgungssituation steht, bislang gibt es dazu keine offiziellen Statistiken. Voraussichtlich im Dezember soll die Studie der Gesundheitsforscher vorliegen. „Dann wird man schwarz auf weiß sehen, wie schlecht die Situation ist“, glaubt Edith Wolber vom Deutschen Hebammenverband.

Was wie das Problem einer kleinen Berufsgruppe scheint – bundesweit gibt es etwa 15 000 Hebammen –, kann für Frauen schnell zum eigenen werden: nämlich dann, wenn der Schwangerschaftstest positiv ausfällt. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig ist, eine Hebamme zu finden“, sagt etwa Ruth Beecker. Weil Paare zudem heute alles, was mit Geburt zu tun hat, viel bewusster planen als noch in früheren Zeiten, wollen auch immer mehr eine möglichst individuelle Geburt – eine Eins-zu-eins-Betreuung ziehen die meisten einer „Abfertigung“ im Schichtdienst vor. Die allerdings könnte bald zum Luxus werden.

„Am besten am Tag der Zeugung mit Suchen anfangen“

Bundesweit haben nach Angaben des Hebammenverbands seit Januar 2010 rund 15 Prozent der Freiberuflerinnen die Geburtsbegleitung aufgegeben. Nach Schätzungen des Kölner Hebammennetzwerks sind es in Köln sogar 30 Prozent. Wenn sie nicht gleich den Beruf gewechselt haben, bieten diese Hebammen nur noch Vor- und Nachsorge und Kurse wie Babymassage an. Und von denen, die Geburtshilfe noch immer im Programm haben, holen viele nur noch von Januar bis Juni Babys auf die Welt, um so ihren Haftpflichtsatz zu halbieren. Nur noch jede dritte Hebamme übt ihren Job in Vollzeit aus.

„Es klingt komisch, aber: Wer in Köln eine Beleghebamme will, sollte am besten schon am Tag der Zeugung mit der Suche beginnen“, rät Susanne Teuerle, Geburtshelferin aus Köln und Sprecherin im Landesverband der Hebammen in NRW. In Köln sei der Bedarf sowieso nie gedeckt gewesen. „Inzwischen haben sich aber so viele aus dem Geschäft zurückgezogen, dass Schwangere meist schon im dritten Monat zu spät dran sind.“ Paaren gibt sie den Tipp, nicht nur über das Hebammennetzwerk nach einer Geburtshelferin zu suchen, sondern auch über die Homepages der Krankenhäuser. Diejenigen, die Geburtshilfe anbieten, seien im Hebammennetzwerk oft gar nicht mehr Mitglied – weil sie schon über Mundpropaganda und ihren eigenen Internetauftritt mehr Anfragen bekommen, als sie abarbeiten können.

Aussterbendes Erfolgsmodell

Das langsame Aussterben des Hebammenberufs sehen auch Gesundheitsforscher kritisch. Denn medizinisch gesehen ist das System der Eins-zu-eins-Betreuung eigentlich ein Erfolgsmodell. „Wenn Frau und Hebamme schon in der Vorbereitung eine Beziehung zueinander aufgebaut haben, können sie unter der Geburt einfacher zusammenarbeiten“, sagt Friederike zu Sayn-Wittgenstein, Professorin für Pflegewissenschaften an der Fachhochschule Osnabrück. Ihr Institut hat eine Studie zum Thema „Hebammenkreißsaal“ durchgeführt. Dabei boten ausgewählte Kliniken Hebammen einen Raum, in dem sie alleinverantwortlich arbeiten konnten. Es zeigte sich, dass die Frauen dort ein geringeres Risiko für Komplikationen hatten als andere, die im medizinischen Kreißsaal betreut wurden. Der Effekt eines eingespielten Teams, vermuten die Forscherinnen.

Auch Hausgeburten, die bundesweit etwa zwei Prozent aller Geburten ausmachen, könnten bald noch seltener werden – sie werden nämlich nur von freiberuflichen Hebammen angeboten. „So wird die Wahlfreiheit des Geburtsortes eingeschränkt“, klagt Hebammen-Sprecherin Edith Wolber. Für Gesundheitsökonom Stefan Sell wäre das allerdings kein Argument für die Erhaltung des Berufs der freiberuflichen Hebamme. „Hausgeburten sind so riskant, dass dafür auch hohe Versicherungsprämien bezahlt werden müssen“, sagt der Professor an der Fachhochschule Koblenz.

Problematischer findet er die Situation der Beleghebammen, die in Kliniken Geburtshilfe leisten. „Es kann nicht sein, dass die Hebammen auch für Geburten im Kreißsaal diese horrenden Versicherungsbeiträge zahlen müssen.“ Entweder sollten die Kliniken die Haftpflicht weitgehend übernehmen oder die Krankenkassen müssten höhere Honorare zahlen, findet der Forscher. „Das ist eine politische Frage.“ Dass sie keine persönliche Hebamme gefunden habe, findet Ruth Beecker inzwischen nicht mehr ganz so tragisch. „Sollte die Geburt länger dauern, ist es doch gut zu wissen, dass nach einer gewissen Zeit wieder jemand kommt, der noch ausgeschlafen ist.“

Quelle: Kölner Stadtanzeiger

Kommentare

  • AnkeeAnkee

    258

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Für Gesundheitsökonom Stefan Sell wäre das allerdings kein Argument für die Erhaltung des Berufs der freiberuflichen Hebamme. „Hausgeburten sind so riskant, dass dafür auch hohe Versicherungsprämien bezahlt werden müssen“, sagt der Professor an der Fachhochschule Koblenz.

    Hallo,

    warum darf der das so behaupten? Es gibt doch Studien, daß Hausgeburten nicht gefährlicher als Klinikgeburten sind...
  • bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Ja das weiß ich auch nicht. Weil er Prof ist vielleicht? Es ist denen relativ egal mit welchen Mitteln die Geburtshilfe bzw. Hebammen ausgerottet werden.
  • bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Das finde ich echt unverschämt den Typ.
    Also ganz ehrlich wenn die es schaffen würden alle Hebammen "auszurotten" was eher unwahrscheinlich ist, dann würde ich lieber alleine zuhause entbinden als im KH.

    Gab ja mal so einen Geburtsbericht hier von einer Frau die auch alleine Entbunden hat.
  • bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Im Spiegel stand heute eine Notiz, dass die Haftpflichtprämien nochmals um 15% erhöht werden, auf über 4.000 €. :flaming01:
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