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Pssst! Der große Still-Report
Er ist einer der innigsten Momente zwischen Mutter und Kind, der Augenblick des Stillens. Über 90 Prozent aller Säuglinge in Deutschland bekommen nach der Geburt die Brust. Für die Mutter häufig eine Zeit des Glücks, aber auch der Unsicherheit und Fragen. Mache ich alles richtig? Ist Muttermilch wirklich gesund? Und wie lange darf ich stillen? Immerhin bekommt mit sechs Monaten nur noch jedes dritte Baby ausschließlich die Brust.
In BILD am SONNTAG geben Experten Antwort auf die wichtigsten Fragen.
Wie gesund ist Stillen?
Dr. Annett Hilbig, Ernährungwissenschaftlerin am Forschungsinstitut für Kinderernährung, Dortmund: „In den ersten Monaten gibt es für Babys nichts Besseres, Gesünderes und Preiswerteres als Muttermilch. So soll bei Stillkindern das Infektionsrisiko – zum Beispiel das Risiko für Mittelohr-Entzündungen – niedriger sein als bei Flaschenkindern. Auch das Risiko, an Diabetes und Zöliakie, also einer Glutenunverträglichkeit, zu erkranken, ist geringer. Vermutlich stellt Stillen eine Prävention vor Allergien und Übergewicht dar.“
Was enthält Muttermilch?
Dr. Hilbig: „Das richtige Verhältnis von Kohlenhydraten, Fetten, Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen wie Kalzium, Jod, Zink.“
Was gibt es für Alternativen zum Stillen?
Dr. Hilbig: „Anfangsnahrung, also Pre- oder 1er-Milch, hypoallergene Milch sowie Spezial-Nahrung wie Sojamilch, die bei Laktoseintoleranz gegeben wird.“
Hat Muttermilch Vorteile gegenüber Flaschenmilch?
Dr. Hilbig: „Ein großer Vorteil der Muttermilch sind die Antikörper, die die Kinder vor Krankheiten schützen, und die sich nicht künstlich herstellen lassen.“
Stimmt es, dass gestillte Kinder eine gefestigtere Persönlichkeit entwickeln?
Professor Klaus Vetter, Chefarzt der Klinik für Geburtsmedizin, Vivantes-Klinikum Berlin-Neukölln: „Dafür gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis. Sicherlich entsteht dadurch, dass ein Kind mehrere Monate an der Brust der Mutter liegt, eine positive emotionale Bindung. Aber Stillen ist nicht der alleinige Faktor für eine emotionale Bindung, sondern es zählt mit, wie sich die Mutter generell auf das Kind einstellt und wie liebevoll der Umgang ist.“
Gibt es für Frauen Vorteile durchs Stillen?
Professor Vetter: „Statistisch gesehen erkranken stillende Frauen seltener an Brustkrebs. Und sie erreichen eher ihr Gewicht, das sie vor der Schwangerschaft hatten, als nicht stillende Frauen, weil ihr Kalorienbedarf erhöht ist.“ Dr. Hermann Kahl, Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, ergänzt: „Die Gebärmutter bildet sich bei Stillenden schneller und problemloser zurück als bei Frauen, die mit Fläschchen füttern.“
Wie lange sollte gestillt werden?
Regine Gresens, Stillbeauftragte des Deutschen Hebammenverbandes: „Die Weltgesundheitsorganisation WHO, Unicef sowie die Nationale Stillkommission empfehlen ausschließliches Stillen in den ersten sechs Lebensmonaten, danach mit Beikost so lange Mutter und Kind das wünschen.“
Ist Langzeitstillen gesund?
Professor Vetter: „Das ist eher eine ideelle Entscheidung als eine medizinische. Es gibt weder einen erheblichen Vor- noch einen Nachteil, Kinder so lange an die Brust zu lassen.“
Gibt es Frauen, die nicht stillen können?
Dr. Kahl: „Es gibt nur ganz wenige Fälle, in denen Frauen nicht stillen können oder sollten. Beispielsweise dann, wenn die Mutter aufgrund einer Krankheit Medikamente einnehmen muss. Etwa Schilddrüsen-Medikamente oder starke Bluthochdruck-Tabletten.“
Warum tun sich manche Frauen so schwer mit dem Stillen?
Dr. Kahl: „Bei den meisten Müttern spielt die Psyche eine Rolle, wenn es nicht auf Anhieb klappt. Viele Frauen haben beispielsweise Angst, das Kind könnte durch das Stillen nicht satt werden. Diese Zweifel sind ungerechtfertigt. Das Stillen muss geübt werden, und nach wenigen Tagen oder Wochen sind Mutter und Kind ein eingespieltes Team.“
Wie wird die Milchproduktion angeregt?
Regine Gresens: „Das Neugeborene sollte in der ersten Lebensstunde angelegt werden und bis dahin im Hautkontakt auf der Brust der Mutter liegen. Frühes, häufiges Saugen führt dazu, dass in der Hirnanhangdrüse der Mutter das Milchbildungshormon Prolaktin gebildet wird.“
Was hilft bei entzündeten Brustwarzen?
Regine Gresens: „Die Brustwarzen werden nur wund, wenn das Baby falsch angelegt wird, falsch saugt oder eine Besonderheit im Mundraum hat, wie etwa ein zu kurzes Zungenbändchen. Helfen können Wollfett oder Hydrogelpads.“
Stimmt es, dass die Brustwarzen vor der Geburt abgehärtet werden sollen?
Regine Gresens: „Nein, das Abhärten mit einer Bürste, Zitronensaft oder Ähnlichem ist sogar gefährlich. Es kann bei der Schwangeren eine Brustentzündung verursachen sowie vorzeitige Wehen auslösen und damit zur Frühgeburt führen.“
Viele Frauen haben Angst, dass sich durch das Stillen ihre Brüste verändern. Lässt sich vorbeugen?
Regine Gresens: „Spezielle Gymnastik oder Übungen gegen hängende Brüste von stillenden Müttern gibt es nicht. Die Brüste verändern sich bereits in der Schwangerschaft. Sie werden größer, Fettgewebe wird abgebaut und das Drüsengewebe nimmt zu; dadurch hängen die Brüste von Müttern mehr als bei Frauen, die nie schwanger waren. Damit sich auf der Haut keine Schwangerschaftsstreifen bilden, sollten die Brüste in der Schwangerschaft und Stillzeit durch einen BH gut gestützt werden. Nach der Stillzeit werden die Brüste wieder kleiner, denn das Drüsengewebe bildet sich zurück, aber das Fettgewebe wird nicht wieder vollständig aufgebaut.“
Habe ich ein Recht auf Arbeitspausen zum Stillen?
Regine Gresens: „Laut Paragraf 7 des Mutterschutzgesetzes können Mütter Stillpausen während der Arbeitszeit beantragen. Die gesetzliche Stillzeit wird vom Arbeitgeber bezahlt und darf maximal 90 Minuten pro Tag andauern.“
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