Mein Geburtserlebnis – 18.5.2013 – 21:10 Uhr – Mattis
Mattis' errechneter Geburtstermin war der 18. Mai 2013 – sein Geburtstag.
Die Geburt begann am Vormittag des 17. Mai mit einem leichten, unregelmäßigen Ziehen im Unterleib, das ich gar nicht richtig einordnen konnte.
Ich war an diesem Vormittag im Einkaufszentrum unterwegs und weiß noch, wie ich dachte, dass es vielleicht in den nächsten Tagen losgehen könnte. In den Tagen zuvor hatte ich auch immer mal wieder etwas Schleim beim Abwischen auf der Toilette bemerkt.
Am Nachmittag wurde das Ziehen schon heftiger und zur Sicherheit rief ich im Geburtshaus an. Ich kannte noch immer nicht alle Hebammen aus „meinem“ Team und es war eine Hebamme am Telefon, die ich noch nicht kannte. Sie sagte, ich solle um 19 Uhr vorbei kommen.
Gesagt, getan: Ole und ich fuhren ins GH und dort untersuchte mich Hebamme Ute. Sie versuchte, meinen Muttermund zu ertasten, schaffte es aber nicht. Sie meinte, dass sie da jetzt auch nicht weiter rumpopeln wolle. Sie sagte, dass mein Ziehen keine richtigen Wehen seien. Es könne immer mal „ziepen“ wenn der Gebärmutterhals verstreicht. Ich sollte jetzt ganz geduldig sein, spazieren oder ins Kino oder essen gehen. Ute war sich sicher, dass die Geburt noch Tage auf sich warten lässt.
Völlig entmutigt saß ich nach der Untersuchung im Auto und die Tränen liefen: Ich hatte solche Schmerzen und sollte ins Kino gehen? Und das noch tagelang aushalten? Ich war totunglücklich.
Mit einem Spaghettieis, Fernsehen und ganz viel Zuspruch von Ole rettete ich mich durch den Abend und ging irgendwann ins Bett. Das Buscopanzäpfchen, das ich von Ute bekommen hatte, bewirkte rein gar nichts.
In der Nacht wurden meine Schmerzen immer schlimmer. Am schlimmsten empfand ich, dass sie in die Oberschenkel ausstrahlten und es dort richtig fies brannte. Ein ganz komisches Gefühl, dem ich nichts entgegensetzen konnte. Ich war ja nun der Annahme, dass ich keine Wehen hatte und denke, dass ich deshalb so schlecht mit den Schmerzen umgehen konnte. Ich war fast die ganze Nacht wach, wollte Ole nicht wecken (der aber auch viel wach war und unruhig schlief) und tigerte durch die Wohnung. Gegen vier Uhr konnte ich nicht mehr anders und weinte vor Schmerzen und Verzweiflung.
Mittlerweile war der 18.5. und somit Stichtag. Ich hatte wieder einen Termin im GH, diesmal geplant. Auf der Fahrt musste ich mich schon richtig auf die Wehen (denn es waren welche!) konzentrieren. Als unsere Lieblingshebamme Annalena ankam, stand ich gerade über den Kofferraum gebeugt und veratmete eine Wehe. Annalena schätzte die Situation sofort richtig ein und rief schon von Weitem: „Du hast ja Wehen!“.
Wir gingen rein und sie untersuchte mich. Ich erzählte ihr von der Untersuchung am Vortag, meinem Frust und der durchwachten Nacht und sie sagte noch, dass sie mir so sehr wünscht, dass der MuMu wenigstens schon 1cm offen ist. Und siehe da: Er war bereits 4cm offen!!! Ich weinte schon wieder, diesmal vor Erleichterung. Ich hatte 4cm in der Nacht ganz alleine geschafft und wusste nicht einmal, dass ich Wehen hatte, weil Ute mir am Vortag gesagt hatte, dass dieses Ziepen schon mal sein könne.
Annalena wollte uns nochmal spazieren schicken aber kaum dass ich wusste, ich hatte Wehen, kamen diese auf einmal seeehr regelmäßig und ich musste mich schon auf dem Tisch abstützen, um sie zu veratmen. Spazierengehen war mir dann doch nix mehr und wir richteten uns im Geburtszimmer ein.
Ole ging nochmal schnell zum Rewe und besorgte Cola, Gummibärchen, Schokolade, Traubenzucker etc. ...und für sich eine Tiefkühlpizza
Währenddessen konnte ich nicht mehr stehen und hockte mich im Vierfüßlerstand auf die Gummimatte, die bereit lag. Ich ließ mir noch 2 dicke Kissen geben, auf die ich meinen Oberkörper stützte und so verbrachte ich die nächsten 2 Stunden. Ole futterte seine Pizza während ich eine Wehe nach der anderen veratmete, die inzwischen alle 1-2 Minuten kamen, jedoch immer nur eine halbe Minute dauerten.
Gegen 17 Uhr untersuchte Annalena wieder den MuMu: Schon 8 cm geschafft. Ich war erleichtert, weil sich die Schmerzen echt in Grenzen hielten und dachte: Wer hätte das gedacht? Das ist ja echt machbar...
In der Übergangsphase lag ich zwischenzeitlich mal im Bett (das einzige Mal während der ganzen Geburt, dass ich überhaupt lag) mit einem Bein in der Schaukel. Irgendwann spürte ich einen leichten Drang zu pressen, dem ich noch nicht nachgeben durfte. Also atmete ich wie eine kleine Dampflok. Diese Phase hielt nicht lange an, ich weiß aber nicht mehr genau wie lange. Das Zeitgefühl geht echt komplett verloren während so einer Geburt.
Annalena machte irgendwann den Vorschlag, ich solle mal die Schaukel ausprobieren: ein großes Tuch, das von der Decke hängt. Ich verschlang meine Arme darin und ließ mich bei jeder Wehe rücklings in das Tuch fallen. Mittlerweile tröpfelte ich so vor mich hin, vielleicht war die Fruchtblase angerissen...Ich weiß es nicht und Annalena war es egal. Sie meinte, die platzt schon irgendwann und ob das Fruchtwasser oder Pipi ist, ist wurscht
Überhaupt war sie so ruhig und entspannt, wie man sich eine Hebamme nur wünschen kann: sie saß die meiste Zeit im Schneidersitz auf dem Boden oder auf dem Bett, futterte Gummibärchen und hörte ab und zu mal Mattis' Herztöne ab (die die ganze Geburt über top waren!).
Der Pressdrang wurde stärker und da Mattis' Köpfchen richtig im Becken war, durfte ich nun mitpressen. Am Anfang hatte ich entsetzliche Hemmungen, weil ich den Pressdrang überhaupt nicht als Teil der Geburt wahrgenommen hatte. Ich dachte einfach nur, dass ich aufs Klo muss und dass, wenn ich presse, da was mit rauskommt. Das sagte ich auch und als Annalena mir versicherte, dass das so sein MUSS, dass es sich tatsächlich so anfühlt, als wolle das Kind hinten raus, konnte ich nachgeben. Ich dachte mir einfach: Gut, wenn das so sein muss, sollte ich vielleicht wirklich mal mitpressen, sonst wird das hier ja nie was. Bei jeder Wehe stellte ich also ein Bein auf den Wannenrand und ließ mich wieder in das Tuch fallen. Dies ging lange so...
Zwischendurch ging ich immer wieder auf die Toilette und immer kam Ole mit (alleine durfte ich wohl nicht mehr). Es war bestimmt schon 20 Uhr als ich dachte, ich käme nie mehr vom Klo runter und würde das Kind dort kriegen. Ich saß da, machte Pipi und es kam eine Presswehe nach der anderen. Ich musste so heftig mitpressen, wie die ganze Zeit nicht. Nach drei Wehen beeilte ich mich, wieder ins Geburtszimmer zu kommen, wo es dann weiterging. Die Wehen kamen Schlag auf Schlag, dauerten aber immernoch nur eine Minute an. Ich spürte richtig Mattis' Kopf in mir und Annalena versicherte mir, dass es nicht mehr lange dauern würde.
Ich ging jetzt zum Pressen tief in die Hocke, Ole hinter mir, Annalena im Schneidersitz vor mir. Leider hörten die Wehen auf, sobald ich in der Hocke war, also musste ich nach jeder Wehe aufstehen (ich hing immernoch halb im Tuch), bis die nächste Wehe kam. Dann presste ich in der Hocke und zog mich danach mit Oles Hilfe wieder am Tuch hoch. Es war so anstrengend, dieses ewige hoch und runter und das ging bestimmt 100 Mal so. Immer wieder ließ die nächste Wehe auf sich warten. Mein Bauch wurde mit Wehenöl massiert und Ole musste meine Brustwarzen reiben, damit es weiter ging. Aber es ging tatsächlich weiter. Annalena ließ mich den Kopf fühlen. Er war wirklich kurz vor dem Ausgang.
Es dauerte bis 21:10 Uhr und Mattis kam mit einer einzigen Presswehe auf die Welt, also nicht erst der Kopf und mit der nächsten der Rest, sondern „am Stück“
Dabei kam auch erst das ganze Fruchtwasser mit.
Annalena wickelte ihn in ein warmes rotes Handtuch und wir hielten ihn ganz fest: Ich saß auf dem Boden, voll mit Blut, Fruchtwasser, Schweiß und Mattis' Stuhl (er hatte sofort nach der Geburt fast sein ganzes Kindspech verloren und deshalb auch keine Gelbsucht bekommen) und war einfach nur glücklich. Mattis war wunderschön und sah uns mit großen wachen Augen an. Wir zogen auf das Bett um und Annalena ließ uns alleine. So saßen wir bestimmt eine Stunde und ich legte Mattis schon mal vorsichtig an, um ihn trinken zu lassen.
Ich bekam noch einmal Wehen und gebar die Plazenta wieder in der Hocke auf dem Bett. Erst dann nabelte Ole Mattis ab und Annalena untersuchte die Plazenta. Dann wurde Mattis gebadet (normalerweise wird das nicht gemacht aber er war wirklich von oben bis unten voll Sch****), gewogen, gemessen und angezogen und durfte dann bei Papa auf dem Arm kuscheln.
Annalena nähte meine Kriegsverletzungen (ich hatte einen tiefen Scheidenriss, einen Labienriss und noch einen Riss zwischen Harnröhre und Klitoris). Das Nähen empfand ich viel schlimmer als die Geburt aber auch das ging vorbei. Sie gab sich wirklich Mühe und als sie nach getaner Arbeit sanft auf meine Wunden pustete, um sie zu kühlen, fand ich das so rührend. Im Krankenhaus würde das wohl kein Arzt machen. Ich finde, das spiegelt ihre ganze Haltung während der Geburt wider: Sie war unendlich liebevoll und geduldig und ruhig und die Atmosphäre war so entspannt.
Gegen 2 Uhr nachts fuhren wir mit unserem Sohn nach Hause und ich war so froh, in meinem eigenen Bett zu sein. Wir konnten nicht schlafen und schauten uns die ganze Nacht unser Kind an und er uns. Das war so ein besonderes Erlebnis und ich werde es nie vergessen.
Heute ist Mattis 15 Tage alt. Er wiegt schon 3730 Gramm (3330 Gramm und 51cm bei der Geburt) und hat sich schon so verändert. Er ist ein liebes, entspanntes Baby, was ich nicht zuletzt der sanften Geburt zuschreibe. Ich würde mich jederzeit wieder für eine Geburt im GH entscheiden und bin froh, dass ich auf mein Bauchgefühl gehört und mir die Vorstellung von einer natürlichen Geburt von niemandem habe ausreden lassen.
Eine Freundin schickte mir zur Geburt einen Link zu einem Lied von Reinhard Mey. Ich habe es gehört und Sturzbäche an Tränen vergossen, weil ich mich genau so fühle, seit mein Kind auf der Welt ist:
"Ich weiß gar nicht, wie ich beginnen soll,
So viel Gedanken, und mein Herz ist übervoll,
So viel Gefühle drängen sich zur selben Zeit:
Freude und Demut und Dankbarkeit.
Im Arm der Mutter, die dich schweigend hält,
Blinzelst du vorsichtig ins Licht der Welt,
In deinen ersten Morgen, und ich denk‘:
Dies ist mein Kind, welch ein Geschenk!"
Reinhard Mey, Mein Apfelbäumchen
Kommentare
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ich freu mich total mit dir, dass es so gut gelaufen ist, dass alles für dich so "perfekt" war, alles liebe nochmal nachträglich für euch 3!!!!
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Herzlichen Glückwunsch :sunny:
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wenn man die berichte immer liest, stellt man fest, dass von hausgeburt und geburtshaus doch immer positives berichtet wird, da hab ich noch nix negatives mitbekommen. allein die kliniken kommen eher schlecht weg oder sind ok. das find ich schon enorm. vor allem wenn dann versucht wird die frauen von einer hausgeburt bzw geburtshaus abzubringen.
lg
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Ein toller Bericht und er erinnert mich auch sehr an meinen....zwar im KH, aber auch sehr vom Bauchgefühl geleitet.
Herzlichen Glückwunsch nochmal und genießt die Zeit!!
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Herzliche Glückwünsche auch von mir nochmal!!!
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Ja, ich bin sehr glücklich, auch wenn ich immernoch nicht mit dem Studium fertig bin. Ich werde aber eine Verlängerung für die Abgabefrist kriegen und habe somit noch 10 Wochen Zeit. Ich denke, ich werde das schaffen.
In meine Rolle als Mutter bin ich noch nicht so richtig reingewachsen. Mattis hat seit ein paar Tagen viel Bauchweh und schläft dadurch nur schwer ein und immer nur auf Mamas oder Papas Arm. Das gönnen wir ihm aber...er ist ja noch so klein und diese ganzen Ratschläge von wegen, dass er lernen muss, alleine einzuschlafen, überhören wir einfach.
Es wird sich alles einpendeln irgendwann und alles kommt, wie es kommen soll.
Liebe Grüße,
Kathrin
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Hast du ein tragetuch? das fand ich bei Bauchweh immer super!
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Danke für den schönen Bericht.