Wo beginnt eine Geburt? Ich entscheide mich hiermit für das Aufwachen aufgrund heftigster „Regelschmerzen“, die natürlich keine waren…
Es war der 25.August des Nachts um 1 Uhr und meine Reaktion war ein Gang zur Toilette, reichlich verwirrt weil einmal nicht eine volle Blase Ursache war. Dort entleerte sich erstmal der Darm in eher flüssiger Art und Weise. Wieder im Bett konnte ich allerdings keine Verbesserung des falschen Regelschmerzes erkennen. Irgendwann ging dieser konstante Schmerz über in Schmerzwallungen, das waren dann wohl Wehen. Immer wieder musste ich das Bett verlassen und zur Toilette gehen, weil der Darm sich noch nicht völlig entleert hatte sondern dies in kleineren Dosen zu erledigen pflegte. Irgendwann nach 2 Uhr ging bei einem solchen Toilettenbesuch dann ein mit blutigen Fäden durchzogener klarer Schleim ab, jedoch weiß ich als eifrige Forumsbesucherin, dass auch nach dem Abgang des Schleimpfropfes noch Tage bis zur Geburt vergehen können. Dass ich dies alles einmal in einen Geburtsbericht schreiben werde, wusste ich also zu jenem Zeitpunkt noch nicht. Danach ging ich nicht mehr zurück ins Schlafzimmer, ich wollte meinen Freund mit dem Gestöhne, welches ich dem Schmerz entgegnete, nicht wecken. Übrigens, hätte ich ein Klistier daheim gehabt, ich hätte es mit Freude benützt. Nur für einen Einlauf jedoch frühzeitig ins Krankenhaus zu fahren kam jedoch nicht in Frage. So blieb mir nichts anderes übrig als mich immer wieder auf die Toilette zu schleppen. In dieser Zeit passierte, in Stunden à 60 Minuten gemessen, lange nichts neues, subjektiv betrachtet vergingen die 5 Stunden Wehen daheim sehr schnell. Ich war beschäftigt mit meinem Körper, wusste irgendwie instinktiv, was zu tun war ohne jedoch überfordert zu sein. Jedoch war ich nicht sicher, dass es sich um Geburtswehen handelt, ich hielt es für möglich, dass im Morgengrauen der Spuk ein Ende hat und ein weiterer Tag Schwangerschaft bevorstand.
Um 6 Uhr kam mein Freund ins Wohnzimmer und erschrak sichtlich: „Kommt unser Kind zur Welt?“ Meine Antwort „Vielleicht“ versetzte ihn in eine Hektik, die ich für übertrieben hielt, schließlich hatte ich diese Wehen auch schon vor ein oder zwei Stunden. Aber er hatte recht, wie ich im Nachhinein gestehen muss. Mein Freund packte in aller Eile einen Klinikkoffer (der war noch nicht fertig, weil erst in einer Woche ET sein sollte) und ignorierte meine Empfehlung, erst noch eine Kleinigkeit zu frühstücken. Um sieben waren wir im Krankenhaus, bei der Anmeldung schickte man uns direkt ins Kreißzimmer, wo eine Hebamme in einem Vorkammerl das CTG anlegte und seelenruhig begann, alle möglichen Fragen zu stellen. Die Antworten, die sie da ausfüllte würde ich gerne sehen, sie musste nämlich mein Stöhnen als Zustimmung bzw. Verneinung interpretieren. Jedoch könnte ich nicht einmal behaupten, dass diese Fragen lästig waren. Im Gegenteil, ich war nicht allein und im Nachhinein betrachtet verhinderten genau diese Fragen etwas, was das Personal erst nach der Entbindung verwundert bemerkte: Man vergaß, mir einen Zugang zu legen! Nach der Fragerei wurde ich kurz vaginal untersucht und die Hebamme staunte nicht schlecht: Muttermund schon 6cm geöffnet. Mein Freund brach noch einmal auf, das Auto umzuparken und so musste ich die weiteren Wehen auf der Liege im Vierfüßerstand im Vorzimmer allein veratmen. Ich sehnte mich allerdings in dieser Situation weder nach selbstgewählter Dosenmusik oder Duftlämpchen, noch nach Entbindungswanne oder warmer Atmosphäre. Mir hätte es gereicht, wenn sich jemand Zeit für mich und mein ungeborenes Kind genommen hätte im weiß gekachelten Vorzimmer mit Edelstahlanrichte. Warum auch immer, ich veränderte meine bisherige Position im Vierfüßerstand und stellte mich so zur Liege, dass ich mit dem Armen den Oberkörper stützen konnte. Und da sprang die Fruchtblase, als gerade mein Freund wieder zurückkam. Ein äußerst einrucksvoller Moment, der mir sehr lebhaft in Erinnerung blieb. Warmes Nass mit charakteristischem Geruch lief zwischen meinen Schenkeln hinunter. Einen ähnlich starken Eindruck hinterließ übrigens nur noch mein Tasten nach dem halbentbundenen Köpfchen am Ende der Presswehen.
Nachdem ich lautstark die geplatzte Fruchtblase verkündete, befreite mich die Hebamme von meinem Slip mit der Bemerkung: “Ja, das ist eindeutig die Fruchtblase“. Ich bekam Einlagen untergeschoben und wurde mit meinem Freund wieder allein gelassen. Später berichtete mir mein Freund von der Hektik, die beim Personal ausbrach. Das Kreißzimmer war seit der letzten Entbindung noch nicht fertig gemacht worden und somit hatte meine Hebamme alle Hände voll zu tun. Inmitten des Treibens begannen meine Presswehen und niemand sagte mir, was zu tun ist. Irgendwie hatte ich zunächst das Gefühl, ich komme da nicht zurecht. Überhaupt wusste ich erst auf die Frage meiner Hebamme „Müssen sie denn wirklich schon pressen“, dass dies Presswehen waren. Sie schrie diese Frage aus dem Kreißzimmer ins Vorkammerl heraus. Nach meiner bejahenden Antwort „Aha, das sind also Presswehen“ kam sie und tastet nach dem Muttermund, meinte, ein kleiner Rand wäre da noch, aber wenn’s nicht anders ginge, sei pressen schon okay. Sie verschwand noch einmal kurz und half mir dann ins Kreißzimmer und dort auf die Liege. Sie sagte, sie würde noch den Arzt verständigen und die Angst vor einem Dammschnitt entlockte mir die Frage: „Brauchen wir den Arzt überhaupt?“ Auf ihren fragenden Blick gestand ich ihr diese Angst vorm Schnitt und sie beruhigte mich: „Das entscheidet bei mir nicht der Arzt“. Weiter meinte sie, sie könne zwar nichts versprechen, werde es aber selbstverständlich versuchen. Dazu sei es allerdings notwendig, bei den nächsten Wehen genau auf sie zu hören und das zu tun, was sie sagte. Auf diesen Deal ließ ich mich gern ein, es blieb mir letztendlich nichts anderes übrig. Es kann sein, dass sie so meine absolute Konzentration gegen Ende der Geburt noch einmal herstellte. Die Hoffnung, einem Dammschnitt zu entkommen motivierte meine letzten Kraftreserven. So fiel es mir nicht schwer, genau nach ihrer Anleitung zu pressen bzw. drüberzuhecheln. Es herrschte zu diesem Zeitpunkt ein ausgezeichnetes Arbeitsklima, der eben eingetroffene junge Turnusarzt war sehr zurückhaltend. Er saß im Hintergrund auf einem Hocker und verharrte mit einer Engelsgeduld der Dinge. Auf einen Wink der Hebamme erhob er sich und half, Öl aufzuträufeln. „Der Kopf ist schon halb geboren, sie werden vermutlich ein starkes Brennen spüren“, verkündete sie und ich hatte das Bedürfnis „da“ mal hinzufassen. Sie hatte nichts dagegen und während meine Hand das erste Mal Hautkontakt mit meinem Kind hatte, blickte ich in das Gesicht des Arztes und las dort Anspannung, jedoch keinerlei Beunruhigung oder Hektik. Ich schöpfte noch mal Kraft aus diesem berührenden Moment und es wurde weitergearbeitet. Der Arzt träufelte weiter Öl und die Hebamme verarbeitete es. Spüren konnte ich nur einen heftigen Dehnungsschmerz, und die Wehen natürlich. Ziemlich rasch wurde so nun der Kopf vollständig geboren. Ein wenig Geduld war noch notwendig, ehe ich mein Kind in meine Armen begrüßen konnte, musste doch erst noch der restliche Körper raus. Mit der nächsten Wehe war es jedoch schon so weit. Das Kind, dessen feuchtes Haar am Köpfchen ich vor wenigen Augenblicken gespürt hatte wurde mir auf den Bauch gelegt. Zunächst habe ich es weniger mit den Augen betrachtet als vielmehr als warmen, weichen Körper wahrgenommen, der sich tatsächlich so anfühlte, wie das, was in meinem Bauch neun Monate lang herangewachsen war.
Viel später war klar, meine Tochter hat um 9:03 Uhr, also etwa zwei Stunden nach Ankunft im Krankenhaus, das Licht der Welt erblickt. Sie hatte „Durchschnittsdaten“ von 3,32 kg bei 51cm Länge.
Im Anschluss wurde noch die Nachgeburt ausgestoßen und von der Hebamme und dem Arzt auf Vollständigkeit kontrolliert. Dann erfolgte eine vaginale Untersuchung auf Geburtsverletzungen und ich hatte tatsächlich Glück. Außer einer kleinen Schürfung in der Scheide war nichts passiert. Diese Schürfung wurde versorgt indem sie mit wenigen Stichen genäht wurde (bei mir mit reichlich Betäubung, erst Spray und dann Lidocain). Gesehen hab ich diese Schürfung noch nicht, aber mittlerweile spüre ich davon gar nichts mehr. Dann drückte die Hebamme noch mal auf meinen Bauch damit auch „möglichst viel gleich rausgeht“, wie sie sich ausdrückte. Zugegeben, das war ein wenig unangenehm aber mit meinem Schatz auf meiner Brust wirklich auszuhalten. Meine Kleine wurde vom Papa und der Hebamme noch gebadet und dem Kinderarzt vorgestellt. Dann bekamen wir für etwa eineinhalb Stunden den Kreißsaal für uns allein, und Papa bereute es, die „Kleinigkeit Frühstück“ ausgeschlagen zu haben.
Tja, was dann später noch alles passierte, gehört hier nicht mehr hin, da müsste ich dann wohl einen Bericht über das Wochenbett schreiben. Aber eins kann ich hier schon sagen, die ersten Minuten des höchsten Glücks verwandelten sich im Wochenbett vorübergehend in ein Häufchen Elend. Alles auf dieser Welt muss sich die Waage halten, auf diese stolzen Gipfel mit zwei Handvoll Mutterglück auf dem Bauch konnte ein schmerzlicher Absturz erfolgen. Und hier ist es an der Zeit, meiner Betreuung zu danken, die aus meinem Freund und der Nachsorgehebamme besteht.
Noch ein Aspekt, der im Nachhinein klar ist. Rückblickend weiß man meist, wie alles besser hätte sein können. Und so bin ich auch der Meinung, dass diese Geburt besser daheim stattgefunden hätte. Das ärgerlichste am Ganzen war nämlich der Aufbruch ins Krankenhaus, der eintägige Aufenthalt ebendort und schließlich das wieder Heimkommen. Und so mein Entschluss: Das nächste Kind kommt daheim zur Welt! :baby01:
Kommentare
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Ich kann dich gut verstehen, mein nächstes wird auch definitiv nicht im KH zur Welt kommen das weiß man aber wirklich erst hinterher
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:laola02:
das war aber doch alles in allem ne tolle Geburt... oder ???
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Kommt das "Danach" in den Kummerkasten?
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Klingt nach einer tollen Geburt! :fun47:
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herzlichen Glückwunsch und das hast Du sehr schön geschrieben, kam mir vor als wenn ich einen Roman lese.
Und ne Hausgeburt kann ich wirklich nur empfehlen und ich glaube, Du bist auch der perfekte Kandidat dafür. Leider weiß man das ja nicht genau bevor man das erste Kind bekommt.
Was für Probleme Du im Wochenbett hattest, würde mich allerdings auch interessieren, wenn das nicht zu neugierig ist.
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Verpatzter Beginn der Stillbeziehung im Krankenhaus, dann massenhaft Tränen beim Heimkommen. Meine Tochter war soooo perfekt, während ich in jeder Hinsicht versagte.
Dann eine rote und schmerzhafte Brust gepaart mit Fieberkrämpfen (nur mit Widerwillen denke ich an jene Nacht zurück, wo ich von Krämpfen geschüttelt mit der Milchpumpe in der Hand dasaß und die Tränen einfach nicht zurückhalten konnte; oder als ich auf Anraten der Hebamme eine warme Dusche vor dem Anlegen nahm und dann vor lauter Schüttlefrost ein Anlegen erst recht undenkbar war). Mein Freund war fast genauso verzweifelt, aber eine große Hilfe und befriedigte mein Anlehnungsbedürfnis und zeigte Verständnis für meine Situation.
Und dann eine fast genauso rasche Genesung, nach konsequent durchgeführten Topfenwickel, und viel Bettruhe. Tja, eine Hebamme ist in dieser Situation Goldes wert :knutsch01:
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Da hast du so recht ! Ohne meine Hebamme hätte ich das Stillen nie durchgehalten.
Aber dir noch einen herzlichen Glückwunsch zur Geburt :fantasy05:
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Herzlichen Glückwunsch zum Baby auch von mir :laola02:
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Wie heißt denn Eure Süße?
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Herzlichen Glückwunsch zu eurer Tochter.
Es war wirklich ein Genuß, deinen Bericht zu lesen. Vor allem macht er mir aber Mut, was den Geburtsschmerz angeht. So langsam fange ich an mir Gedanken zu machen und bekomme etwas "Fracksausen" vor dem Ereignis.
Wie ich deinem Bericht entnehmen kann hast du alles ohne irgendwelche Medikamente oder ähnliches geschafft. Toll und ich beneide dich darum.
Viel Spaß mit eurer kleinen Hexe
Linus/Tanja
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:laola01:
Gruß
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:laola01: