BGH zu Anordnung des Wechselmodells durch Umgangsregelung

bearbeitet 12. 03. 2017, 14:36 in Recht und Behörden
des Familiengerichts

Der unter anderem für Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass und unter welchen Voraussetzungen das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils gegen den Willen des anderen Elternteils ein sogenanntes paritätisches Wechselmodell, also die etwa hälftige Betreuung des Kindes durch beide Eltern, als Umgangsregelung anordnen darf.

Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die geschiedenen Eltern ihres im April 2003 geborenen Sohnes. Sie sind gemeinsam sorgeberechtigt. Der Sohn hält sich bislang überwiegend bei der Mutter auf. Im Mai 2012 trafen die Eltern eine Umgangsregelung, nach welcher der Sohn den Vater alle 14 Tage am Wochenende besucht. Im vorliegenden Verfahren erstrebt der Vater die Anordnung einer Umgangsregelung in Form eines paritätischen Wechselmodells. Er will den Sohn im wöchentlichen Turnus abwechselnd von Montag nach Schulschluss bis zum folgenden Montag zum Schulbeginn zu sich nehmen. Das Amtsgericht hat den Antrag des Vaters zurückgewiesen. Dessen Beschwerde ist vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben.

Auf die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde des Vaters hat der BGH den Beschluss des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen. Nach § 1684 Abs. 1 BGB (§ 1684 BGB Umgang des Kindes mit den Eltern: (1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. (2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet. (3) Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht anhalten. ... (4) ...) hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil und ist jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind ver pflichtet und berechtigt. Gemäß § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB kann das Familiengericht über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln.

Das Gesetz enthält keine Beschränkung des Umgangsrechts dahingehend, dass vom Gericht angeordnete Umgangskontakte nicht zu hälftigen Betreuungsanteilen der Eltern führen dürfen. Vom Gesetzeswortlaut ist vielmehr auch eine Betreuung des Kindes durch hälftige Aufteilung der Umgangszeiten auf die Eltern erfasst. Zwar orientiert sich die gesetzliche Regelung am Residenzmodell, also an Fällen mit überwiegender Betreuung durch einen Elternteil bei Ausübung eines begrenzten Umgangsrechts durch den anderen Elternteil. Dies besagt aber nur, dass der Gesetzgeber die praktisch häufigste Gestaltung als tatsächlichen Ausgangspunkt der Regelung gewählt hat, nicht hingegen, dass er damit das Residenzmodell als gesetzliches Leitbild festlegen wollte, welches andere Betreuungsmodelle ausschließt. Dass ein Streit über den Lebensmittelpunkt des Kindes auch die elterliche Sorge und als deren Teilbereich das Aufenthaltsbestimmungsrech t betrifft, spricht jedenfalls bei Bestehen des gemeinsamen Sorgerechts der Eltern nicht gegen die Anordnung des Wechselmodells im Wege einer Umgangsregelung. Eine zum paritätischen Wechselmodell führende Umgangsregelung steht vielmehr mit dem gemeinsamen Sorgerecht im Einklang, zumal beide Eltern gleichberechtigte Inhaber der elterlichen Sorge sind und die im Wechselmodell praktizierte Betreuung sich als entsprechende Sorgerechtsausübung im gesetzlich vorgegebenen Rahmen hält.

Entscheidender Maßstab der Anordnung eines Umgangsrechts ist neben den beiderseitigen Elternrechten allerdings das Kindeswohl, das vom Gericht nach Lage des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen ist. Das Wechselmodell ist anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Wechselmodell gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind stellt, das bei doppelter Residenz zwischen zwei Haushalten pendelt und sich auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- bzw. umzustellen hat. Das paritätische Wechselmodell setzt zudem eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus. Dem Kindeswohl entspricht es dagegen regelmäßig nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, diese Voraussetzungen erst herbeizuführen. Ist das Verh&a uml;ltnis der Eltern erheblich konfliktbelastet, so liegt die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes. Wesentlicher Aspekt ist zudem der vom Kind geäußerte Wille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen ist.

Das Familiengericht ist im Umgangsrechtsverfahren zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet, welche Form des Umgangs dem Kindeswohl am besten entspricht. Dies erfordert grundsätzlich auch die persönliche Anhörung des Kindes. Im vorliegenden Fall hatte das Oberlandesgericht eine persönliche Anhörung des Kindes nicht durchgeführt, weil es zu Unrecht davon ausgegangen war, dass eine auf ein Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung nach der gesetzlichen Regelung nicht möglich sei. Das Verfahren ist daher zur Nachholung der Kindesanhörung und zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden.
Vorinstanzen: OLG Nürnberg – Beschluss vom 8. Dezember 2015 – 11 UF 1257/15, AG Schwabach – Beschluss vom 10. September 2015 – 1 F 280/15

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 27.2.2017

Kommentare

  • CriosaCriosa

    2,598

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Ähm... das Kind soll dann aber schon in der gleichen Schule sein und so weiter, ja?

    Also ich weiß ja nicht. Ob das gut ist für Kinder? Sehe hier schon bei vielen, die alle zwei Wochenenden zum Vater gehen, dass sie das emotional völlig überfordert. :sad:
  • MäusleMäusle

    7,471

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    ich seh das wie du Criosa. Für die Kinder wirds immer schwieriger dabei.
  • bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Kennt Ihr eigentlich Familien die so etwas praktizieren
  • CriosaCriosa

    2,598

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    Ich kenne nur Familien, bei denen die Variante - Kind geht alle zwei Wochen für ein Wochenende zum Vater, praktiziert wird. Und bei denen die ich kenne, ist es durch die Bank so, dass das für die Kinder sehr belastend ist.

    Daher meine Frage, ob es besser wäre für Kinder, wenn die Zeitspannen größer wären?

    Die Väter bekämen zumindest etwas mehr Alltag vom Kind mit. Mit der üblichen Variante ist es ja doch eher "Spaßpapa für zwei Tage".
  • MäusleMäusle

    7,471

    bearbeitet 30. 11. -1, 01:00
    ich kenne eine solche Familie. Die Kinder sagen - sie fühlen sich nirgends so richtig zuhause. Ich finds bescheiden, ehrlich gesagt. Ich finde selbst alle 2 Wochen Wochenende heftig fürs Kind, wenn auch verständlich aus Sicht des Vaters bzw. der getrennt lebenden Mutter. Ich muss ehrlich sagen, dass ich sowas wie Papa-Wochenenden nicht unbedingt machen würde. Mein Mann sieht es ähnlich. dann lieber mal hie und da nur ein Tag oder Nachmittag, ansonsten Telefon, Skype etc, und dann in den Ferien mal ne Woche oder so. find ich persönlich besser und auch "einfacher" für die Kinder, weil sie nicht so ständig aus ihrem Alltag raus gerissen werden
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