Wegen Gestose-Grenzwerten (Blutdruck, Eiweiss, massive Ödeme) war ich nun (auf anraten meiner Hebamme) stationär im Krankenhaus. Der Gestose-Verdacht hatte sich jedoch nicht bestätigt und man wollte mich am nächsten Tag wieder nach Hause entlassen. Ich war nun bald eine Woche über Entbindungstermin.
Am Vorabend gegen 22:00 Uhr spürte ich erstmals dass meine bisher sowieso vorhandenen Vorwehen deutlich intensiver geworden waren. Am CTG bestätigte meine Vermutung und ein Muttermund-Tastbefund ergab 1cm. Man empfahl mir Tabletten um besser schlafen zu können, ich lehnte dankend ab.
Gegen 0:46 wurde es so, dass ich meine Zimmernachbarin durch mein hin und herwälzen wecken würde, Durchfall, Wehen. Ich entschloss aufzustehen, ging ins Bad und begann dann auf dem Krankenhausflur entlangzulaufen. Draußen tobte der Sturm. Ich hing etliche Wehen am Fenster und schaute in die Nacht. Mein Vertrauen in diese Wehen war nicht groß, denn es wäre nicht das erste mal dass diese wieder verschwinden würden.
Etliche male sprachen mich Nachtschwestern an, ob ich nicht in den Kreissaal gehen wolle, doch ich winkte ab und wollte erstmal abwarten. Nach drei Stunden, meinte ich sicher zu sein, dass die Wehen bleiben würden. Ich ging in den Kreißsaal zur dortigen Hebamme, die von den Stationsschwestern schon unterrichtet worden war, dass ich auf Station herumtigerte.
Sie ließ mich einen Moment warten, im Hintergrund tönte eine andere Frau. Ich wollte mich nicht setzen, ging immer Kreise, gerade während der Wehen war es angenehmer zu gehen.
Nach CTG und Muttermundbefund (2cm) war klar, dass ich meine Hebamme anrufen sollte.
Ich hatte der Stationshebamme vorgeschlagen, erstmal meinen Mann anzurufen und mit ihm spazieren zu gehen, doch sie guckte mich ganz perplex an und meinte über den Punkt sei ich doch schon hinaus und diese Wehen würden sicher bleiben, ich bräuchte jetzt auf jeden Fall eine betreuende Hebamme. Nun gut. Somit rief ich meine Hebamme und meinen Mann an.
Ich war sehr euphorisch... nun würde ich also endlich mein Kind bekommen.
Ich ging auf mein Stationszimmer, holte einige Dinge, die ich unter der Geburt brauchen würde, nahm noch eine Wasserflasche mit und zog ins Vorwehenzimmer um.
Dort warf ich mich auf das große Bett und verarbeitete die regelmäßigen Wehen. Zwischendurch holte mich die andere Hebamme noch mal für ein CTG.
Erst traf mein Mann ein, dann meine Hebamme. Sie hatte starke Zahnschmerzen. Die beiden setzten sich im Vorwehenzimmer an den Tisch, lasen Zeitung und beobachteten mich bei meiner Wehenarbeit. Ich war nun soweit, dass ich unter einer Wehe nichts mehr mitbekam, dazwischen ging es mir gut. Wir alberten in den Wehenpausen ein wenig herum.
Dann kam der Moment, in dem mit kleinem Ruck, meine Fruchtblase sprang. Ich flitzte ins Bad und irgendwie war
es irre komisch so vor sich hin zu wabern. Allerdings war das Wasser gelbgrünlich. Ich brauchte ewig mit dem Duschen und mich windeltechnisch zu verpacken. Ein paar Wehen später(und CTGs), beschloss meine Hebamme, sich im Krankenhaus ein Schmerzmittel für ihren Zahn geben zu lassen. Sie unterrichtete eine andere Hebamme von meinem Zustand und machte sich auf den Weg.
Mein Mann und ich gingen den Kreissaalgang auf und ab, immer wieder Wehen regelmäßig. Wir alberten zwischen den Wehen herum und zwischendurch verschnaufte ich die Wehen an den Haltestangen an der Wand.
Als alle wieder da waren und nachdem ich im Vorwehenzimmer auf der Toilette war, stand plötzlich eine Ärztin im Raum. Sie fragte mich, ob sie den Muttermund tasten dürfe um sich ein Bild zu machen. Sie stellte fest, dass der Muttermund fast unverändert war (2cm) und der Kopf immer noch weit hinten lag. Sie empfahl einen Wehentropf, da sich ja nun seit Stunden nichts getan hatte. Sie meinte meine Wehen seien nicht effektiv genug. Nun war ich erstmal am heulen. Kriegte mich kaum wieder ein. Ich sah vor meinem geistigen Auge mit dem Wehentropf den ersten Schritt zum Kaiserschnitt, vor dem ich mich am meisten fürchtete.
Doch meine Hebamme sah es ähnlich mit dem Tropf. Wir wechselten in den Kreissaal, ich bekam ein CTG und lag erstmal auf dem Entbindungsbett. (zwischendurch war auch der Chefarzt ab und an mal da). Irgendwann stellte ich fest, dass ich die Wehen im stehen besser ertragen konnte. Somit stand ich dann die meiste Zeit neben dem Bett und wippte in den Wehen wild herum, und rieb mir wie wild das Kreuzbein. Es muss lustig ausgesehen haben, aber anders konnte ich die Wehen kaum ertragen.
Gegen 11:00, kam der Chefarzt vorbei und sprach mit mir. Er war sachlich und nett und sagte auch er wolle mich zu nichts überreden, aber es wäre schon so dass der Kopf offenbar nicht ins Becken rutschte. Er schaute sich später zweimal den Muttermund an und dazwischen sollte ich auf Vorschlag meiner Hebamme hin Wehen in unterschiedlichen Positionen verarbeiten, damit vielleicht eine Position dabei war, die dem Kind ermöglichen konnte tiefer zu rutschen.
Gegen 13:00 wollte ich bei einer besonders extremen Wehe vor Schmerzen gern eine PDA, kriegte mich aber wieder ein, denn das hatte ich mir anders vorgenommen. Die Wehen waren höllisch und ich bekam etwas Schüttelfrost währenddessen. Im Stehen klappte es dann aber wieder gut und ich fühlte mich wieder in den Wehenpausen fitter.
Der Chefarzt stellte dann fest, dass der Muttermund nun butterweich und verstrichen war. Er meinte, wenn der Kopf jetzt draufdrücken würde, dann ginge es wohl ganz fix, dieser sei aber leider unverändert oben.
Meine Hebamme hatte genau das befürchtet als sie in der Vorsorge die ständigen Vorwehen und Wendeaktionen des Kindes beobachtet hatte (sie hat sich quasi ständig geschraubt, mal Beinchen links, mal rechts). Die Vermutung liegt nahe, dass sie vorher immer schon versucht hatte ins Becken zu kommen (deshalb die Wehen und Wendungen), es aber nicht geklappt hatte.
Man ließ mich entscheiden. Nur unter der Versicherung meiner Hebamme, dass auch sie der Meinung war es scheint keine reelle Chance zu geben und ein wenig auch aus der Angst heraus am Ende einen Notkaiserschnitt mit Vollnarkose erleben zu müssen, stimmte ich schließlich einem Kaiserschnitt mit Fassung zu.
Nun setzte eine schnelle Routine ein. Meine Hebamme rasierte mich, setzte einen Blasen-Katheter zig Leute kamen herein, hoben mich auf ein Bett, ich durfte die Brille nicht auf behalten und sah alles verschwommen und arbeitete mich noch immer durch weitere Wehen. Man schob mich in den Narkoseraum (hatte mich für eine Spinale entschieden). Tausend Leute schienen um mich herum zu sein. Ich wurde auf eine Pritsche gehoben, registrierte noch wie weiteres Fruchtwasser aus mir auslief. Die Menschen um mich herum erklärten jeden Schritt den sie mit mir anstellten.
Man behandelte mich wie einen Menschen, sehr freundlich und umsichtig. Dann musste ich mich (nach weitere Wehe) hinsetzen und einen Buckel machen. Man hatte mich vorher darüber aufgeklärt wie sich die Spinale anfühlen würde. Überhaupt waren alle sehr nett zu mir und versuchten mich abzulenken. Das setzen der Spinalen war absolut schmerzfrei.
Man legte mich wieder hin, erklärte mir genau wozu dieser Tropf und jene Spritze gesetzt wurden. Dann wurde ich in den OP geschoben. Verschwommen erkannte ich die Ärztin, den Chefarzt, meinen Mann. Die anderen erkannte ich nicht... Es waren viele im Raum. Der Anästhesist blieb an meinem Kopfende und hielt mich bei Laune. Er erklärte jeden Schritt (ich konnte alles in der Op-Lampe spiegeln sehen, schaute aber nicht oft hin, das Geräusch vom Blutabsaugen war etwas eklig).
Dann sah ich in der Lampe, wie mein Kind geholt wurde. Erst der Kopf, dann der Körper, welcher ganz blass wirkte. Sie gaben es meiner Hebamme, die es sofort im Handtuch zu mir schleppte. Mein Mann hatte ganz rote Augen und ich war sofort verliebt in unsere Tochter. Ich hatte sofort das Gefühl: Ja, das ist –mein Kind-.
Sie ließen sie einen kleinen Moment an meinem Kopfende, ich hielt ihr die Hand über die Augen, denn die OP-Leuchten strahlten ihr direkt ins Gesicht. Dann wollte die Kinderärztin das Kind untersuchen.
Die Kleine hatte wohl ein Hämatom am Kopf, das noch mal zeigte, wie sehr sie schon Druck ausgehalten hat und trotzdem nicht rutschte.
Mein Mann wollte erst bei mir bleiben, aber ich fand es schöner, ihn beim Kind zu wissen. Während ich genäht wurde, hielt mich das ganze Team weiterhin bei Laune.
Danach wurde ich in einem Nachbarraum mit einer Art Förderband in ein Bett befördert und in den Aufwachraum geschoben. Ich begann zu zittern wie Espenlaub. Man legte eine Wärmedecke auf mich. Dann eröffnete man mir, dass ich nun 2h hier liegen müsse oder zumindest bis ich die Beine bewegen könnte. Meine Beine waren wie Fremdkörper und ich dachte nur: Scheiße, ich will zu Mann und Kind!
Ich hatte nicht mit meinem Mann gerechnet, der derweil mit einer Stationshebamme des Hauses (Meine Hebamme war auf dem Weg zum Zahnarzt) aushandelte, das Kind sofort zu mir zu bringen. So kamen dann mein Mann, die Hebamme und unsere Tochter eigentlich unerlaubter Weise, zu mir. Die Kleine war noch nackt im Handtuch und fühlte sich bei mir unter der Wärmedecke sofort wohl. So konnte ich die ersten Minuten mit meiner Tochter nachholen und sie robbte auch gleich instinktiv zur Brust und saugte. Ich zitterte sofort nicht mehr und war glücklich.
Nach 45 Minuten etwa, holte die Hebamme dann die Kleine wieder, sie hatte derweil auch schon schön Kindspech im Handtuch und meinem Bett hinterlassen. Die restliche Zeit im Aufwachraum verbrachte ich mit seligem Lächeln.
Als ich die Beine mit Ach und Krach bewegen konnte, brachte man mich auf Station. Sie hatten ein Einzelzimmer aufgebettet, um uns trotz voller Station ein Familienzimmer zu ermöglichen. Meine Hebamme war auch wieder da(mit dicker Wange). Mein Mann hatte unser kleines Bündelchen auf dem Arm.
Heute, 10 Tage nach der Geburt, kommen Fragen auf die ich schlecht wegschieben kann: „Habe ich dem Kaiserschnitt zu früh zugestimmt?“ „Werde ich nun auch meine weiteren Kinder alle per Kaiserschnitt entbinden?“ „Hätte ich irgend etwas anders machen können um den Kaiserschnitt zu vermeiden?“ Alles Fragen die mir niemand beantworten können wird.
In jedem Falle denke ich, haben wir aus der Situation noch das beste für unser Kind und uns getan.
Meinem Mann bin ich auf ewig dankbar, für die Zeit mit meiner Tochter im Aufwachraum für die er sich eingesetzt hatte... unsere wirklichen ersten Minuten.
Ich bin froh, dass meine Tochter in der Zeit bis sie bei mir war, in den Händen meiner Hebamme war und nicht bei einer Fremden Person. Denn sie hat die Kleine nicht unnötig begrabbelt und betüdelt, sondern sie einfach nur fest und warm eingepackt.
Dem Team des Krankenhauses bin ich dankbar, dass sie zum einen die Zeit im Aufwachraum ermöglichten und zum anderen ein Einzelzimmer für uns räumten und aufbetteten, damit wir ein Familienzimmer bekamen.
Somit konnte ich dank Hilfe meines Mannes, die Kleine von Anfang an selbstständig versorgen und Tag und Nacht bei mir haben. Somit wuchsen wir gleich in unsere Elternrolle hinein, brauchten kein Säuglingszimmer, und genossen die ersten Tage mit unserem kleinen Sonnenschein.
Die Geburt war nicht das, was ich mir erhoffte, und es wird dauern, das zu verkraften. Das Ergebnis aber, unsere Tochter, erfüllt uns mit unbändigem Elternstolz. Sie vermittelt mit ihrem so selbstverständlichen Vertrauen das Gefühl, dass alles so wie es ist , vollkommen richtig ist.
Kommentare
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erstmal herzlichen Glückwunsch und ich hoffe Euch geht es allen gut und es ist schon etwas Ruhe eingekehrt.
Kann dich supergut verstehen, hatte in groben Zügen eine ähnliche Thematik bei meiner Geburt ........
Auch mein Baby wollte nicht mit dem Kopf in mein Becken rutschen, bzw. konnte nicht weil es irgendwie "verkeilt" war ....... Kaiserschnitt war auch ein Thema, aber man wollte noch abwarten .......
dann war Hebammen-Schichtwechsel und eine Neue kam mit neuen Ideen .....
Fazit nach 20 Min mit der neuen Hebamme, die davon 15 Min. nicht im Zimmer war - Ich bin kollabiert und Herztöne des Kindes mehr als schlecht --- > absoluter Panik- und Notkaiserschnitt.
Sei froh, daß du es noch so geschafft hast, ich weiß wie du dich fühlst und kann es gut nach empfinden ...
ich würde alles dafür geben, wenn sie bei mir den Kaiserschnitt noch zum richtigen Zeitpunkt gemacht hätten.
Unsere Geburt war am 6.11.04 und wenn ich die Nerven habe, werde ich alles hier mal aufschreiben
Dir alles Liebe, genießt die erste Zeit
SOSO
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Ich hatte bei Lukas auch einen Geburtstillstand, das endete auch mit einem KS in Vollnarkose und Kinderklinik, auch er hatte so eine Tüte auf dem Kopf.
Ich denke das ist rechtzeitig gemacht worden...
Super, das es Euch gut geht!!
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Und ich dneke, du hast in deinem Mann jemanden an deiner Seite, der dir helfen wird, dein ERlebnis mit dir zu besprechen und der deine Sorgen verstehen wird.
Christina
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alles alles Liebe und herzlichen Glückwunsch zur Geburt Deiner Tochter!
Ich hatte mir schon Gedanken gemacht, wo Du abgeblieben bist ;-)
Meine Kleine ist ja auch per Kaiserschnitt geboren worden und die Gedanken die Du Dir machst kenne ich nur zu gut.
Aber was im Endeffekt zählt ist, dass Ihr beide wohlauf seid.
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Ja, ich kann dich voll und ganz verstehen. Ich hatte mir die Geburt auch anders vorgestellt. Aber jetzt 12 Tage danach bin ich froh, dass es unserer Kleinen und mir gut geht und es keine Komplikationen gab. Das ist im Moment alles was für mich zählt.
Alles Liebe und Gute
Tanja/Linus mit Dana
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schön das du wieder da bist, hatte dich schon vermisst - aber dein Wochenschreiber war schon bei mehr als 40 angekommen, da konntest du ja nur so beschäftigt sein ;-) .
Herzlichen Glückwunsch :fantasy05:
Schade, dass es ein Kaiserschnitt geworden ist, aber leider läuft es eben manchmal anders als man es sich wünscht. Beim Lesen war ich ganz gerührt und hatte den Eindruck, das ihr das Beste aus der Situation herausgeholt habt. :applause:
Alle Gute
Bibo
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Tut mir leid, das die Geburt nicht deinen Vorstellungen entsprach. Ich kann das gut verstehen, das würde mich auch ziemlich frustrieren. Aber nach deinem Bericht habt ihr es ja unter den Umständen wirklich ganz gut getroffen. Vielleicht tröstet es dich ja, das deine Tochter wenigstens den Zeitpunkt ihrer Geburt selber bestimmen konnte, was bei vielen Kaiserschnitten ja sonst nicht der Fall ist.
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Ben hatte sich auch verkeilt und wurde nach 24h Wehen per Kauserschnitt geholt - er hatte die Hämatome im Nacken und auf den Augen (sieht man immernoch ein bißchen)...
DAS erfüllt mich allerdings doch etwas mit gemischten Gefühlen... ob ich das hätte sehen können/wollen, weiß ich nciht so genau, auch wenn ich die "echte" Geburt schon vermisse. Allerdings durfte ich meinen Sohn auch erst nach Stunden in den Arm nehmen und anlegen.
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Für mich hört sich das auch so an, als hättet ihr das beste noch rausgeholt. Vor allem auf Deinen Mann kannst Du stolz sein, welcher sich erfolgreich für das Kind im Aufwachraum eingesetzt hat.
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Das bin ich auch!
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Und du hast einen *traumhaften* neuen Avatar. Wunderschön!
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Oh, wie schoen, war beim Lesen Deines Berichtes auch ganz geruehrt... hab an Dich gedacht, als erstmal nichts mehr von Dir kam... und als ich Deinen neuen (superklasse!) Avatar entdeckt hab, hab ich gleich bei den Geburtsberichten nachgeschaut!
Ich freu mich fuer Euch, dass Eure kleine Giselle endlich da ist und wuensch Euch eine wunderschoene Anfangsphase!!!
Herzliche Gruesse an die "neue" Familie! :byebye03:
Kathrin.
2,953
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herzlichen Glückwunsch hier noch mal von mir! :knutsch01: